Meisterschirm des schwarzen Auges (4.1)

„Mit diesem Schirm haben Sie als Meister all jene Informationen schnell im Blick, die Sie für einen flüssigen Spielablauf benötigen: Die wichtigsten Proben und Modifikatoren zu Kampf, Zauberei und Götterwirken und noch mehr versammelt auf vier stabilen Seiten.“
vom Backcover von Meisterschirm des schwarzen Auges (4.1)

Ah, Spielleiterschirme, mein Steckenpferd. Man kann so viel über diese kleinen Wunderwerke aus Pappe schreiben, über Nutzen, Design, Stabilität und Größe. Und in den letzten Jahren bin ich dahingehend durchaus verwöhnt worden. Warhammer hat zwei grandiose Schirme gesehen (den von Hogshead zur ersten und den zweiten von Black Industries zur 2nd Ed.) und eigentlich alles, was White Wolf in den letzten Jahren für die WoD und Exalted gebracht haben, war phantastisch verarbeitet. Dennoch, das muss man eindeutig sagen, schießt der neue DSA-Schirm den Vogel ab.

Er ist, wie auch etwa die Schirme von White Wolf, aus dem selben, massiven Material verarbeitet, aus dem auch die Umschläge der zugehörigen Hardcover gefertigt sind. Allerdings ist das eine Pappe, die bei DSA schon eher Granitplatten gleicht und somit ist der neue, aventurische Schirm ein Monstrum, wie es mir noch nicht untergekommen ist. Die Küchenwaage veranschlagt 677 Gramm für dieses Biest, das, im zugeklappten zustand, rund anderthalb Zentimeter breit ist. Der Schirm steht wie ein Fels in der Brandung und trotzt tapfer allem, was eine durchschnittliche Rollenspielrunde ihm nur entgegen werfen könnte. Durch vier dieser wuchtigen Panels, ein Novum für sich, soweit DSA betroffen ist, ist er von wirklich ansprechender Größe und bietet auch komplett aufgeschlagenen Büchern ausreichen Platz. Der Mittelsteg zwischen den Panelen 2 und 3 ist etwas verbreitert, so dass er sich nicht nur trotz seiner Größe schön zusammenfalten lässt, sondern auf diesem Wege sogar eine Art Buchrücken demonstriert. Es wird wohl einen zweiten Blick ins Regal brauchen, um festzustellen, dass diese schwarze Granitfläche nicht um ein Buch, sondern um einen Schirm gelegt wurde.

Auf der den Spielern zugewandten Außenseite sind vier recht ansprechende Motive angebracht, die verschiedene Illustrationen zu den verschiedenen, spielbaren Rassen zeigen. Teils die farbigen Bilder aus dem Basisbuch, teils die bekannten Strichzeichnungen aus den anderen Werken, aber alles sehr ansprechend. Zwar erreicht auch dieser Schirm für mich nicht den ästhetischen Wert des alten DSA3-Schirms mit seiner wunderschönen Collage aus ungezählten Covern Ugurcan Yüces, schlägt aber das Äußere seines Vorgängers zumindest. Und die Verarbeitung ist, auch was den Druck betrifft, über jedweden Zweifel erhaben.
Die Innenseiten des Schirms sind schwarzweiß gehalten und bieten, das verwundert nicht, zahlreiche Tabellen. Die linke Panele ist dabei der Zauberei gewidmet und bietet die Modifikationen der Zauberprobe, Regeneration von Astralenergie, Spontane Modifikationen sowie beispielhafte Magieresistenzen von Tieren, magischen Wesen und kulturschaffenden Zweibeinern. Das ist ein guter Schnitt und dürfte in den meisten Situationen die üblichen Fragen gut abhandeln.

Die zweite Panele von links befasst sich mit zwei Themenbereichen – Wundern und Talenten. Zu ersteren gibt es die Infos zu Mirakel- und Liturgieproben und die Regeneration von Karmaenergie, zu letzteren halt eine komplette Spalte namens „Talentproben“. Ist okay, denke ich. Die Talentprobenübersicht ist nett, zu den Karmainformationen kann ich mangels großer Erfahrung mit Götterdienern als Spielercharaktere nur bedingt was sagen. Das, was wirklich schön gewesen wäre, hat sich vermutlich durch seinen Umfang disqualifiziert (Ableiten von Talenten); warum das allerdings auch nicht in dem beigefügten Tabellenheft zu finden ist, auf das ich noch komme, ist mir allerdings schleierhaft.

Die letzten beiden Flächen werden komplett vom Kampf vereinnahmt. Glückliche Schläge und Patzer, Bruchfaktor, Lebensenergie, Ausdauer und Wunden, Fernkampfmodifikatoren, Treffertabelle für Reiterangriffe, Distanzklassen und die Expertenregeln für das Trefferzonensystem. Hier punktet der Schirm noch mal bei den ohnehin komplexen Regeln dadurch, das auch die jeweilige Seitenangabe zu „Wege des Schwerts“ mitgeliefert wird. Wiederum etwas obskur erscheint mir, dass dies bezüglich „Wege der Zauberei“ und „...der Götter“ nicht gemacht wurde. Naja.

Ebenfalls beigefügt ist, in guter alter Tradition, das Heft „Ergänzende Tabellen“. Das gab es schon bei den Schirmen zu DSA3 und DSA4 – dieser hier bezieht sich ja auf DSA4.1 – und eigentlich ist auch vieles beim alten geblieben. Es gibt (leider!) wieder keinen Einband, was gerade bei einem solchen „Wirf es in den Rucksack bevor du losgehst“-Buch recht fatal sein dürfte auf lange Sicht. Zwar ist die Verarbeitung besser geworden – sehr guter Druck, hochglänzendes, feines Papier – aber unterm Strich ist und bleibt es eine Sammlung von 48 schwarzweißen, gehefteten Seiten. Das sind übrigens 20 Seiten mehr als damals beim Schirm der dritten Edition.

Nun denn, alle Tabellen hier aufzulisten wäre Mord, darum nur den Obergebieten folgend: Es gibt einige Seiten zur Magie, die neben der Reproduktion aller Infos, die schon auf dem Schirm stehen, vor allem zwei sehr schöne Übersichten über die Zauber des Spiels bietet – ein Mal tabellarisch, ein Mal nach Merkmalen. Dann gibt es noch Analyse, Beschwörung und eine eher nutzlose, weil viel zu kurze Abteilung zum Thema Dämonen.
Nach rund einer Seite zum Thema Mirakel (exakt, was der Schirm schon bot) folgen dann einige Seiten zum Kampf. Da ist vor allem die Übersicht über aventurische Waffen und Rüstungen sehr schön. Vollkommen unverständlich ist mir hingegen, das eine Übersicht die Kampfmanöver des Spiels vollständig fehl. Weder dieser „Kaufbaum“, den S&H damals hatte, noch eine tabellarische Kurzübersicht oder irgendetwas in diese Richtung. Manöver werden nicht mal beim Namen genannt.
Eine riesige Waren- und Einkaufsliste ist wie immer dabei und auch wie immer extrem nützlich; gefällt mir sehr gut. Ebenso ist der Abschnitt zur Zeitrechnung nett und sicherlich immer mal wieder nützlich.
Der Reisebereich hat wie immer alles von Kälte- und Hitzeschaden bis hin zu Reisedauern und -routen, was mir gefallen hat. Vor allem die „Wie weit ist es von Stadt A nach Stadt B“-Tabelle ist schön und wird sicherlich immer mal wieder auf dem Tisch landen.
Es gibt dann noch eine umfassendere Übersicht über aventurische Krankheiten, korrekte Anreden und Titel, militärische Einheiten sowie eine sehr schöne Übersicht über die wichtigsten Städte Aventuriens, auch wenn ich bei der letztgenannten Eintrag nicht wirklich sicher bin, ob man den Platz nicht anderweitig hätte nutzen können.

Wie ich schon an verschiedenen Punkten andeutete, mir fehlt einiges in diesem Tabellenheft. Die Talentableitungen wären so eine Sache gewesen, die man am Spieltisch immer wieder braucht und die in dem Buch einfach durch Abwesenheit glänzt, ebenfalls halt die schon zuvor genannten Kampfmanöver. Ebenfalls sträflich vermisst habe ich allerdings die Steigerungskostentabelle. Anstatt aventurische Städte zu beschreiben oder, was ich noch unnötiger finde, die Inhalte des Schirms zu reproduzieren, wäre der Platz definitiv nutzbringender einzusetzen gewesen.
Somit hinterlässt das Heft leider einen spürbar schaleren Geschmack als der Schirm selbst und zieht die Gesamtwertung etwas herunter.

Fassen wir zusammen: Der Schirm ist phantastisch, dürfte meine neue Messlatte für einen perfekten Schirm darstellen. Sieht angenehm aus, ist von den Tabellen her nützlich und vor allem so stabil, das man damit vermutlich auch einen Ignisphaero abwehren könnte. Das Heft ist dagegen leider recht instabil. Klammerheftung ist ja immer so eine Sache, insbesondere wenn kein Einband vorhanden ist. Das wiegt ebenso schwer bei einem solchen Nutzgegenstsand wie die Defizite in der Tabellenauswahl, die zumindest im Bezug auf die Kampfmanöver und die Steigerungskostentabelle in meinen Augen auch keine Kavaliersdelikte mehr sind.
Eher unschön auch, dass die Entfernungstabelle, schön wie sie an sich ist, zwei Fehler übernommen hat, die seit „Die Welt des schwarzen Auges“ schon ihre Runden drehen, also seit immerhin zehn (!) Jahren. Gleichermaßen ist es zumindest strittig, dass die Stadtbeschreibungen noch immer auf dem Stand der Geographica sind; ein Wanderer, der mit dieser Reisebeschreibung zu Besuch in Wehrheim ist, wird sich vermutlich doch eher wundern...

Verbleibt der Preis: 18 Euro. Das ist echt eine Menge Eigengewicht. Klar, schon der DSA3-Schirm war mit 29,80 Mark nicht gerade billig und im direkten Vergleich kriegt man für die gut drei Euro Differenz eindeutig wesentlich mehr geboten, alleine schon, was die Produktionsqualität betrifft. Aber perfekt ist das Paket halt doch nicht und klein ist der Preis unterm Strich auch nicht.
Insofern ist eine „sehr gute“ Endnote hier trotz allem nicht mehr drin.


Name: Die Herren von Chorhop
Verlag: Ulisses Spiele
Sprache: Deutsch
Autoren: ---
Empf. VK.: 18 Euro
Seiten: 4 Panels, 48 Seiten{jcomments on}