Im Schatten Simyalas (eBooks)
Im Herz des Mittelreiches liegt der düstere und sagenumwobene Reichsforst, der Rest des einst kontinentumspannenden Aldes, der den Elfen der Vorzeit Schutz und Heimat war. Und inmitten dieses Urwalds liegen die Ruinen Simyalas, einer der mythischen Städte der Hochelfen.vom Backcover von Namenlose Dämmerung
Zahlreiche DSA-Kampagnen haben seither das Angesicht der Spielwelt wie auch den Ruf des Systems an sich mitgeprägt. Während das Khom-Epos „Der Löwe und der Rabe“ von Hadmar von Wieser heute vergessen scheint, dürfte „Das Jahr des Greifen“ von Bernhard Hennen auch anno 2006 noch vielen Spielern in wohliger Erinnerung geblieben sein.
Die Borbarad-Kampagne ist dann sicherlich der Inbegriff einer Legende in der DSA-Spielerschaft, wenn die Berühmtheit der Kampagne vielleicht auch gerade damit zusammenhängt, dass sie genau in die Zeit des Todes von Ulrich Kiesow und des Wechsels von Schmidt Spiele zu FanPro gefallen ist. In jüngerer Zeit ist dann da das „Jahr des Feuers“, das von einen frenetisch als das größte Fantasy-Event aller Zeiten gefeiert wird, anderen dagegen allenfalls als schreckliche Ansammlung gerailroadeter Szenen bekannt ist. Man verzeihe dem Rezensenten hier einen tieferen Einblick, da diese Abenteuer gerade in unserer Runde gespielt werden. Ebenfalls ganz frisch sind die „Königsmacher“, deren zweiter Band zu dem Zeitpunkt, an dem ich das hier schreibe, noch gar nicht erschienen sind.
Eine weitere Kampagne allerdings findet nur selten, und wenn, dann nur beiläufig Erwähnung: „Im Schatten Simyalas“. Vielleicht wurden die Bände mit den Nummern 98, 107 und 108 einfach zu sehr vom der 100er-Ausgabe „Reise zum Horizont“ überschattet. Vielleicht waren die Geschicke einfach nicht weltumspannend oder -umwälzend genug. Vielleicht waren die beiden späteren Bände auch einfach zu schnell out of print, um richtig Verbreitung zu erlangen. Ich weiß es nicht.
Doch jetzt, wo dank Fantasy-Download.de jeder in der Lage ist, die drei Abenteuer mit insgesamt knapp über 200 Seiten als eBook zu kaufen, wollen wir hier doch die Gunst der Stunde einmal nutzen und tauchen ein in diese vergriffene Kampagne...
Verfasst wurde der erste Band, „Namenlose Dämmerung“, von Thomas Finn, der neben modernen DSA-Klassikern wie „Über den Greifenpass“ und guten Cthulhu-Abenteuern wohl auch als Schriftsteller mittlerweile durchaus namhaft geworden ist. Der zweite Band, „Stein der Mada“, wurde dann von Lena Falkenhagen geschrieben, die auch am besagten „Jahr des Feuers“ einen großen Anteil hatte und sicherlich zu den bedeutsamsten Personen der Redaktion zählt. „Der Basiliskenkönig“ wurde letztlich dann von beiden zusammen zu einem großen Finale gebracht.
Ursprünglich sind die Bände in der bekannten FanPro-Form der damaligen Zeit erschienen, also Softcover mit Granit-Design-Rand und schönen, damals noch eigens gefertigten, vollfarbigen Covern. Das Artwork im Inneren stammt fast ausnahmslos von Caryad, einzig an „Stein der Mada“ hat Frank Freund teilweise noch mitgezeichnet. Das Innere der Bücher wurde bei den eBooks dabei 1:1 aus den alten Druckauflagen übernommen, was dazu führt, dass man sich in den PDF-Dateien direkt heimelig fühlt. Die Cover dagegen sucht man in den eBooks vergebens, was schon ein ziemlicher Dämpfer ist. Die Bilder von Tom Thiel (Band 1 und 2) und Lucio Parrilo (Band 3) waren sehr schön und ich hätte mich gefreut, wenn diese Teil des mit zehn Euro doch ziemlich gesalzenen eBook-Preises gewesen wären. Aber nun gut.
Zuletzt ist es bei den digitalen Neuauflagen wohl auch angebracht, zumindest einmal zu fragem, warum hier keine Regelanpassung vorgenommen wurde. Wären es Klassiker von Kaliber eines „Das Grabmal von Brig-Lo“ könnte ich das verstehen, aber die drei „Im Schatten Simyalas“-Abenteuer sind ja so veraltet auch nicht und es wäre sicherlich nicht schlecht gewesen, hier eine Anpassung zu erleben. Vermutlich fehlten einfach die Arbeitskräfte und bei FanPro hatte man auch „Wichtigeres“ zu tun, schade ist es trotzdem. Hier hätte man den eBooks definitiv einen weiteren Anreiz verpassen können, der den Preis eher gerechtfertigt hätte. Schade.
Aber kommen wir endlich zum eigentlichen Thema: dem Inhalt. Der erste Teil der Kampagne ist ein recht schönes, wenngleich auch geradliniges Abenteuer. Es wirft die Charaktere mit einem Traviawunder mitten in den Plot wift. Sie lernen so Traviane von Falkenwind kennen, die sie sogleich anwirbt, auf den jungen Erben des Barons Greifbert von Falkenwind, ihrem Bruder, zu achten. Das ist auch notwendig, denn niemand Geringeres als Diener des Namenlosen haben es auf den Jungen abgesehen. Bei einer gemeinsamen Jagd eskaliert dieser Part des Abenteuers, öffnet aber auch sogleich das Ganze zu einem viel größeren Gesamtbild. Denn auch eine Fee ist in argen nöten und den Rest von „Namenlose Dämmerung“ folgen die Spieler diesen beiden, finsteren Machenschaften, die doch alle auf ein gemeinsames Dunkel abzielen.
„Namenlose Dämmerung“ ist dabei sehr geradlinig ausgefallen. Nicht zu geradlinig, die Helden haben schon noch Einfluss auf das, was passiert, aber bisweilen ist es doch sehr lenkend. Es liegt sicherlich an der jeweiligen Gruppe, ob sie den „Und jetzt geht und tut was ich sage“-Tonfall einiger sehr machtvoller Wesen im Abenteuer so einfach schlucken, aber von Interaktions- und Überlandsequenzen über spannende Kämpfe und einen kleinen Dungeon am Ende kriegen sie dafür auch viel geboten.
„Stein der Mada“ wirkte beim Lesen da flexibler auf mich. Im ersten Teil forschen die Charaktere hier erst einmal einem erlangten Artefakt nach, was sie letztlich als machtvoller Madamant entpuppt. Mit einem anderen Artefakt und mystischer Hilfe müssen sie diesen aktivieren, obschon diverse Interessengruppen das verhindern wollen, um dann damit in die Salamandersteine aufzubrechen. Denn mittlerweile sind die Spieler auf der Fährte der verlorenen Elfenstadt Simyala und nur Madaya, diese Lichtelfe in den Salamandersteinen, ist in der Lage, ihnen den Weg dorthin zu weisen.
Gerade der erste Teil, wo ganz unterschiedliche Interessengruppen an den Madamant wollen, kann sehr schön gespielt und individuell angepasst aufgezogen werden. Dass zudem als Schurke niemand Geringeres als die Elfe Pardona und das DSA-Relikt Beorn der Blender fungieren, dürfte zumindest für langjährige Fans des Spiels ebenfalls ein Pluspunkt sein. Etwas unentschlossen bin ich hier bei dem Finale. Es geht in die Salamandersteine, eine sehr traumreiche Region. Dort treffen die Charaktere auf Spiegelbilder ihrer selbst, die versuchen, sie mit ihren eigenen Schwächen zu verlocken. Eine schöne Idee und sicherlich mit Potential für spannende Szenen, aber vielleicht gerade im Hinblick auf die vielschichtigen DSA4-Charaktere, aber auch damals schon problematisch. Das Abenteuer gibt, naturgemäß, nur einen beschränkten Fundus an Ratschlägen, wie man das umsetzen könnte. Zwar hat die Autorin sich durchaus mit dem Problem beschäftigt, dass sie ja nicht weiß, mit was für Charakteren der Spielleiter es hier bisweilen zu tun haben könnte, aber das kann hier ganz knifflig werden. Anstelle einiger beispielhafter catch phrases à la „Gib zu, das wollten wir beide schon lange tun!“ hätte ich es mir hier eher gewünscht, für jede schlechte Eigenschaft eine Beispielszene zu bekommen. Naja, man kann wohl nicht alles haben.
Den Abschluss bildet „Der Basiliskenkönig“, und ja, ich finde man merkt, dass hier die beiden unterschiedlichen Autorenstile – der geradlinige Finn und die variantenverliebte Falkenhagen – aufeinander getroffen sind. Zunächst einmal klappt auch das dritte Abenteuer noch mal einige DSA-Personalia aus, vor allem den Roten Pfeil. Es sei mir an dieser Stelle noch gegönnt, kurz zu erwähnen, dass es mich sehr freut, dass es den Autoren damit gelungen ist, zumindest Ta‘înobhal Totenamsel von der Irrfahrt zurückzuholen, auf die Hadmar von Wieser ihn und diverse andere DSA-VIPs in seinem Roman „Erde und Eis“ geschickt hat, von der sie aber nie wiederkehrten, weil der Autor keine Lust verspürte, die Romanreihe zu vollenden. Erfreulich. Zurück zum Abenteuer. Es werden nun also Fäden aus „In den Fängen des Dämons“, „Krieg der Magier“, der „Phileasson“-Saga, „Schatten über Travias Haus“, „Brogars Blut“, besagten Hadmar-Romanen und den Roman „Das Greifenopfer“ von Thomas Finn aufgegriffen und verflochten, um dem Finale der Kampagne auch gleich einen Hauch von Epos zu geben. Mit Recht, denn wenn auch in Aventurien nie jemand viel von dieser Queste hören kann, so können die Charaktere hier doch einmal mehr die Welt retten.
Das Abenteuer selbst ist dabei in einem Maße „speziell DSA“, wie ich es lange nicht mehr erlebt habe. Simyala, wo die Charaktere letztlich hingelangen werden, strahlt extrem den aventurien-typischen Charme der Elfen aus, der doch etwas ganz eigenes ist. Dass die Elfen dort, aus Gründen, die den Rahmen dieser Rezi sprengen würden, sich dort in Katzen verwandelt haben, gibt dem Finale etwas sehr Märchen- und zugleich Symbolhaftes, denn so wird die Konfrontation mit den Ratten, die Kraft des Namenlosen die Stadt verheerten, direkt sehr schön inszeniert.
„Der Basiliskenkönig“ ist ein schönes Abenteuer mit teils geradezu wundervollen Szenen, aber leider habe ich auch hier meine Probleme mit dem Finale. Da wird mir eindeutig zu viel Wert darauf gelegt, Beorn dem Blender einen dramatischen Abschluss zu bieten, was leider etwas auf Kosten der Spieldramaturgie geht.
Insbesondere gibt es da eine Stelle, mitten im Finalen Kampf, an der Spielleiter angehalten wird, das Spiel dort kurz zu unterbrechen und jedem Charakter noch eine maßgeschneiderte Vision mitzugeben. Kaum etwas ist im Rollenspiel so schwer in character zu halten wie die traditionell würfellastigen Kämpfe, wenige Dinge sind bei DSA so schwer dynamisch zu halten wie eben diese (gerade noch unter DSA3) – und jetzt soll man da mitten im Finale noch eine Kunstpause einlegen?
Ich weiß nicht, ich glaube, meine Spieler würden mir was anderes erzählen...
Insgesamt ist „Im Schatten Simyalas“ in meinen Augen dennoch eine der großartigsten Kampagnen, die DSA-Charaktere je erleben durften. Warum? Sie ist erzaventurisch und mit den NSC-VIPs verwoben, ohne dass das an zu vielen Stellen zu dominant wird. Wenn etwas Ta‘înobhal Totenamsel auftritt, dann macht der das nicht alleine darum, um im Abenteuer gewesen zu sein, sondern um tatsächlich die Handlung zu bereichern.
Löblich ist auch, dass die Spieler eigentlich konstant etwas zu tun haben und gerade etwas in dem Rechercheabschnitt in Punin am Anfang von „Stein der Mada“ sogar volle Freiheit genießen. Ich bin froh, zumindest Teile von den „Sieben Gezeichneten“ gespielt zu haben, docu „Das Jahr des Greifen“ ist eine Rollenspielerfahrung gewesen, von der ich noch heute zehre. Ich behaupte, „Simyala“ kann ebenfalls einen derartigen Stellenwert einnehmen, denn wichtig ist mir vor allem, dass hier die Charaktere die Helden sind. Es gibt keine NSCs, die unerreichbar über ihnen stehen, es gibt keinen großen Gesamtzusammenhang, den man ihnen nicht mitteilt. In „Im Schatten Simyalas“ können sie Großes leisten, sie ganz alleine sind der Mittelpunkt der Handlung. Traumhaft.
Doch selbst rund um den Spiegelschild Simyalas gibt es Schatten. Eher kurios ist es noch, dass einerseits richtig gute DSA-Tipps für Neuling-Spielleiter enthalten sind (etwa die Textbox zum Leiten von Stadtabenteuern in „Stein der Mada“ – sehr gut!), andererseits der Anspruch an den Spielleiter (etwa wegen der Personalisierung oder dem dramaturgisch schwierig inszenierten Finale) recht hoch ist. Etwas schizophren, aber nicht wirklich schlecht.
Nein, ein Großteil der echten Kritik geht wirklich an Fantasy-Download.de – die eBooks sind, gemessen am Inhalt, schon arg teuer. Die Softcover kosteten zusammen rund 39 Euro – jetzt bezahlt man dagegen 30 Euro, hat allerdings Abenteuer für eine mittlerweile veraltete Regeledition, ohne Cover und muss, wenn kein Laptop vorhanden, auch noch für die Sitzung Ausdrucke der Passagen anfertigen.
Da die Kampagne gnadenlos ausverkauft ist und sich daher, für mein Verständnis, auch bereits amortisiert haben sollte, weiterhin die PDF-Dateien nach eigenen Angaben direkt aus den Satzdateien exportiert wurden und keine Folgekosten entstehen, wäre da ein gewisser Rabatt durchaus angemessen gewesen.
Zumal, auch mal so kurz ausgerechnet, das neue DSA4.1-„Basisregelwerk“ ist im Hardcover erschienen und bietet 288 vollfarbige Seiten plus weitere Boni in einer Lasche am Ende des Buches – und das Buch kostet auch exakt 30 Euro.
Aber nun gut, gibt keinen Rabatt, weshalb nur noch einmal kurz darauf verwiesen sein soll, dass „Namenlose Dämmerung“ bisweilen sehr geradlinig ist und sowohl „Stein der Mada“ als auch „Der Basiliskenkönig“ zwar potentiell schöne, aber auch schwer zu inszenierende Finale aufweisen. Wer damit leben kann und bereit ist, 30 Euro für Bits und Bytes auszugeben, der sollte bei „Im Schatten Simyalas“ ungebremst zugreifen.
Es ist einfach schön, die Welt auch einmal retten zu können, ohne gleich gigantische Feldschlachten austragen zu müssen.
Name: Im Schatten Simyalas (drei Bände/eBooks)
Verlag: FanPro
Sprache: Deutsch
Autoren: Thomas Finn und Lena Falkenhagen, mit Beiträgen von Anton Weste und Hadmar von Wieser
Empf. VK.: 3x10 Euro
Seiten: 60, 72 und 80{jcomments on}