Sargava - Die verlorene Kolonie

Das Buch, oder sollte ich sagen Heft, Sargava – Die verlorene Kolonie ist ein Pathfinder Handbuch, also eine kurze, sehr komprimierte Setting-Beschreibung eines sehr begrenzten Schauplatzes. In diesem Falle ist es das titelgebende Sargava, ein im Dschungel angesiedeltes Kolonialsetting.

Darauf stimmt bereits das Cover des dünnen, gehefteten Bandes ein, auf dem ein Zwerg mit Armbrust und Marschgepäck vor einem wütenden Triceratops fliehe. Es ist ein cooles Cover und macht mit viel Dynamik auf die Lektüre gespannt. Im Inneren dann bietet das Buch gewohnte Pathfinder-Qualität – was durchaus eine Menge ist. Wie üblich bei dem System sind die vollfarbigen Seiten zweispaltig und extrem eng beschrieben, so dass sich auf den 32 Seiten sicherlich mehr Text findet, als andere Systeme auf der doppelten Seitenzahl unterbringen. Das Artwork ist wie immer superb und eine vollfarbige Karte auf der Innenseite des Frontcovers rundet den visuellen Genuss gewissermaßen ab.

Rein auf der handwerklichen Seite gibt es allerdings auch ein paar Punkte, die mir störend aufgefallen sind. So werden in dem Buch zwei Städte ausführlich beschrieben und es gibt in dem Abschnitten zwei Illustrationen – nur ist’s jeweils die Falsche. Das ist im Original auch so – aber ist das ein Grund, es in der deutschen Ausgabe nicht zu korrigieren?
Darüber hinaus ist die Übersetzung zwar sehr gut gelungen und das Lektorat über weite Teile überdurchschnittlich gut geraten, allerdings haben die Verantwortlichen ganz offenbar eine Fehde mit dem Bindestrich, dessen Abwesenheit bei zusammengesetzten Begrifflichkeiten durch das ganze Buch hindurch immer wieder störend auffällt.

Ein dritter Kritikpunkt geht ebenfalls von der Optik aus, leitet aber zum inhaltlichen Teil über, denn ich fand es etwas frustrierend, dass mehrere cool klingende Orte auf der zuvor erwähnten Karte in dem Buch nicht oder nur am Rande besprochen werden.
Aber bevor ich darauf weiter eingehe, zunächst zum Inhalt insgesamt. Das dünne Heft ist in immerhin acht Abschnitte unterteilt, von denen der erste Teil auch gleich der größte Text ist und in das Setting allgemein einführt. Zehn Seiten informieren den Leser über Geschichte und Lage, Machtgruppen, Stämme und Charakterklassen in Sargava und bieten damit einen guten Einstieg. Weitere Abschnitte behandeln die Siedlungen, Abenteuer-Aufhänger, Wesenszüge, Kampfstile, Glauben, Magie und lokale Gefahren, also im Grunde alles, was man braucht, um in dem Setting loszuspielen.

Sargava selbst bietet dabei genau das, was der Kolonialgedanke verheißen mag. Stufenpyramiden im zugewucherten Dschungel, Unterdrückung und versuchte Missionierungen, Machtfragen und verschollene Geheimnisse. Genau darin liegt aber auch in Problem des Buches – es bietet wenige wirkliche Highlights. Es ist eine ziemlich gute Portierung der Grundstimmung derartiger Settings in die Welt von Pathfinder, aber es ist zugleich auch nicht mehr als das. Wenn ich Spaß an so etwas habe und schon immer mal in so einem Setting spielen wollte, ist Sargava eine Hilfe, aber das Buch tut wenig, um es mir darüber hinaus attraktiv oder schmackhaft zu machen.

Während das allerdings mehr eine Anmerkung als ein wirklicher Kritikpunkt ist, gibt es ein Gebiet, in dem ich Sargava – Die verlorene Kolonie für absolut nicht gelungen halte: Der Aufbau des Buches in seiner Gesamtheit.
Wie ich schon sagte: Auf der Karte finden sich mehrere cool klingende Locations, die sich in dem Buch vermutlich nicht finden. Ich sage bewusst vermutlich, denn beschwören kann ich es auch nach mehrfacher Lektüre nicht, denn viele Namen fallen nur hier oder da mal, vielleicht auch nur in der Zeitleiste, so dass mir der Überblick fehlt. Im Kapitel „Kampf“ findet sich ein langer Abschnitt über die „Kaavapaste“, eine Substanz, die von den Einheimischen vielfältig genutzt wird. Welche Informationen aber hier zu finden sind, und welche in dem Abschnitt „Die Kaavapaste“ im Kapitel „Gesellschaft“, sieben Seiten später, beschrieben werden, ist nur auf den zweiten Blick ersichtlich. Der Abschnitt über „Moskitorfieber“ widmet satte 21 Zeilen der Beschreibung von etwas, was halt unterm Strich Malaria ist (und sogar im Fließtext so genannt wird), bietet aber keinerlei Regeln, sondern verweist da u.a. auf den Almanach zum Mwangibecken. Und es ist ja schön, dass ich erfahre, dass Piranhas extrem gefährlich sind und sogar eine Illu dazu existiert – aber irgendwie ist es auch witzlos, wenn die Biester keine Werte haben.

Alles in allem hat das Buch daher bei mir vor allem einen Eindruck hinterlassen: Es wirkt uninspiriert. Wenn man eine Checkliste schriebe mit allem, was zu einem solchen Setting gehört, und diese dann systematisch abarbeitet, schon geradezu mechanisch die Punkte abreißt, dann steht da am Ende vermutlich Sargava.
Dieser Mangel an Kreativität, aber auch der Mangel an Inspiration, sorgen dafür, dass der Funke nie so richtig überspringen will. Die Mängel im Aufbau würde ich dem Buch nachsehen, wenn es mich bei der Lektüre packen würde, aber das tut es nicht.
Was bisher nicht angesprochen wurde ist der Preis, der es letztlich etwas rausreißt. Keine zwölf Euro bezahlt man für das Heftchen, das zwar auch nicht lang ist, aber vollfarbig und mit glänzendem Einband durchaus einige Produktionsqualität auf die Waage bringt.
Wen Sargava reizt, der kann dem Buch durchaus mal eine Chance geben. Wer sich aber noch fragt, was er wohl tolles mit einem Kolonialsetting anfangen könnte, der sollte sich auch keine großen Hoffnungen machen, dass dieses Buch es ihm verriete.

Mit freundliche Unterstützung von Ulisses Spiele und des F-Shops.


Titel: Sargava – Die verlorene Kolonie
Autoren: JD Wiker
Verlag: Ulisses Spiele
ISBN: 978-3-86889-097-6
Seitenzahl: 32 Seiten geheftetes Softcover
Sprache: deutsch
Preis: 11,95 Euro{jcomments on}