Labyrinth Lord - Herr der Labyrinthe
Herr der Labyrinthe ist die deutsche Version von Labyrinth Lord, einem Klon des ersten D&D. Es ist eine nostalgische Hommage an die "gute alte Zeit", oder um es mit dem Backcover-Text zu sagen "Zurück zu den Ursprüngen des regelarmen Fantasy-Rollenspiels". Aber kann das Spiel dieses Versprechen auch halten?
Auf 148 DIN-A4-Seiten werden nur die Regeln des Spiels beschrieben und keine Spielwelt aber einen kurzen Beispieldungeon mitgeliefert. Das Cover ist, wie die Titelschrift in lila gehalten und zeigt eine amateurhafte und sehr bunte Szene, wie eine Abenteuergruppe in einem Dungeon gegen Monster kämpft. Die Illustrationen im Inneren sind zwar nicht besonders zahlreich, aber weit besser geraten als die Coverillustration. Dabei bleiben die Bilder sehr bodenständig, da vor allem Menschen in mittelalterlichen Rüstungen abgebildet sind. Das Layout ist zweispaltig und sehr funktional gehalten. Das heißt, dass es keine Spielereien wie eingestreute Zitate, verschiedene Hintergrundbilder oder große Illustrationen über mehrere Spalten gibt, die von Texte umflossen werden. Es sind zwei Spalten mit Text oder Tabellen vor weißem Hintergrund. Angenehm zu lesen, aber optisch langweilig. Der fehlende Index fällt leider sehr negativ auf, da sich Regeln oftmals an Stellen finden, mit denen man nicht unbedingt gerechnet hätte.Wie sieht es mit den Regeln aus? Können sie nach mehr als 30 Jahren heute noch überzeugen? Das System setzt auf Klassen und Stufen, wobei verschiedene Rassen auch als Klassen enthalten sind. Das heißt, dass man entweder Kleriker oder Elf wird, aber nicht elfischer Kleriker. Das Ziel des Spiels ist klar definiert: die Spieler sind eine Gruppe von Abenteurer, die sich durch das Überwinden von Gegnern Schätze und Erfahrung aneignen und sich verbessern. Das Balancing ist dabei recht grob gehalten. Die Monster haben so viele Trefferwürfel, wie ihre Stufe beträgt. Ein Ork beispielsweise, ist ein Monster der Stufe 1, hat dadurch 1W8 Trefferpunkte und ist in der Regel in der ersten Stufe eines Dungeons zu finden. Ein Zombie ist Stufe 2, hat 2W8 Trefferpunkte und ist in der Regel auf der zweiten Stufe des Kerkers zu finden. Das ist ein einfaches und schnelles System, um Monster zu klassifizieren. Das die Erfahrungspunkte der Monster jedoch nicht direkt mit bei den Viechern angegeben sind stinkt. Das muss man sich über eine Tabelle selbst noch einmal für jede Kreatur des Grundregelwerks errechnen, was jedoch recht schnell geht.
Der grundlegende Würfelmechanismus beruht auf einem W20, auf den man Boni und Mali anrechnet, um einen Zielwert zu erreichen. Gegner trifft man jedoch erst, wenn man seinen steigenden Angriffsbonus und den Wurf, mit der sinkenden Rüstungsklasse des Gegners anhand einer Tabelle vergleicht. Das ist ein eigentlich völlig unnötiger Vorgang, denn wenn die Rüstungsklasse steigen und man mit seinem Angriffswurf gegen sie würfeln könnte, bräuchte man die Tabelle nicht mehr. Zudem kommen einige weitere Würfelmechanismen dazu, die anders ablaufen, als der W20-Wurf. Ein Dieb bekommt als einzige Klasse Fertigkeiten wie Fallen entschärfen oder Wände erklettern, die mit einem W100 unterwürfelt werden müssen. Zumindest bis auf seine Fertigkeit Horchen, die wieder mit einem W6 unterwürfelt werden muss. Solche unterschiedlichen Regelgrundsätze ziehen sich durch das gesamte Buch. Beispielsweise sind die Erfahrungspunkte, die jede der Klassen zum Stufenaufstieg braucht, sehr unterschiedlich. Wenn ein Kleriker bereits länger in der dritten Stufe ist, erreicht der Elf gerade mal die zweite Stufe. Außerdem kann der Kleriker bis zur zwanzigsten Stufe aufsteigen, der Elf aber nur bis zur zehnten, Zwerge aber bis zur zwölften. Wieso das so ist, oder inwieweit eine solche Trennung das Spiel bereichert, wird nicht klar. Seltsam ist auch, dass jedes gefundene Goldstück nicht nur für neue Ausrüstung verwendet werden kann, die dazu dient den Charakter zu verbessern, sondern auch jeweils einen Erfahrungspunkt gibt. Dadurch erhält man sozusagen eine doppelte Belohnung für Schätze, die locker mehr Erfahrungspunkte geben können, als die überwundenen Monster. Wunderlich ist nach heutigen Maßstäben auch, dass die Charaktere Erfahrungspunkt-Boni erhalten, wenn sie das primäre Attribut ihrer Klasse möglichst hoch ist. Das die ganze Charaktererschaffung nur zufällig durch Würfelwurf der Attribute bestimmt wird und kein alternatives Kaufsystem bietet, versteht sich bei dem Retro-Anspruch des Herr der Labyrinthe von selbst, erschafft aber auf Spielerseite sehr unausgeglichene Charaktere.
Es ist mir auch unverständlich, wie man ein Spiel, dass sich weitestgehend um das Umhauen von Monstern dreht, so simple und unbefriedigende Kampfregeln haben kann. Ein Kampf bei Herr der Labyrinthe beschränkt sich auf das Runterwürfeln der Trefferpunkte und ist extrem tödlich, ohne taktisch fordernd zu sein. Es gibt keine Manöver, keine Verletzungsmodifikationen und auf Spielerseite keine besonderen Fähigkeiten, die einen Kampf abwechslungsreicher gestalten könnten. Da der durchschnittliche Schaden 1W6 beträgt und Startcharaktere sowie Monster der Stufe eins ähnlich viele Trefferpunkte haben, kann ein Kampf sehr schnell ein wenig rühmliches Ende für eine ganze Abenteurergruppe bedeuten. Der Verlust der eigenen Spielfigur liegt eher in den Wurferegbnissen begründet, denn im Geschick der Spieler. Natürlich kann der SL Modikationen anhand der Situation spontan entscheiden, um gute Ideen der Spieler zu belohnen. Doch ist das dann Spielleiterwillkür und keine Leistung des Systems, sondern eher eine Schwäche. Was allerdings ganz nett geregelt ist, ist die Moral der Monster. Hier wird überraschenderweise nicht auf den "gesunden Menschenverstand" des SLs vertraut, wie an den meisten anderen Stellen des Regelwerks, sondern ein System vorgestellt, bei dem Monster ebenso wie Gefolgsleute der Spielercharaktere auch schon mal die Flucht ergreifen, wenn es schlecht für ihre Seite steht. Schöne Sache!
Dennoch: Das System als "regelarm" zu bezeichnen, wie das Backcover es tut, empfinde ich als gewagt. Durch die Tabellenlastigkeit und die extreme Beziehung auf Ausnahmeregeln muss man das Buch entweder oftmals zu Rate ziehen oder auf einen "guten SL" vertrauen, der nachvollziehbar und im Sinne der Regeln handelt. Wer einfach mal in einen Kerker steigen, Monster erschlagen und Schätze sammeln möchte, kann das beispielweise mit dem kostenlosen Dungeonslayers (http://www.dungeonslayers.de) auf weniger als zwanzig Seiten sehr viel einfacher und schneller haben, als mit Labyrinth Lord.
Das Fazit stellt mich vor ein Dilemma: Erfüllt Herr der Labyrinthe das was es will? Absolut, denn es ist ein nostalgischer Rückblick auf die Anfangszeit des Rollenspiels. Ich muss zugeben: Ich verstehe Labyrinth Lord nicht, bzw. verstehe nicht, wieso man das heute noch spielen sollte. Das System ist uneinheitlich, unbalanciert und wälzt viele Entscheidungen an den "gesunden Menschenverstand" des SLs ab. Ob man auch ohne den Schleier der Nostalgie viel Freude mit dem System haben wird, ist aber fraglich.
Name: Herr der Labyrinthe
OT: Labrinth Lord
Verlag: Goblinoid Games
Sprache: deutsch
Autor: Daniel Proctor, Moritz Mehlem{jcomments on}
Empf. VK.: 12,95 Euro
Seiten: 148 Softcover, s/w
ISBN: -