Wege der Helden

Helden: Hauptdarsteller, Protagonisten, Charaktere für das phantastische Rollenspiel in Aventurien, Dreh- und Angelpunkt aller Abenteuer und Kampagnen.
vom Backcover von Wege der Helden

„Aber hallo!“
Das war so mein mehr oder weniger erster Gedanke, als „Wege der Helden“ (ab jetzt WdH) das erste Mal vor mir lag. Das wuchtige Buch ist der zweite Regelband der Edition 4.1 des DSA-Regelwerks und beginnt die erweiterten Regeln dessen zu umreißen, was durch das neue „Basisbuch“ ja so formschön und farbig vor grob einem Jahr auf dem Markt erschienen ist. Für jene, die das so noch nicht mitbekommen haben, noch mal ganz kurz: Während das „Basisbuch“ die alte „Basisbox“ ersetzt, ersetzen die „Wege der...“-Bände nun die drei alten Boxen „Schwerter und Helden“, „Zauberei und Hexenwerk“ und „Götter und Dämonen“.
Allerdings wird erstmals die inhaltliche Verteilung der Bände geändert und dem Umfang des gesamten Systems angepasst. „Wege der Helden“ liefert somit nun alle notwendigen Charaktererschaffungsregeln für Professionen aller Ausrichtungen. „Wege des Schwerts“ wird die profanen Regeln des Spiels liefern, „Wege der Zauberei“ und „... der Götter“ werden dagegen dann noch Magie- und Klerikalregeln aufbieten. Das „Basisbuch“ verbleibt dabei zwar als Einstiegsdroge, wird aber, anders als noch bei der glatten vierten Edition, nicht benötigt, wenn man die vier „Wege“-Bände besitzt.

So, WdH beinhaltet also alles, was man zur Charaktererschaffung braucht. Und wer DSA 4 kennt, der ahnt bereits: Das ist sehr viel. Das Buch bringt es auf 336 Seiten und ist damit der mit Abstand dickste Band, der in meinem langen DSA-Regal steht. Damit haben sich Ulisses gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit einen ordentlichen Brocken aufgeladen, doch an der Produktion des Buches gibt es kaum etwas zu bemängeln. Das Cover von Slawomir Maniak zeigt eine Heldengruppe in einem typischen, dunklen Gang eines „Tiefbauanalage“ und passt recht gut zum Titel, wenn es auch weder handwerklich als auch vom Motiv her zu meinen Favoriten zählt. Aber gemessen an dem Dutrait-Cover des Basisbuchs noch mal ein Quantensprung nach vorne. Die Seiten sind wieder schwarzweiß gehalten, haben aber die Randgestaltung des Basisbuchs beibehalten. Das sieht recht schön aus und macht deutlich mehr her als die normalen DSA-Layouts, auch wenn die (zahlreichen) Illustrationen ob der großen Textmenge recht klein sind. Weniger schön ist dabei der Druck, der ist zwar kräftig, aber auch sehr dunkel. Gerade bei dämmrigem Licht sind so etwa Tabellen, in denen jede zweite Zeile grau unterlegt ist, nicht mehr ganz so gut zu lesen.
Dafür hat man sich ein paar nette Gimmicks einfallen lassen, etwa eine zusätzliche, „weibliche“ Variante des Charakterbogens (mit anderer Trefferzonenillustration) und variierende Kästen rund um die Professionsbilder, abhängig von ihrer Untergattung.
Das Buch kommt als gewohnt schweres Hardcover daher, unverwüstlich wie die bisherigen DSA-Bände auch. Die Bindung macht auch bei den vielen Seiten keine Zicken, ein Lesebändchen versüßt einem dagegen die Lektüre noch etwas. Leider hat man darauf verzichtet, in einer Tasche am Ende den umfangreichen Charakterbogen noch mal einzulegen, so dass jene ohne Internet ihn sich aus dem Buch kopieren müssen, doch ich vermute mal Kostengründe dahinter. Ein großes Lob gebührt wie immer dem Index, der klein gedruckt und schier allumfassend geraten ist.

Ich verzichte dieses Mal darauf, die Kapitel des Buches alles einzeln zu beschreiben; das Buch enthält einfach von vorne bis hinten Generierungsoptionen. Die Rassen beginnen auf S. 24 und gehen dann bis S. 38 fort, werden danach von den Kulturen abgelöst. Auf S. 94 beginnen die Profssionen, die sich endlos weit bis S. 244 (!) erstrecken.
Der Rest des Buches beschreibt dann Vor- und Nachteile, fasst Sonderfertigkeiten zusammen und liefert diverse, praktische Anhänge.

Wer DSA4 schon kennt, der weiß auch, was er hier geboten bekommt. Zwar sind diverse Errata in den Band eingeflossen und einige Veränderungen gibt es auch (etwa bei den alggemeinen Sonderfertigkeiten), doch im Herzen ist DSA 4.1 tatsächlich mehr ein Update denn eine Neuerfindung. Was hier durchaus nicht als Kritik zu verstehen ist.
Die Sammlung der gesamten Generierung in einem Band ist dagegen sogar explizit zu loben. Sicher, DSA-Gegner finden in diesen über 300 Seiten reiner Charakterschaffung massig Fläche zum Angriff, doch sind sie vermutlich auch nicht die Zielgruppe. WdH ist die Erfüllung eines Wunschtraumes zahlreicher DSA-Spieler, die keine Lust mehr hatten, zwischen drei und neun Bücher zu jonglieren, um einen Charakter zu generieren.
Hier hat man nun endlich mal alles beisammen, was man braucht. Zwar werden einige Dinge im Detail erst in den nächsten Bänden umrissen – die Kampf-Sonderfertigkeiten etwa in „Wege des Schwerts“ – doch sind die Zusammenfassungen hier immer ausreichend, um mit dem Buch alleine arbeiten zu können.
Ich habe es selbst probiert und es stimmt einfach, mit dem dicken Buch ist es recht angenehm und bequem zu machen, sich einen Charakter aus dem Nichts zu erschaffen. Es ist immer noch komplex, aber wesentlich überschaubarer.

Dabei wurden die Regeln in vielen Detailfragen dennoch überarbeitet und viele Einträge unterscheiden sich in feinen Details etwas von den vorigen Versionen; dies sind die Berge von Errata der glatten vierten Edition, die Einzug gehalten haben.
Zahlreiche, teils auch augenzwinkernd geschriebene, Anmerkungen rund um das System herum helfen beim Verständnis lange Namenslisten sowie Tipps zum Erstellen eigener Rasen, Kulturen und Professionen mehren noch einmal die Vielfalt.

Allerdings gibt es auch einen einsamen Kritikpunkt, der im Bezug auf WdH allerdings sehr schwer wiegt. Dafür, dass dies nun das finale, große Charaktererschaffungswerk werden sollte, dafür, dass dies das Produkt einer Bestrebung war, vom Beta-Charakter der vierten Edition wegzukommen, ist die Errata-Liste sehr lang geraten.
Ich meine, es gibt immerhin eine und sogar bereits mit offizieller Stellungnahme, doch sprechen wir hier von etwa vier bis fünf unformatierten Seiten in Schriftgröße 10, die voller Detailkorrekturen sind. Das sind sicherlich alles kleine Pannen und eigentlich eher wenig spektakuläre Flüchtigkeitsfehler, aber einfach viele davon.
Zwei Pannen sind allerdings darunter, bei denen man echt aufschreien möchte. Noch harmloser ist das Fehlen zweier Sprachtabellen, die man aus „Mit flinken Fingern“ her kannte. Das ist gemildert durch dein Erratum, wo diese noch mal drin standen, sowie durch „Wege des Schwerts“, wo sie ebenfalls im Anhang steht, dennoch: Die hätte hier hinein gemusst.
Was mich aber wirklich ärgert ist, dass es auch dieses Mal nicht möglich war, eine fehlerfreie SKT in dem Buch abzudrucken. Die „Steigerungskostentabelle“ war ja schon immer der beste Kandidat dafür, Fehler aufzubieten und WdH macht da keine Ausnahme. Auch dieses Mal ist mal wieder die komplette Spalte F der SKT einfach falsch. Wurde ebenfalls durch die Errata schon behoben, aber trotzdem! Das hätte nun echt vermieden werden sollen!
Auch einige andere Fehler – einer sogar auf dem Charakterbogen – sind eher peinlich, aber mit denen kann man leben. Das mit der SKT ist hingegen bitter.

Alles in allem in WdH trotzdem ein tolles Buch geworden. Es erfüllt Träume der DSA-Spielerschaft und macht, was es tun sollte: Es erfindet DSA4 nicht neu, sondern führt es mit weitestgehend sehr eleganten Schritten in eine wesentlich bessere, funktionierendere und ausbalancierte Zukunft.
Eigentlich wäre sich versucht, den Band „noch sehr gut“ zu nennen, nur durch einige kleine Mängel wie die kleinen Illustrationen und, vor allem, den sehr dunklen Druck von der absoluten Höchstnote getrennt.
Der Grund, warum unter dieser Rezension aber nur „voll gut“ steht, sind besagte Errata. Wenn einmal eine zweite Ausgabe mit funktionierender SKT, Sprachtabellen und hoffentlich weitaus weniger Detailfehler erscheint, kann diese auch mit sofortiger Wirkung aufgewertet werden. Bis dahin aber bleiben leider eine Hand voll Bugs und Lücken in einem ansonsten vollkommen löblichen Buch.
Wer DSA 4 gerne und nach erweiterten Regeln spielt, der kann seine Runde mit dem Kauf von WdH eigentlich nur noch weiter aufwerten.
Name: Wege der Helden
Verlag: Ulisses Spiele
Sprache: Deutsch
Autoren: Thomas Römer (Red.) et. al.
Empf. VK.: 35 Euro
Seiten: 336{jcomments on}