d20 - Grönlandsaga, Die

{jcomments on}Frühjahr 1454. Vor fast fünfhundert Jahren kamen Wikinger-Siedler nach Grönland. Jahrhunderte lang erblühte ihre Kolonie am äußersten Rand der bekannten Welt. Dann verschwand sie.
- vom Backcover der Grönland-Saga

Aha. Ein „historisches“ d20 Abenteuer. Gespielt wird also nicht auf irgendeiner Fantasywelt, sondern auf der guten alten Mutter Erde. Und zwar 1454 um genau zu sein. In der Einleitung bekommt man dann direkt schon einmal vermittelt das es sich bei unserer Welt um eine „magiearme“ handelt. Ergo bleiben Fremdrassen schon mal besser in ihren Löchern und Magier sollten sich besser nicht öffentlich zu erkennen geben, sonst könnten sie ganz schnell auf einem Scheiterhaufen landen. Weibliche Charaktere werden es wohl auch schwer haben, es gilt gar die Regel das weibliche Charaktere einen Abzug von 3 auf ihre Stärke bekommen, ausgeglichen (?) durch einen zusätzlichen Punkt auf Geschicklichkeit und Konstitution. Die Charakterklassen unterliegen demnach einer ebenfalls starken Restriktion. Magische Klassen sind ja eher ungern gesehen, Mönche und Kleriker können hier weder kämpfen noch zaubern. Es wird also weitesgehend eine Reise von Kriegern, Schurken und Waldläufern…

Nach der Einleitung erhält man im „Teil eins“ wissenswertes über den Hintergrund. Wie sieht es in Grönland überhaupt aus, an welche Götter glauben sie (nicht mehr), wovon ernährt man sich, welche Sprache spricht man, die Handelsbeziehungen, Einstellung zum Krieg und sogar die Kleidungsgewohnheiten werden hier beschrieben. Alles sehr hilfreich und für einen Geschichtsstudenten wie mich sogar interessant. Ob man anhand dieser Informationen allerdings eine ganze Kampagne auf der Insel spielen kann, wie auf dem Backcover angeben, wage ich zu bezweifeln. Zu den geschichtlichen Informationen gesellen sich dann noch die „Einfüßer“, eine mythische Rasse von Humanoiden mit, nun… einem Bein.

Im zweiten Teil beginnt dann das eigentliche Abenteuer. Die Charaktere werden von Monsignore Marcello di San Dimas, der Nachrichtenmeister (oder besser Geheimdienstchef) des Papstes angeheuert, um das Verschwinden von Teilen der Grönländischen Bevölkerung zu untersuchen. Theoretisch sollten die Spielercharaktere den guten Mann bereits aus „Die letzte Tage von Konstantinopel“ kennen. Dieses „historische d20 Abenteuer“ spielt ein Jahr früher 1453 und behandelt die Eroberung Konstantinopels durch die „Ungläubigen“. Theoretisch ist dies deshalb, weil „Die letzte Tage von Konstantinopel“ noch nicht erschienen sind. Ja, „Die Grönlandsaga“, welche 1454 spielt und klar auf den Vorgängerband verweist ist früher erschienen als der eben jener „Vorgängerband“. Seltsam.
Der Spielleiter bekommt dann drei Optionen, warum die Menschen von Grönland verschwinden. Option A bringt die Einfüßer ins Spiel, welche die Bevölkerung Grönlands auf ihren Speisezettel gesetzt haben und sie nach und nach dezimiert. Option B geht davon aus, dass sich die Einwohner zu einer Expedition nach Nordamerika (oder eher Vínland) aufmachen, da es auf Grönland seit Generationen immer kälter wird. Bei Option C rauben portugiesische Sklavenhändler die Bevölkerung.

Im dritten Teil beginnt dann die Reise der SCs gen Grönland. Hier passiert eigentlich nur etwas signifikantes, wenn der SL es wünscht. Der Kapitän, der Steuermann und der durchschnittliche Seemann werden vorgestellt.

Im vierten Teil kommen die SCs dann endlich in Grönland an. Nach einer Steppvisite im örtlichen Kloster und einiger Recherche latschen die SCs dann von einem NSC zum nächsten. Das geht dann solange, bis sie entweder das Lager der Einfüßer, das Sklavenlager der Portugiesen oder die letzten Grönlander, die Reisevorbereitungen treffen. Natürlich kann man die Optionen auch beliebig kombinieren.

Eine wirkliche Handlung konnte ich in dem Abenteuer jedoch nicht finden. Sehr störend sind die Beschreibung der sehr zahlreichen NSCs. Ihre Beschreibung und Verhaltensweisen sind ohne Absatz oder Kenntlichmachung im Fließtext. Da der Band fast nur aus NSC-Beschreibungen besteht sehr unübersichtlich und ärgerlich. Die Werte der NSCs sind statt des knappen Werte-Blocks anderer Abenteuer in einem verzierten Kästchen untergebracht. Sieht ja nicht schlecht aus und kennzeichnet gleichzeitig auch praktischerweise den OGL Inhalt, verbraucht aber irrsinnig viel Platz. 38 (!) dieser jeweils etwa ein viertel Seite großen Kästen sind in den 48 Seiten des Abenteuers untergebracht. Dabei hat wirklich JEDER eigene Werte, sei es nun vom Kapitän des eigenen Schiffes bis zu irgendwelchen Schlägern, die man eigentlich nicht trifft. Naja, fast jeder. Die Werte für Eisbären, einen Standardgegner denn man durchaus mal öfters trifft spart man sich. Die Werte der NSCs haben dabei zwei Tendenzen: Halbgott oder Volldebiler. Einige NSCs haben trotz einer Stufe von 3 bis 5 zwei, oder drei Werte auf oder über 18, während andere noch nicht mal 10 als Durchschnittswert erreichen! Dabei haben auch viele NSCs keine Begegnungsschwierigkeit (oder Challange Rating) angegeben. Wenn schon so viele Werte, dann bitte komplett! Seltsam finde ich auch das Sprachtalent vieler NSCs. Ich finde es ja schon beeindruckend wenn ein Händler drei Sprachen spricht, aber fünf bis sieben?
Das Kartenmaterial in den Innencovern liegt etwa auf dem Niveau einer Spielleiterskizze und hätte man sich auch sparen können.

Nach einem sehr guten Start mit interessanten Hintergrundinfos verliert sich der Autor in die Detailverliebtheit seines Wissens über Grönland statt eine Handlung festzulegen. Diese Art von Abenteuer wird, bis auf ein paar Geschichtsstudenten, wohl kaum eine Zielgruppe finden. Jedenfalls nicht so.

 


Name: Die Grönland-Saga
OT: Greenland Saga
Verlag: Truant
Sprache: deutsch
Autor: Dr. Mike Benninghof
Empf. VK: 12,95 Euro
Seiten: 48 s/w, geheftet
ISBN: 3934282059