Crime Scene - Police Investigations

JUST THE FACTS, MA'AM
Crime Scene: Police Investigations tells you everything you need to know about the Police. First, police structures, procedures and training. Ten all you need for solving a crime, from processing a crime scene to collecting evidence to determining motives and MOs. Learn all about the appraising a suspect, handling the media, managing jurisdictions and eating donuts.

- vom Backcover von Crime Scene: Police Investigations

Manchmal kommen schon wirklich eigenartige Produkte auf den Markt. Gerade das System zum zwanzigseitigen Würfel mit seiner OGL hat schon wirklich massenweise skurriles Material auf die Welt losgelassen.
Hogshead Publishing haben sich lange Zeit diesem Trend widersetzt. Sämtliche Produkte zu SLA, Nobilis, ihre New Style-Reihe und, natürlich, WFRP brauchten keine D20-Stats. „Fear the Worst“ wäre wohl das erste Szenario gewesen, dass auch D20-Stats enthalten hätte, doch James Wallis kam ihm zuvor … und tötete Hogshead.

Nun ist der Verlag wieder da, unter neuem Management versteht sich, und das erste Projekt liegt nun vor: „Crime Scene Police Investigations“, im Folgenden CS:PI. Vom neuen Chef, Mark Ricketts, persönlich verfasst schickt das sich das vom Umfang eher unauffällige Buch an, Polizisten und ihre Arbeit einmal ins Augenmerk der Spielerschaft zu bringen.
„Tatort – Das Rollenspiel“ also? Nun, nicht wirklich, wie eine Lektüre offen legen wird, aber bevor wir zu den inneren Werten stoßen, einiges zur Optik:

Der Band kommt in einem angenehm robusten Softcover daher, stabilere Pappe, gute Bindung. Das Cover zeigt das Arbeitsgerät eines Polizisten, oder was man dafür halten mag, nämlich eine Colt M1911 nebst Munition und Schnelllader und Handschellen.
Sieht ganz nett aus. „Umwickelt“ ist das ganze Design von gelben Absperrbändern auf denen, in schwarzer Schrift, „Crime Scene“ prangt … sehr nett, passt schön zum Stil. Das der Buchrücken ähnlich aussieht ist naheliegend, dennoch schön.
Das Innenartwork dagegen ist von eher niederer Qualität, von diversen eher unbekannten Zeichnern ausgeführt ist es zwar über Fanzine-Niveau, kann aber etwa gegen die besseren Zeichnungen der WoD nicht ankommen.
Das Seitendesign an sich ist Dokumente in einer Akte nachempfunden, was wiederum gut gefällt. Dazu kommt dann ein übersichtlicher Satz und eine erfreulich kleine Schriftgröße, so dass CS:PI durchaus schon mal nicht schlecht wirkt.

Das Buch gliedert sich dann in neun Kapitel und zwei Appendices, wobei natürlich allem wie immer ein „How to use this book“ vorausgeht. Das erste Kapitel ist dann aber die wirkliche Einführung, denn auf sieben Seiten wird „The Job“ erklärt. Was gibt es eigentlich für Aufgaben im Polizeidienst? Wie sieht jetzt eigentlich grob das Gesetz aus? Was dürfen auch Polizisten nicht tun? Ein grober Abriss über die Situation in den Staaten bringt einen dann direkt ins Thema, welches man im zweiten Kapitel, „Police Organization“, auch direkt vertiefen kann. Der Inhalt ist auch hier klar: was für Behörden gibt es, wer ist wo zuständig, welche Rolle übernehmen die Staatsanwälte und auf welche Ressourcen kann man zugreifen?
Ganz nützlicher Abriss, wenn man auch zu beiden Kapiteln sagen kann, dass Krimifans die eben manchmal auch Krimis aus dem Land jenseits des großen Teiches gesehen haben, hier vermutlich nur wenig Neues finden werden. Ist aber dennoch gut, die Informationen einmal schwarz auf weiß beisammen zu haben und wären sie nicht enthalten gewesen, wäre das sicherlich der größere Kritikpunkt gewesen.

Kapitel 3, „Characters“, ist nun der erste Schritt in die D20-Regeln, hier wird nun ein Cop generiert. Es werden sechs Charakterklassen angeboten, Cop, Trooper, Deputy, Detective, Crime Scene Investigator und Kriminalpsychologe, allerdings stellt man auch gleich fest, das hier einige Sachen anders funktionieren als beim generischen D20.
Zunächst einmal hat jede Klasse nur zehn Stufen, erhält dafür aber auch mit jedem Levelanstieg einen Bonus Feat, entweder fest vorgegeben (bei den geraden Stufen) oder aus einer angegebenen Liste wählbar (bei den ungeraden Stufen). Ebenfalls neu ist der AC-Bonus, den Charaktere mit jeder Stufe bekommen. Dieser rangiert zwischen +1 und +5 und wird, klar, steckt im Namen, eben auf die Armor Class aufgerechnet. Diese wird dann aber ganz gemäß der Regeln aus „10 + AC Class Bonus + Rüstungs-AC + Misc“ berechnet, will sagen: ganz gemäß der zweifelhaften Logik von D20 wird man mit einer schusssicheren Weste eben schwerer getroffen als ohne … und das eigentliche Argument von D&D, es ginge hier ja nur um wirklich tödliche Treffer, zieht da auch nicht, denn auch wenn man eine kugelsichere Weste trägt, wer getroffen wird, bleibt eigentlich erst mal liegen.
Ebenfalls unverändert ist die Hit Dice-Regelung, jede Charakterklasse würfelt pro Stufe zusätzliche Hitpoints aus. Cops und Trooper mit einem W8, alle anderen mit einem W6. Da hätte ich, ehrlich gesagt, lieber die Regelung gesehen, wie sie etwa bei „Babylon 5 D20“ Anwendung findet, also etwas höhere Grundpunkte und dann nur ein oder zwei Punkte pro Stufe. Aber gut, macht man nichts dran.
Nett dagegen eine Tabelle, welche Typen in welchen Einheiten vertreten sind, eigentlich klar, dass man bei den Jungs der „Crime Prevention“ keine Spurensicherung braucht. Aber wirklich hilfreich, je nach Zusammensetzung der Gruppe.

Zwölf Seiten Skills und Feats bilden das vierte Kapitel und hier wiederum ist nicht viel zu sagen. Etwa 50% der Skills und ein Großteil der Feats sind neu und werden dementsprechend auch beschrieben. Die Auswahl ist gut und macht, gemäß dem Setting, auch Sinn. Schön vor allem, das Undinger wie „Use Rope“ keinen Einzug gehalten haben, allerdings lassen einige Feat-Beschreibungen, etwa „Psychological Profiling“, einfach viele Tiefe vermissen.
Das liegt aber nun mal eher am System der Feats selbst...

Kapitel fünf brich nun wild zwischen die Regeln, ein Hintergrundkapitel zwischen Charaktererschaffung und Kampfregeln, aber schlecht wird es deshalb nicht. „Scene of the Crime“ dreht sich, na klar, um den Tatort.
Nahezu alles, was man brauchen kann, findet sich hier. Wie werden Spuren gesichert? Aus welchen Datenbanken und Quellen kriege ich Informationen über Verdächtige und Opfer? Was tun bei Geiselnahmen? Was bei Durchsuchungen?
Gerade mal neun Seiten aber doch von hoher Essenz, schön komprimiert und gerade für den SL, aber auch für die Spieler, durchaus Gold wert.

Kapitel sechs bietet dann auf gerade mal vier Seiten die angepassten Kampfregeln, von denen aber eigentlich nur der AC-Class Bonus so richtig nennenswert ist, danach geht es auch direkt weiter zum siebten Kapitel, „Equipment“. Waffen und „Rüstungen“, Überwachungs- und Spurensicherungswerkzeuge und allerlei aus dieser Kategorie auf acht Seiten, wobei vor allem das nahezu vollständige Fehlen von Illus hier schmerzt. Gerade bei den Waffen wäre es wohl ganz nett gewesen, denn das erhöht auch für den eher waffenunkundigen Leser den Wiedererkennungswert, sei es einfach aus dem Krimi vom Vortag.

Kapitel Nummer acht ist dann ein ganz seltsames Stück. Zunächst mal zwei weitere Charakterklassen, nämlich den Sheriff und den SWAT Offizier – warum sind die hier und nicht bei den anderen? Keine Erklärung wird gegeben, naja, egal.
Dann gibt 15 Beispiel-NSCs. Eigentlich nett, aber … die Auswahl ist etwas seltsam. Neben erwarteten Angaben (etwa andere Polizisten) finden sich dort auch Stats von Polizeihunden, Zuhältern, Betrunkenen und Serienmördern. Warum aber hat der Säufer mehr Hitpoints als ein Cop, Level 1? Warum sind Mörder partout stärker als Serientäter? Warum entsprechen die körperlichen Attribute eines Paramedic denen eines Polizeihundes und woher hat der Feuerwehrmann seine 34 Hitpoints? Alles sehr, sehr seltsam...
Sinnvoll höchstens noch die Seite mit Informationen zum Unterschied zwischen echter Polizeiarbeit und den Krimis in Buch und Fernsehen. Hier wird weder das eine noch das andere gepredigt, vielmehr werden die Unterschiede aufgezeigt und jeder SL eben angeregt, selber zu entscheiden was er denn nun davon haben will.

Das neunte Kapitel ist dann noch ein Beispielfall für junge Ermittler, „Tragedy at Cutters Creek“. Natürlich sei hier nichts zum Inhalt gesagt, aber das Abenteuer macht vom Lesen her einen ziemlich guten Eindruck, einen Spieltest haben wir nicht gehabt aber besagter Eindruck gefällt und ein kreativer Spielleiter kann aus dieser Prämisse wohl alles bauen, von Dorf-Polizisten wie teils aus „Polizeiruf 110“ bekannt über klassische Krimis im Sinne des „Tatort“ oder gar zu Kleinstadtverschwörungen à la Twin Peaks; die vorgestellte Ortschaft ist zwar klein, aber für den Anfang genau richtig.

Anhang A stellt dann noch einzelne Einsatzpakete vor (Was ist in einem Surveillance Kit, was in einem Evidence Collection Kit?), Anhang B stellt dann noch eine gängige Polizeicodes, Akronyme und etwas Slang vor. Letzterer bringt natürlich nur denen was, die auf Englisch spielen, die Codes und Akronyme nimmt man gerne, leider sind sie aber unvollständig, der getreue Akte X-Zuschauer wird etwa sogleich SAC, Special Agent in Charge, vermissen, ist aber nur eines mehrerer Beispiele. Dennoch sind es nützliche Anhänge.
Abgerundet wird das Buch dann vom absolut hässlichen Charakterbogen ...

Ein Fazit? Aber gerne!
CS:PI ist ein Produkt für eine Randgruppe unter den Rollenspielern. Wer gerne fremde Planeten bereist, Drachen tötet und Jungfrauen in den Hals beißt, der ist selbstredend falsch.
Wer aber gerne Krimis mag, Lust hat, mal einige Mordfälle zu lösen und dabei doch wenigstens einen Hauch von Korrektheit verspüren will, der sollte hier zugreifen!
Es sieht nicht wirklich umwerfend aus, aber der Inhalt ist über weite Strecken gelungen, sieht man von einigen Ausnahmen ab … und eines ist klar: für D20 ist schon weit größerer Unsinn für weit mehr Geld verkloppt worden.
Mir hat's gefallen.


Name: Crime Scene: Police Investigations 
Verlag: Hogshead Publishing 
Sprache: Englisch
Autoren: Mark Ricketts{jcomments on}
Empf. VK.: 18,95 US-Dollar 
Seiten: 80