Unersättliche, Der

Er beschwor den Nachtdämon. Er braubte Tempel und Ahnengräber. Er plünderte Drachenhorte und Zwergenschätze. Er wiegelte Wanderarbeiter auf, um eigene Schurkereien zu verbergen. Er überfiel die alanfanische Seidenkarawane. Er unterwarf die Amazonen und zwang sie zu Brandschatzung und Plünderung. Er raubte die Kunder eines horasischen Künstendorfs und machte sie zu willenlosen Dienern. [...] Er hortet alle Schätze, doch er hat nie genug. Er ist der Unersättliche
vom Backcover von Der Unersättliche

Bevor wir zum Inhalt des vorliegenden Bandes kommen, kurz ein paar „geschäftliche“ Worte vorweg. Denn vor den Kauf hat die Marktwirtschaft ja bekanntermaßen das Geld gesetzt. DSA-Bücher erscheinen recht zahlreich im Hardcover. Grundregelwerke, das ist klar.
Regionalbände, das ist auch nachvollziehbar. Warum aber auch die dickeren Abenteuerbände immer zwischen die dicken Pappdeckel geklemmt wurden, das wurde bereits mehr als ein Mal diskutiert. Aber irgendwie war das immer okay, denn der Preis der Bücher blieb fair.

Zwar gab es irgendwann einen Sprung von 15 Euro pro Buch auf 18 Euro, aber selbst das war noch okay.
„Der Unersättliche“ aber setzt dahingehend eine etwas eigentümliche Marke, die ich im Grunde durch einen einfachen Vergleich umreißen möchte. Zuletzt für DSA rezensiert habe ich „Hinter dem Thron“, auch ein Abenteuerband. Der hat 108 Seiten und kostet 18 Euro.
Jetzt haben wir hier „Der Unersättliche“. Auch 18 Euro, aber nur 80 Seiten Inhalt!
Ich meine, klar, es ist ein wichtiges Abenteuer, bedeutsamer Teil der Metaplot-Entwicklung, hat mit Chris Gosse einen Autor direkt aus dem heiligen inneren Kreis der Redaktion und so fort. Aber Leute? Wenn ein Buch 28 Seiten weniger als das vorige hat, was in diesem Falle einen Seitenrückgang von fast einem Viertel (!) ausmacht, dann sollte sich das gefälligst auch im Preis niederschlagen. Zumindest die alten 15 Euro hätten da doch drin sein müssen.
Wir halten also fest: Der Preis ist dreist. Aber schauen wir uns nun den Rest doch mal genauer an...

Das Buch hat ein eigenes Cover spendiert bekommen und sieht ziemlich toll aus. Die Darstellung Xeraans in seiner Schatzkammer stammt von Slawomir Maniak und ist handwerklich, farblich und vom Motiv her einfach stark. Ich gebe offen zu, ausnahmsweise war das sogar einer Kaufgründe für mich.
Das Innenlayout ist dagegen eine zweischneidige Sache. Man hat einige der Designvarianten aus dem neuen, vierfarbigen Basisregelwerk in das schwarzweiße Standardlayout übernommen. Vor allem die Trennlinien, Rahmen und Kästen sehen jetzt wesentlich fetziger aus als früher. Leider ist der Seitenrand noch immer der symbolbesetzte graue „Blotsch“ und keine illustrierte Leiste mit kleinem „Navigator“ wie beim Basisbuch, doch man kann ja auch nicht alles haben. Die Zeichnunge im Inneren sind dabei dann wohl Geschmackssache. Die wurden diesmal von Felix Mertikat gemacht, der sicherlich ein guter Zeichner ist. Aber auch wenn Caryad nunmal weg ist und wir hier mutmaßlich von einem klaren Fall von „get used to it“ ausgehen müssen, so finde ich viele Bilder in dem Buch einfach ... nun, unaventurisch. Das liegt weniger an den Motiven oder gar an faktischen Fehlern, sondern einfach am Stil. Irgendwie ist dieser moderne Zeichenstil für meinen Geschmack hier unpassend; aber das ist streng subjektiv gesprochen, objektiv könnte man sich wohl auf „ungewohnt“ einigen.

Nun aber endlich zum Inhalt. Chris Gosse hat ein Abenteuer geschrieben, dass den Spielern die vielleicht größte Freiheit zugesteht seit der Mini-Kampagne „Blutige See“, an die „Der Unsersättliche“ sogar noch lose anschließt.
Über einen Novizen und designierten Patriarchen der Peraine-Kirche gelangen die Charaktere an einen Orakelspruch, der sie wiederum auf ein bedeutsames und potentiell sehr nützliches Artefakt hinweist: der Krug der heiligen Lindegard. Die Sache hat aber einen Haken, liegt der Krug doch im Goldenen Haus zu Mendena, Xeraans Schatzkammer.
Die Spieler müssen also durch die Heptarchie nach Mendena reisen und auch dort endet ihre Queste nicht, sondern führt weiter gen Ilsur, auf das Xeraan gerade marschiert. Verkompliziert wird dies noch durch einen drohenden Einmarsch von Helme Haffax‘ Truppen, die südlich der Tobimora lagern und Chaos und Misstrauen in das Denken der Leute säen.
Am Ende steht dann wieder eine Konfrontation mit einem wirklich mächtigen NSC, wenn Xeraan auch streng genommen kein Heptarch mehr ist. Doch wird er, wenn sich denn alles so entwickelt, wie die Helden sich das wohl wünschen werden, vielleicht sogar durch ihre Klingen fallen. Fakt ist jedenfalls: Am Ende von „Der Unersättliche“ ist mit Xeraan, dem Buckligen, eine weitere klassische Gestalt Aventuriens ‚Geschichte‘.

Was das Abenteuer allerdings wirklich von anderen Bänden der Reihe abhebt, die ist gigantische Freiheit, die an fast jeder Stelle des Abenteuers vorherrscht. Als Beispiel diene gleich die erste Szene: Es gilt, die Charaktere auf die Seeadler von Beilunk und damit erst in das Abenteuer zu bekommen. Das Abenteuer bietet gleich zwei grundverschiedene Varianten an, dieses Ziel zu erreichen, die dann noch mal mit mehreren Dutzend Möglichkeiten der Anpassung auf insgesamt fünfeinhalb Seiten ausgeführt werden.
So verhält es sich an vielen Stellen mit dem Band und es liegt ganz in den Händen und dem Geschick der Spieler, wieviel Unheil sie beispielsweise später in Xeraanien anrichten. Das Abenteuer ist dabei frei, ohne beliebig zu werden. Es gibt schon einen festen Plot, es gibt auch feste Szenen inklusive der typischen Texte „zum Vorlesen oder Nacherzählen“, sicher. Aber dazwischen können die Spieler frei agieren, man kann sie als Spielleiter agieren lassen und steht dennoch nicht alleine da.
Die vorgegebeneren Szenen sind dabei durchaus auch schlüssig und gerade der wahrscheinlichste Tod Xeraans gefällt mir sehr gut, da er theatralisch ist und den Spielern die Möglichkeit gibt, sehr aktiv daran teilzuhaben.

Auf das eigentliche Abenteuer hin folgenden dann noch diverse Anhänge, die meisten mit direktem Bezug zum Abenteuer. Einen Sonderstatus nimmt aber „Anhang V: Schwarztobrien nach dem Fall Xeraans“ ein, der gewissermaßen ein Regionalupdate darstellt. Hier werden Transysilien, die Warunkei, das (neue) Fürstprotektorat Tobimora, die schwimmende Heptarchie Plagenbringer, Beilunk sowie das freue Ilsur und die Grafschaft Misamund im knappen Stile der Geographia beschrieben.
Alleine durch das Ausscheiden Galottas, Rhazzazors und jetzt Xeraans ergeben sich da so viele Veränderungen, dass die Übersicht nützlich ist. Allerdings, ganz klar, führt uns das abschließend noch einmal zur Preisdiskussion vom Anfang zurück.

Der eigentliche Fließtext beginnt, nach Schmutztitel, Inhaltsverzeichnis und derlei, auf Seite 5. Die Appendizes beginnen bereits auf S. 62 – demnach umfasst das eigentliche Abenteuer gerade mal 57 Seiten. Das ist doch eher kurz.
Der Anhang V ist dann zwar ultimativ sinnvoll, aber leider als Kaufgrund Fluch wie Segen. Denn wer nun auf dieses Update der Spielwelt aus ist, muss für 18 Euro ein Hardcover erwerben. Zwar war eine Kurzfassung der Seiten schon zuvor im Aventurischen Boten, aber der ist ja nun auch nicht umsonst und es war dort eben auch genau das: eine Kurzfassung.
80 Seiten wurde bei FanPro mal als Minimum für ein Hardcover angegeben und irgendwie werde ich das Gefühl einfach nicht los, dass man bei „Der Unersättliche“ auf Gedeih und Verderb hin versucht hat, diese 80 Seiten vollzumachen.
So etwas wie der Anhang V, sowas gehört in meinen Augen anno 2007 (oder eben Ende 2006, um beim Erscheinungsdatum des Buches zu bleiben) ins Internet. Kostenfrei.

Alles in allem kriegt der Band daher ein „noch gut“. Das Abenteuer selbst ist exzellent und gehört zum Besten, was ich langem für DSA gelesen habe. Aber die Sache mit dem Gegenwert, also die Kosten/Nutzen-Geschichte und vor allem die Sache mit dem Hardcover machen einem das Buch madiger, als es das verdient gehabt hätte.
Eigentlich noch immer auf Muss-Kauf, aber wohl nur einer für jene, die nicht jeden Euro zwei Mal umdrehen müssen...


Name: Der Unersättliche
Verlag: FanPro
Sprache: Deutsch
Autoren: Chris Gosse
Empf. VK.: 18 Euro
Seiten: 80{jcomments on}