Fading Suns d20

It's the dawn of the sixth millennium and the skies are darkening, for the suns themselves are fading. Humans reached the stars long ago, building a Republic of high technology and universal emancipation – and then squandered it, fought over it, and finally lost it. A new Dark Age has descended on humanity, for the greatest of civilizations has fallen and even the stars die. Now, the feudal lords rule the Known Worlds, vying for power with fanatic priests and scheming guilds.
- vom Backcover von Fading Suns: d20

Hereinspaziert, hereinspaziert, zu einer jener schweren Rezensionen eines d20-Produktes, welches ursprünglich mit anderen Regeln erschienen ist. In unserem speziellen Falle hier ist die Rede von 'Fading Suns d20', doch bevor wir auch das eigentliche Produkt zu sprechen kommen, hier einige Worte zum Setting, für den Fall, dass es geneigte Leser gibt, denen das Spiel um die schwindenden Sonnen noch unbekannt ist.

Wir befinden uns im sechsten Jahrtausend nach der Geburt Christi, in einer dunklen Zeit. Die Menschen haben den Höhepunkt ihrer Zivilisation längst überschritten, ihre ehemalige Hochzivilisation ist einem Scherbenhaufen geworden und Technik schon lange kein Symbol des Fortschritts mehr.
Im Gegenteil: eine massiv erstarkte Kirche hat Technik mehr oder weniger auf die rote Liste gesetzt, Techniker laufen Gefahr ähnlich enden, wie es ihnen im Mittelalter ergangen wäre. Das Mittelalter, ohnehin ein großes Vorbild des sozialen Systems hinter "Fading Suns", denn neben der besagten Kirche hat sich auch ein recht feudales System ausgebreitet, komplett mit Adelshäusern und allem, was man sich vorstellen kann.
Mysteriöse, nicht vom Menschen erschaffene Sprungtore ermöglichen das Reisen zwischen verschiedenen Welten, sind aber zugleich auch Quell manchen Rätsels, während sie gleichzeitig auch den Weg zum Kontakt mit einigen Alienrassen eröffnet haben.
Nimmt man nun diese Zutaten, vermischt sie mit dem Phänomen der verblassenden Sonnen, die nach und nach an Kraft verlieren und natürlich so viele Leben mit sich nehmen, sowie eine großen Tüte "Dune", so hat man, denke ich, einen halbwegs stabilen Eindruck von dem, was sich in diesem System so abspielt; zumindest so viel, wie der Rahmen dieser Rezension zulässt.

Das ursprüngliche Regelwerk verwendete das sogenannte "Victory Point"-System, die vorliegende Auflage kommt über den gleichen Verlag, ist aber auf d20 umgesattelt. Hat man das Buch nun vor sich, so ist man vermutlich zunächst mal etwas skeptisch.
Untypisch für ein d20-Regelwerk ist sicher, dass es im Softcover daher kommt und zudem mit seinen 192 Seiten recht schmal auf der Brust ist; dafür aber wiederum mit 25 Dollar eigentlich recht happig zu Buche schlägt. Warum das so ist, wird im Laufe der Rezension noch besprochen werden.

Bleiben wir aber mal noch einen Moment bei den Äußerlichkeiten, so kann man das Buch generell definitiv als schön bezeichnen. Für das Cover zeichnet sich für das System nicht untypisch Brom verantwortlich, und auch wenn ich es schade finde, dass man vom klassischen "ein Sprungtor"-Motiv der bisherigen Regelwerke abgekommen ist, ist es zweifelsohne schön.
Es zeigt einen Menschen (Imperator Alexius, für die Kenner) in futuristischer Ritterrüstung, stilecht mit einem Langschwert bewaffnet und ein Banner vor apokalyptischer Kulisse in den Himmel reckend, an welchem irgendwo über den Wolken Raumschiffe kreuzen.
Wie gesagt, ich mochte auch das alte Sprungtor-Motiv, doch zumindest schafft es dieses Bild hier nun bereits sehr schön eine sehr eigene Atmosphäre zu vermitteln – eine Kunst, die den Innenillustrationen nicht immer so ganz gelingen will.
Zunächst einmal erwarten einen, wenn man die vorigen Ausgaben schon kennt, bei der Innengestaltung keine großen Wunder; das Seitendesign ist übersichtlich, die Illustrationen reichen von wunderschön (Brian LeBlanc) bis hin zu 'was zur Hölle ist das' (Alek Sheikman), der positive Eindruck überwiegt allerdings durchaus. Von Seiten des Layouts her fällt noch positiv auf, dass Inhalte, die per OGL allgemein verfügbar gemacht wurden, hier in einer serifenlosen Schrifttype gesetzt wurden und sich so direkt auf einen Blick vom nicht verwendbaren Material abheben. Sehr nützlich und durchaus eine vorbildliche Idee für andere Verlage.

Doch genug Zeit mit Äußerlichkeiten vertrödelt, werfen wir doch mal einen Blick auf die inneren Werte des Systems – und damit auch einen Blick auf die Frage, warum das vorliegende Werk "nur" 192 Seiten hat.
Gegliedert ist es die obligatorische Einleitung, sieben Kapitel, einen Anhang und einen Index. Während man zur Einleitung wohl auch nicht mehr schreiben muss, sind die nachfolgen 42 Seiten bereits sehr wichtig und unumgänglich, handelt es sich bei Kapitel 1 doch um "The Universe". Die Geschichte des Universums wird ebenso erläutert wie die wichtigsten Alienrassen, die Gilden und Adelshäuser sowie die Gepflogenheiten der Gesellschaft vorgestellt werden. Sehr lesenswert, sehr übersichtlich, sehr kompakt und doch informativ – was will man mehr?

Ab Kapitel 2 wird es dann aber auch schon regeltechnisch und wird dies auch für einen Großteil des Buches bleiben. Auf 30 Seiten werden zunächst einmal "Characters" gebaut. Neben den normalen Menschen sind auch die friedvollen Ur-Obun, die gewalttätigen Ur-Ukar und vielarmigen Vorox spielbar, wobei die Beschreibungen hier doch eher kurz ausgefallen sind und es leider auch keine illustrierenden Bilder bei den Fremdrassen gibt; dafür ist die Umsetzung ins d20-System aber gut geglückt.
Der Rest des Kapitels gibt sich wie erwartet und präsentiert eben die neuen Charakterklassen, von denen der Beastfriend und der Starwolf sogar richtiggehend neu im Setting sind, während sich hinter Brother Battle, Guilder, Knave, Living Weapon, Noble, Priest, Psychic, Soldier, Techie, und Theurgist mehr oder weniger auch das verbirgt, was man erwartet.
Der Yeoman letztlich ist dann noch eine Art Hans Dampf in allen Gassen, um auch für NSCs noch etwas in der Hinterhand zu haben. Auffällig ist das vollständige Fehlen von Prestigeklassen in dem Band, doch ich kann nicht behaupten, dass ich das besonders traurig finde. Dafür wurden einige andere kleine Veränderungen und optionale Regeln durch den Band gestreut, hier etwa der Vorschlag, den Charakteren alle drei Level einen zusätzlichen Punkt auf die AC zu geben.
Keine der Veränderungen verschiebt das eigentliche Gleichgewicht allerdings sonderlich, hier wurden einfach Details auf das Setting umgebogen.

Das wird auch in den folgenden beiden Kapitel geleistet, denn während "Skills" sich dem gewohnten Fertigkeiten-Satz widmet (und das auf gerade mal sechs Seiten bewerkstelligt), nehmen die Feats zumindest zwanzig Seiten ein. In beiden Kapiteln wurden bestehende Regelungen aufgegriffen und an das Setting angepasst, aber ebenso auch viele neue Sachen ergänzt. So gibt es eine Reihe Feats zur sozialen Stellung oder etwa zum großen Themengebiet Psi-Kräfte.

Doch zwischen den okkulten Mächten und uns stehen zunächst mal noch dreißig Seiten Equipment. Richtig gelesen, gleich 30 Seiten widmen sich der Ausrüstung und sprechen dabei auch eher ungewohnte Themen an, etwa die Umrechnung der Fading Suns-eigenen Währung in die klassischen D&D-Coins oder auch den Dollar im 21. Jahrhundert. Sehr nützlich, sehr sympathisch. Die Schadenswerte des Systems sind dabei sehr human, ich denke, 1W6 Schaden bei einem Revolver etwa ist eigentlich doch sehr freundlich. Ebenso gibt es aber auch massig Rüstung in dem Kapitel, medizinische Ausrüstung, Computer, Fahrzeuge und Alienartefakte finden sich hier.
Spätestens hier wird einem aber auch bewusst, dass das Buch keinerlei Regeln zu Raumschiffen beinhaltet, ebenso wie gerade mal zwölf kybernetische Gliedmaßen ihren Weg in das Buch gefunden haben. Eindeutige Mängel – anders kann man es nicht nennen.

Bleiben die okkulten Mächte, das sechste und somit vorletzte Kapitel. Okkulte Mächte gliedern sich in Psi und Theurgy, funktionieren aber grundsätzlich gleich. Anders als die Magie in D&D hat man hier eher ein Skill-artiges System gewählt, indem die entsprechenden Charaktere durch verschiedene Ränge verschiedene Kräfte erhalten, die eben in Obergruppen wie "Psyche", "Sixth Sense" (bei den Psionikern) sowie in Riten (bei den Theurgen) eingeteilt wurden. Ein recht schönes System, welches zudem jeweils eine nette "dunkle Seite" bietet, in Falle der Psioniker durch das s.g. "Urge" repräsentiert, mein den Theurgen schlicht durch Hybris.

Die restlichen dreiundzwanzig Seiten verteilen sich dann noch auf das siebte Kapitel, welches alleine den Spielleiter adressiert, sowie auf den Appendix. Der Spielleiterteil ist dabei eher eine Tour durch die wunderbare Welt von bekannten Charakteren, Kreaturen und Monstern, während der Appendix sämtliche bekannten Planeten in jeweils ein paar Zeilen umreißt.
Nicht besonderes auf diesen Seiten, aber nützlich für alle Neueinsteiger, die nicht gleich das volle Paket an Quellenbänden kaufen wollen.
Abschließend folgt dann noch der gerade mal eine Seite umfassende und dennoch recht geratene Index.

Als Fazit kann ich nur sagen, dass mir – welch Ketzerei – die Lektüre des vorliegenden Büchleins enorm viel Freude gemacht hat. Es ist nicht über die Maßen hübsch, es ist nicht wirklich herausragend geschrieben, aber es präsentiert dafür ein faszinierendes, recht einmaliges Setting, in welchem man zweifelsohne viele, viele spannende Abenteuer erleben kann und bietet eine d20-Regeladaption, die sowohl in ihrer Treue zum Setting wie auch der Kompatibilität zu den klassischen d20-Regeln gut punkten kann.
Den Erhalt eines "Sehr gut" verspielt der Band, sieht man mal von der Optik ab, vor allem durch einige Kernthemen, die ich für absolut wichtig zu adressieren gehalten hätte, seien es nun Raumkampfregeln oder mehr der Details zu den Fremdrassen, sowie seinen recht happigen Preis.
Insgesamt kann man "Fading Suns: d20" jedoch allen Interessierten nur ans Herz legen; wer nach der 2nd Edition spielt, wird kaum umsteigen, alle anderen sollten jedoch alle Vorurteile mal beiseite Legenden und in das Universum der sterbenden Sonnen eintauchen – es lohnt sich!


Name: Fading Suns: d20 
Verlag: Holistic 
Sprache: Englisch{jcomments on}
Autoren: Bill Bridges und Andy Harmon
Empf. VK.: 25,00 US-Dollar 
Seiten: 192