d20 - OGL Steampunk

Imagine a world where computers were developed a century before their time, powered by levers and steam engines instead of microprocessors; a world where the zeppelin never went out of fashion and new technology made it safer and faster; where brave men and women explore a yet undiscovered world to find the wondrous ruins of lost civilisations; where the mysterious age of magic is slowly fading to usher in an age of cynical reason.
- vom Backcover von OGL Steampunk

Huzzah! Und wieder ein Produkt für das von mir so geschätzte Genre des Steampunks. Und sogar wieder d20. Mongoose Publishing setzt mit diesem Buch ihre Reihe der OGL-Bücher fort. Das heißt, das sie Regelbücher mit modifizierten d20-Regeln zu allen möglichen Genres herausbringen und die Spieler dann ein Regelsystem für ihr Setting haben. Mit den Shadowrunregeln unzufrieden? OGL Cyberpunk. Deadlands ist cool, aber keiner versteht die Regeln? OGL Wild West. Tja und wenn man ein Fan von Pulp-Abenteuern, Dampfmaschinen und snobistischen Adligen auf Großwildjagd ist, dann kann man einmal einen Blick in OGL Steampunk riskieren.

Wenn wir mal vorne einen Blick auf's Cover werfen, so fällt uns vor allem auf, dass es nicht sonderlich gelungen ist. Ein humanoider Zug (oder so) dominiert den Großteil des Bildes, rechts steht ein Löwenmann und legt mit einem Gewehr an. In der linken Ecke darf sich dann noch eine Mechanikerin mit doofer Schweißerbrille hinknien. Insgesamt, wie schon erwähnt, nicht sonderlich überzeugend.
Leider bleibt auch die ganze optische Präsentation des Buches enttäuschend. Die Zeichnungen sind im Durchschnitt zwar gut, aber nicht sehr zahlreich. Auch scheinen die Zeichnungen bei den Charakter-Klassen im Original farbig gewesen zu sein, wurden für das Buch aber zu Grautöne heruntergeschraubt. Gerade diese Bilder finde ich in ihrem etwas comichhaftem Stil gelungen. Schade das sie durch die fehlende Farbe etwas von der Klasse verlieren.
Ich bleibe beim Layout, schließlich ist dies ja einer der ersten Aspekte die einem während des ersten Lesens auffällt. Die Seiten sind ist zweispaltig, graustufig und gut lesbar. Immer wieder lockern graue Textboxen die Regeln (denn aus nichts anderem besteht das Buch) auf. Die Texte aus den Boxen sind richtig cool geworden, denn sie sind Teil einer längeren Kurzgeschichte, die jeweils immer passend zum Inhalt des Kapitels gehört, in dem sie steht. Zwar wirkt es an einigen Stellen ein wenig gezwungen, aber insgesamt eine sehr schöne Lösung die Regeln aufzulockern, zumal mir die Geschichte insgesamt auch gut gefällt. Die stammt im übrigen von August Hahn, der im Editiorial fälschlicherweise als Autor angeben ist. Vielmehr ist Alejandro Melchor der Schreiber des Buches, der dann aber unter „Additional Text“ gelistet steht.
Der Text stellt einen guten Kompromiss zwischen Lesbarkeit und Textdichte dar. Zwar hat man hie und da mal den Eindruck es wäre sinnvoll gewesen eine neue Spalte zu beginnen oder eine Zeichnung einzufügen, aber wie oben erwähnt, sind diese eher Mangelware.

Da das Buch als eigenständiges Regelwerk funktionieren soll, wird das Spieler-Handbuch von D&D auch nicht benötigt. Alle Regeln finden sich in diesem Buch. Daher wohl auch OGL...
Das führt natürlich zu erst einmal dazu, das der geneigte DnD-Fan einige Seiten überspringen kann. Wie das System der Attribute funktioniert, wie man einen 20seitigen Würfel benutzt, etc. Dazu kommen dann noch Mongoose-Publishingm typische Modifikationen wie Schadensreduzierende Rüstung und der Verteidigungswert als Mindestwurf der zum Treffen benötigt wird, anstelle der Rüstungsklasse. Das gleiche Prinzip ist mir bereits aus Babylon 5 und Armageddon 2089 bekannt, auch beides Mongoose-Publishing-Titel.
Neu sind mir hingegen die „Background Points“, die jeder Charakter bei der Erschaffung erhält. Mit ihnen kann er sich extra Feats, eine „bessere“ Rasse oder mehr Attributspunkte kaufen. Eine schöne Regelung, welche die Charaktererschaffung flexibler macht und das unschöne „Level-Adjustment“ bei stärkeren Rassen vermeidet. Wenn man z.B. einen Vampir erstellen will, so bezahlt man einfach alle seine drei Punkte für die Rasse, ein Mensch könnte sich für die gleichen Punkte z.B. höhere Attribute kaufen.
OGL Steampunk verwendet auch einige Spielmechaniken der OGL wie die Action-Points. Diese können verwendet werden um zu einem d20-Wurf noch einen W6 hinzu zu addieren und so seinen Wurf weiter zu verbessern. Alternativ kann dadurch auch eine Spezialtechnik mehr als einmal pro Tag angewendet werden. Jede Ausgabe von Action Points will aber gut überlegt sein, denn man besitzt nur eine begrenzte Menge davon pro Level.
Was mich am meisten überrascht hat, ist allerdings die Veränderung des Systems für „Belohnungen“. Das man in einem industriellem Setting nicht mehr auf Goldmünzen setzt war mir ja auch klar, aber hier wird grundsätzlich auf die Angabe von einzelnen Werten verzichtet. Vielmehr besitzt jeder Charakter einen Wert in „Wealth“. Gegen diesen Würfelt man dann, wenn man einen Gegenstand erstehen möchte, dessen Schwierigkeit mit dem Wert des Gegenstandes steigt. Sollte die Differenz zwischen dem eigenen Wealth-Wert und dem zu kaufenden Gegenstand zu groß sein, verliert man möglicherweise Punkte von seinem Wealth. Das System ist neu und ich habe meine Probleme damit, das gebe ich zu. Zum einen verliert man bei großen Anschaffungen einen ausgewürfelten Betrag, also das zwei Spieler mit gleichen Voraussetzungen nach dem Kauf des gleichen Gegenstandes schon mal danach ziemlich unterschiedlich dastehen können. Des weiteren ist die Verteilung des Reichtums nach dem Abenteuer problematisch. Wenn der Spielleiter beschließt, das sich in dem abgelegenen Anwesen das die Spieler von Untoten gesäubert haben ein Schatz befand und jeder drei Wealth-Punkte mehr erhält, so sähe das so aus: Der Penner der mitgemacht hat und nur einen Wealth-Wert von null besitzt hat nach der Tabelle von Seite 135 einen Gegenwert von etwa $12 oder in DnD-Termini 6 Silber. Der Abenteurer mit Wealth zehn bekommt $155 und der snobistische Adlige mit Wealth 20 bekommt nun $3000, da sein Wert von 20 auf 23 steigt und $3000 die Differenz zwischen beiden Werten wäre. Fair? Nein. Die Reichen werden reicher und die Armen bleiben arm.

Neben den Vampiren stehen dem Spieler noch Geister als weitere untote Charaktere zur Verfügung. Dabei sind beide Rassen aber schwächer als ihre wilderen Artgenossen und ausserdem gesellschaftlich benachteiligt (wer hätte es gedacht...). Dazu kann man noch Tier-Mensch-Hybriden wählen und CoGS (Creations of Generated Sentience), im Prinzip Roboter. Nunja, der Name der Roboter ist für alle diejenigen, welche schon einmal im anglistischen Sprachraum beschimpft worden sind vielleicht etwas missverständlich, aber vielleicht ist das ja sogar intendiert. Wir wissen es nicht.
Neben diesen doch schon speziellen Rassen gibt es dann auch noch die Standardviecher wie Elfen, Zwerge und Gnome. Hier gibt es leider keine Überraschung. Zwerge sind gute Handwerker und Kämpfer, Elfen hängen an ihrer Magie und verabscheuen Technik und Gnome sind hervorragende Erfinder und Konstrukteure.
Da die Standardklassen aus dem Spielerhandbuch auf eine Fantasy-Setting zugeschnitten sind, machen sie natürlich wenig Sinn hier und deshalb gibt es auch eine Wagenladung neuer Grundklassen: Adventurer, Genius, Investigator, Journeyman, Occultist, Scoundrel und Nobel. Diese Grundklassen haben aber noch jeweils vier „Vocation“, im engeren Sinne Unterkategorien, welche die Klasse näher definieren. So findet man z.B. beim Adventurer den Piloten und den Erkunder, beim Journeyman den Leibwächter und beim Noble den Darsteller. Die Unterklassen haben jeweils schon eine speziellere Ausrichtung, so das man auf Prestigeklassen verzichtet hat.

Ansonsten finden sich in dem Buch die Regeln der OGL, spezialisiert auf das Steamgenre und um passende Regeln dazu ergänzt. Neue Waffen, Feats und Skills die in die industrielle Welt passen, dazu Fahrzeugregeln.
Die 40 Seiten zum Erschaffen eigener technischer Gerätschaften, von der Dampflok bis zum eigenen CoGS, hätte man sich aber sparen können. Ja, es sind vierzig Seiten, weitestgehend gefüllt mit Tabellen und Ausrüstungsoptionen. Der Wert dieses Kapitel ist sagen wir mal nicht so hoch für den alltäglichen Spielablauf, denn auch die Kontruktion des einfachsten Gefährts zieht sich über zig Wochen hin.

Die Magie, oder hier eher das Okkulte funktioniert ebenfalls anders, als man das von DnD gewohnt ist. Hier wird das ganze nicht über Slots geregelt, sondern man kauft sich seine Sprüche mit Fertigkeitspunkten beim Stufenaufstieg. Die Sprüche sind dann in bestimmte Gruppen wie Heilmagie aufgeteilt, aus denen man sich dann immer wieder einen Zweig kauft um dann den nächsten aus der Reihe erstehen zu können.

Ingesamt hinterlässt das Buch einen guten Eindruck. Zwar stören mich wieder einige Dinge, wie der Preis von knapp 40 Dollar für ein Buch mit 300 s/w Seiten, aber Wertungstechnisch werde ich deshalb nicht mehr eingreifen, ist dies doch inzwischen doch irgendwie Standard geworden.
Ich würde Leuten mit Interesse an Steampunk aber doch eher die Iron Kingdoms empfehlen als dieses Buch. Das hat den Grund weil man hier nur ein Regelgerüst hat und keine Spielwelt. Wer trotzdem, oder gerade deswegen mal einen Blick riskieren will, dem sei dieses Buch empfohlen.


Name: OGL Steampunk 
Verlag: Mongoose Publishing 
Sprache: englisch
Autoren: Alejandro Melchor, August Hahn {jcomments on}
ISBN: 1904577849
Empf. VK.: 39,95 US-Dollar 
Seiten: 304 s/w Hardcover