Regionalband 01 – In den Dschungeln Meridianas

In kaum einer Region Aventuriens liegen Gedeih und Verderb, Reichtum und Ruin so nahe beieinander wie in den Ländern südlich der einstigen Kaiser-Debrek-Linie.
vom Backcover von In den Dschungeln Meridianas

Vor uns liegt heute der erste der Regionalbände, die für die vierte Edition des schwarzen Auges erschienen sind und erscheinen werden. Das Buch ist schon eine Weile raus, aber wir werden in dieser sowie den kommenden Wochen mal versuchen, etwas Boden gut zu machen und wenigstens zum aktuellen Regionalband für das größte deutsche Fantasy-System aufzuschließen.

„Al‘Anfa und der tiefe Süden“ hieß die alte Box, die der vorliegende Band mit dem erklärenden Untertitel „Das Imperium von Al‘Anfa und die Länder der Waldmenschen“ ersetzt. Das neue Cover von Thomas Thiemeyer zollt dieser Erbschaft durchaus Respekt und zeigt gewissermaßen das alte Titelbild von Ertrugul Edirne von der anderen Seite. Auf der alten Box schauten einige Eingeborene der südlichen Dschungel heraus auf ein stolzes Schiff, auf dem neuen Buch schaut man dagegen von einem solchen Schiff aus auf primitivere Ruderboote herab. Ist ganz nett, allerdings leider farblich sehr blass geraten und an der selben Krankheit leidend, die auch das Cover des neuen Grundbuchs zeichnet: Alle gucken am Betrachter vorbei auf irgendeinem Punkt, wo anscheinend etwas viel Spannenderes passiert.
Aber das Cover geht in Ordnung, da hat DSA schon Schlimmeres erleben müssen.

Das Innenlayout will ich mal wieder wohlmeinend als spartanisch bezeichnen. Eine schöne Kopfleiste und ein komplett ideenloser, grauer Rand sind auch beim Erscheinen des Meridiana-Bandes 2004 nicht mehr genug gewesen, um zeitgemäß zu sein und es wirkt irgendwie sehr unspektakulär. Die Illustrationen sind das gewohnte Sammelsurium von neuen oder wenigstens sehr aktuellen Bildern von Caryad und Sabine Weiss bis hin zu Zeichnungen, die offenbar aus den frühen Tages des Systems stammen. Das wirkt alles etwas unausgegoren und fällt allenfalls deshalb nicht komplett negativ auf, weil meist einige reine Textseiten zwischen zwei Bildern liegen. Das wiederum fällt allerdings auf und das teilweise bis zu zehn Seiten ohne Zeichnung am Leser vorbeiziehen ist schon was mau.
Pluspunkte sammelt das Buch sicherlich wieder durch die mittlerweile bewährte Lasche auf der Innenseite des hinteren Deckels, der farbige Regionalkarten von Al‘Anfa und dem Regengebirge sowie Altoum und den Waldinseln, eine schwarzweiße Karten von Brabak und je eine farbige und schwarzweiße von Al‘Anfa einliegen. Das und eine exzellente Verarbeitung mit unverwüstlicher Bindung und Lesebändchen retten die rein physische Note des Buches sicherlich. Der Preis von 25 Euro ist zudem der aktuellen Marktlage nach mehr als fair.

Es hat sich inhaltlich, das wird schnell klar, seit dem Erscheinen von „Al‘Anfa und der tiefe Süden“ 1995 eine ganze Menge getan. Ich spare es mir jedoch, an jeder Stelle eine nunmehr zwölf Jahre alte Box mit dem aktuellen Band zu vergleichen sondern widme mich eher „von Neuem“ seinem Inhalt.
Das Buch umfasst 208 Seiten und ist leider nur bedingt in größere Sinnabschnitte gegliedert worden. Zwar helfen ein umfangreiches Inhaltsverzeichnis und ein exzellenter Index bei der Orientierung, aber so ganz intuitiv will die Verwendung des Buches doch nicht von der Hand gehen.
Die ersten Kapitel sind „Überblickkapitel“, wenn man so will. „Meridiana – Ein geographischer Überblick“, „Der Regenwald – Die grüne Hölle“ und „Die Geschichte des Südens“ sind recht selbsterklärend und führen den Leser in die Region ein. Das gelingt gut und die Mischung aus Fakten und Anekdoten hat mir gefallen; Regelmechanismen sind auch da und soweit besehen gut.

Danach widmet das Buch sich in zwei großen Abschnitten der schwarzen Perle des Südens, Al‘Anfa. Grob 45 Seiten werden auf die Stadtbeschreibung verwandt, die sich erfreulich von denen alter Boxen unterscheidet. Zwar gibt es in oben genannter Lasche noch immer einen Stadtplan mit Koordinaten und das Kapitel ist bisweilen recht detailverliebt, doch fand ich den Maßstab hier alles in allem angemessen. Man bekommt eben nicht nur „Look“, sondern auch „Feeling“ der Metropole geboten. Sehr löblich.
Es bleibt dann auch städtisch und das Bucb fährt mit einer Beschreibung von Brabak, dem Káhet Ni Kemi, Ghurenia, Charypso, H‘Rabaal, Mirham, Chorhop, Mengbilla, Port Corrad, Sylla und Hot-Alem weiter. Hier wird weit weniger mit Details um sich geworfen und Port Corrad etwa wird gerade mal eine Seite zugedacht, aber auch das ist soweit gut gelöst. Die Beschreibungen erinnern an jene, die man schon in der „Geographia“ gefunden hat und sind, obschon manchmal kurz, sicherlich informativ. Etwas mehr Plot-Orientiertheit hätte ich mir bisweilen gewünscht, aber nun gut.

Nach einer eine Seite umfassenden Beschreibung weiterer Siedlungen im Regenwald geht es weiter zu den Inseln des Südens. Kaucatan, die Kolonialmächte in der Charyptik, die Pirateninseln Altoum, Souram und Nikkali, die Gewürzinseln Token, Sokkina und Iltoken, die Moskitoinseln Javalasi, Aeltikan und Mikkan, die Zimtinseln, das Bilku- sowie das Ter-Rijßen-Archipel, die äußeren Perleninseln, der Boronsgrund, die südliche Charyptik und abschließend das Südmeer werden beschrieben.
Die Charyptik schreit natürlich geradezu nach Piratenabenteuern und auch hier ist das Buch nicht scheu und bietet sogar allerlei ganz feine Tipps, wie man in der Region als Freibeuter oder Potentat sein Glück versuchen kann. Hat mir gefallen, ist spielorientiert und macht einfach Lust auf‘s Thema.

Den letzten großen, beschreibenden Block nehmen dann die Waldmenschen und Utulus ein, denen man ebenfalls 30 Seiten zugedacht hat. Es gibt Anmerkungen zur mohischen Sprache, es gibt viel zu den Stämmen und ihrer Kultur, schlicht viel zur Weltsicht. Der Abschnitt hat mir ebenfalls gut gefallen und profitiert genauso von der Tiefe des aventurischen Hintergrundes, wie er sie auch illustriert.
Südaventurische Achaz dagegen werden auf knapp mehr als einer Seite abgehandelt, kommen damit aber noch besser weg als Ziliten, Marus, Krakonier, Regengrolme, Risso, Schwarzoger und Riesenaffen, die sich eine Seite teilen müssen. Die Echsenmenschen wurde insgesamt auf einen späteren Regionalband umverlegt und die anderen sind keine spielbaren Völker, weshalb das entschuldbar ist; ein, zwei Seiten mehr hätten hier aber sicherlich auch nicht geschadet.

Ganz kurz werden die Anmerkungen zu Helden aus dem Süden gehalten. Die spielen sich vor allem auf einer Regelebene ab und bestehen vor allem aus Professionsvarianten. Als wenn DSA nicht genug davon hätte. Ich meine, ich bin da ja tolerant, aber wenn ich sehe, dass der gute, alte Tagelöhner hier noch mal Untervarianten wie Lastenträger oder Palmenschneider (!!) bekommt, hört der Spaß langsam auf.
Hätte ich wahrlich nicht gebraucht – wären etwa genau die zusätzlichen Seiten gewesen, um mehr über die anderen Rassen in der Region zu schreiben.

Es folgen Persönlichkeiten der Region, wie man das schon kennt. Positiv ist, dass hier auf Werte verzichtet wurde. So muss man weder Angst haben, das die Spieler gucken, ob sie Amir Honak töten oder Hamarro, den ’sanften‘ Piraten, absetzen könnten.
Bei anderen ist es schade – wenn die Achaz-Gladiatorin, genannt „die Todesechse“, schon als mögliche Opposition beschrieben wird, hätten ihr Werte sicherlich nicht geschadet. Diese Verwendungszwecke sind an sich aber eine feine Sache und bieten einem als SL die Möglichkeit, sich schnell eine Idee zu verschaffen, welcher NSC wofür vermutlich gut geeignet ist.

Damit ist das Buch fast am Ende angelangt, doch zuvor folgen noch die Mysteria et Arcana. Das sind, wie schon aus der „Geographia“ bekannt, Plotaufhänger für das Spiel in der Region. Die sind allesamt gut dazu geeinget, ein Abenteuer aufzuziehen, und wem daran gelegen ist, mit dem Metaplot nicht ins Gehege zu kommen, für den sind einige mit einem Sternchen markiert worden.
Das signalisiert, dass die Redaktion damit nichts Eigenes mehr machen wird. Dieses System wurde hier und da dafür kritisiert, den Spielleiter massiv einzuschränken – ich widerspreche dem gerne. Die Mysteria et Arcana sind vollständig aufgeführt und können von jedem SL in jeder Weise verwendet werden, wie er will. Er braucht dazu auch keine besondere Erlaubnis; ein fehlendes Sternchen ist vielmehr nur eine Warnung, dass er sich so eventuell den Zugang zu kommenden Produkten verbauen könnte.
Finde ich gut, ist praxisnah und bei einem lebendigen System wie DSA sinnvoll.

Es folgt eine Literaturliste, die sehr gut zusammengestellt und sehr umfassend ist, leider aber stets ohne Beschreibung. Aber wenn eine Buchliste von Tacitus über Joseph Conrad und Arthur Conan Doyle bis hin zu Robert Louis Stevenson und Karl May geht, dann verdient das Pluspunkte. Kurze Texte zu den Einträgen wären dennoch gut gewesen.
Die Musikliste ist dagegen sehr praktisch und eine Liste mit passenden DSA-Produkten ist auch enthalten, so dass man hier zufrieden gestellt werden dürfte.
Dann der exzellente Index, den ich schon erwähnte, und noch zwei Karten – eine mit den Siedlungsgebieten der Waldmenschen und eine mit den Inseln südlich der regulären Aventurienkarte – und fertig ist der Regionalband Nummero Uno.

Mir hat „In den Dschungeln Meridianas“ ziemlich gut gefallen. Es ist ungeheuer vollständig, gut geschrieben und weitestgehend sogar sehr lesenswert präsentiert. Man kann in diesem Buch durchaus schmökern, was mit den Heften der alten Box schon eher fraglich war.
Das Buch hat aber auch seine Macken. Es schafft es optisch nicht über den Durchschnitt, es verfällt manchmal eben doch noch dem alten DSA-Listen-Charakter und was an Regeln drin ist, hätte auch draußen bleiben könnnen. Dass das Buch dennoch „noch sehr gut“ und nicht „voll gut“ ist, liegt daran, dass es effektiv trotz allem die Referenz für Aventuriens Süden ist. Wer in der Region spielt, wird dieses Buch, selbst mit den Mängeln, niemals wieder missen wollen.


Name: In den Dschungeln Meridianas
Verlag: FanPro
Sprache: Deutsch
Autoren: Stefan Küppers et al.
Empf. VK.: 25 Euro
Seiten: 208{jcomments on}