Scarred Lands - Campaign Setting: Ghelspad
{jcomments on}Playground of titans, battlefield of gods, land of empires and magic: Ghelspad is a vivid and exciting setting for your fantasy campaign.
vom Backcover von Ghelspad
Als ich mich letzten Juni langsam daran setzte, eine für den Spätsommer geplante D&D-Kampagne zu entwerfen, stand ich zunächst einmal vor der ersten, großen Hürde: welches Setting sollte ich nehmen?
Die Forgotten Realms sind mir eigentlich zu platt, Dragonlance war noch nicht in greifbarer Nähe, Greyhawk und die Königreiche von Kalamar sind nicht wirklich erwähnenswert und Ravenloft ist zwar extrem gut, bediente nun aber nicht wirklich meinen Hunger nach klassischer Fantasy.
So fiel mir dann, obschon Scorp in seiner Rezi des 'Atlas der Narbenlande' nicht völlig begeistert war, die große Hardcover-Ausgabe des Settings in die Hand, welche es nie in die deutsche Sprache geschafft hat.
Das Buch macht, auf den ersten Blick, schon mal einen sehr guten Eindruck. Es ist ein für White Wolf typisches Hardcover, also Flachrückenbindung, Hochglanzcover und glänzender Innendruck sowie ein leicht süßlicher Geruch auf den Seiten bei frischer Auslieferung. Das Buch wirkt zudem sehr robust, was es auch im Zuge der oben angesprochenen Kampagne ausreichend durch diverse Reisen quer durch die Eifel und das typische herumreichen am Spieltisch bewiesen hat. Und das ist bei einer Art Grundbuch ja durchaus wichtig.
Auf Cover und Backcover erstreckt sich die Farbkarte des thematisierten Kontinents. Etwas faul vielleicht, aber dennoch schön und einfach passend. Die gleiche Karte findet sich dann noch mal, ebenfalls farbig, auf den Innenseiten des Umschlags (macht Sinn, auf dem Cover wird sie ja von den Schriftzügen verdeckt) sowie, schwarzweiß, am Ende des Buches (und nein, das macht definitiv keinen Sinn!).
Die Illustrationen im Buch gehen aber über weite Strecken sehr in Ordnung, wenn sie auch das für die Reihe so typische Sammelsurium der Stile demonstrieren. Da gibt es teilweise meisterhafte schattierte Bilder ebenso wie krude und simple Strich-Skizzen, eher asiatisch angehauchte Bilder von Melissa Uran und ebenso eher klassische Fantasy-Bilder, allerdings passen die meisten Illustrationen gut zum Text und sehen zumindest gut aus. Dazu gibt es dann noch zweckmäßige Darstellungen wie etwa Karten der beschriebenen Städte und computergenerierte Steintafeln mit den Symbolen der Götter von Ghelspad, auch allesamt recht schön. Einzig bei der Heraldik der einzelnen Nationen hätte man sicher besser was geflötet, denn die sind samt und sonders hässlich zu nennen. Sei es, weil sie pixelig wie eine VGA-Grafik sind (man nehme Lageni als Beispiel, Seite 91), oder auch, weil das Motiv einfach schrecklich ist. Abgebrochen bin ich regelrecht als ich das das Banner des 'Gleaming Valley' stieß, welches einen debilen Löwen zeigt, der von einem auf Kindergartenniveau gezeichneten Ouroboros umgeben ist (S. 80) – sehr lustig zu sehen, aber traurig, dass es da nicht zu mehr gereicht hat.
Doch bevor wir zum Inhalt kommen, ist es wohl gerechtfertigt, mal kurz zu erklären, worum es hier eigentlich geht. Ghelspad ist ein mystischer Kontinent, der von der Blood Sea im Osten und von der Blossoming Sea in den anderen Himmelsrichtungen umschlossen wird. Einst, vor mythologisch gesehen relativ kurzer Zeit, fand dort ein Krieg von geradezu mystischen Ausmaßen statt, als die jungen Götter sich erhoben und gegen die Tyrannei der sogenannten Titanen traten.
Die Götter gewannen und bezwangen die Titanen, schenkten damit den Rassen des Kontinents – das gewohnte Paket – ihre Freiheit, doch ihr Sieg war nicht allumfassend. Noch immer ist die Verheerung durch die Titanen im Land zu spüren, noch immer ziehen die Abkömmlinge der Titanen (dem Rezensenten fiel gerade keine bessere Übersetzung für 'Titan Spawn' ein; man möge ihm Verzeihen) umher und es herrscht auch weiterhin großer Bedarf an Helden.
Landschaftlich bietet Ghelspad eigentlich alles, was man will – Wiesen, Wälder, Gebirge, Wüsten, Sümpfe und sogar etwas Schnee und Eis in den Bergen. Die Aufteilung ist sehr gut, halbwegs durchdacht und vor allem der Spielpraxis sehr zugewandt, denn in unserer Kampagne zeigte sich mir eigentlich stets wieder das gleiche Bild: was für eine Landschaft ich auch gerade brauchte, es war immer in greifbarer Reichweite.
Das Land zeigt noch immer die "Narben" des alten Krieges Artefakte und Magie ungeahnter Macht schlummern verborgen in einigen Winkeln, ebenso wie hinter jedem Busch gefahren Lauern ... was will man als D&D-Spielleiter schon mehr?
Naja, ein gutes Buch beispielsweise, dass einem das zweifelsohne gute Setting nahe bringt?
Nun, schauen wir mal: 'Ghelspad' gliedert sich in sechs Kapitel und einen Appendix. Das erste Kapitel widmet sich dabei der Geschichte des Kontinents und beschreibt auf 26 Seiten in stimmungsvollen Ton die Geschichte des Landes.
Weniger wie ein Geschichtsbuch sondern eher wie der Prolog eines Fantasyromans lesen sich die Zeilen, die vor allem direkt im Kopf des Lesers das Potential unzähliger Kampagnen erwecken. Sehr lesenswert.
Mit gerade mal zehn Seiten müssen sich die Götter von Ghelspad im zweiten Kapitel begnügen, aber das reicht dann auch eigentlich, da es ja mit "Divine and the Defeated" noch ein ganzes Buch des Verlages zum Thema gibt.
Hier bekommt man auf einer Seite die neun Götter und die zehn Halbgötter tabellarisch mit Gesinnung und Domänen aufgelistet, sowie die zwölf Titanen inklusive der typischen Anbeter präsentiert, bevor auf den restlichen Seiten eben genauere Beschreibungen folgen.
Die Auswahl ist dabei recht klassisch, so gibt es etwa Hedrada, der für Recht und Gerechtigkeit steht, Tanil, Göttin der Jagd, Belsameth, der für Schlacht, Meucheln und Tod steht sowie etwa auch Denev, die klassische Erdmutter. Interessant sind allerdings auch hier einige Kombinationen, sowie steht besagte Tanil eben nicht nur für Jagd, sondern eben auch für Reise, Försterei, Musik, Bogenschießen allgemein und Glück.
Die Halbgötter wurden leider ausgespart, dafür werden zumindest noch die Titanen beschrieben, die zum Glück ebenfalls nicht zu platt geraten sind und alleine das 'Sorcery' allgemein mit dem Titanen Mesos assoziiert wird, gibt eventuellen Spruchzauberern in der gleich eine ganz interessante Randnote.
Kurzum: ebenfalls ein sehr schönes Kapitel, das aber nicht alle Fragen beantwortet.
Gleich 69 Seiten gehen danach an die Nationen von Ghelspad. Jede Region wird hier sehr detailliert beschrieben, mit tabellarischen Fakten zu Beginn, den oben schon erwähnten Bannern, der Geschichte des Landes, geographisch interessanten Gebieten, Flora und Fauna, den Bewohnern, ihrer Kultur, Verbrechen und Strafen, Religionen, bewaffneten Streitkräften und den namhaften Städten der Region.
Und so detailliert (und gut geschrieben) die Beschreibungen sind, so abwechslungsreich sind die Nationen. Darakeene stellt eine Mischung aus Schafzüchtern, Druiden, expansionswilligem Imperator und Separatistengruppen dar, Uria dagegen weiß mit 95% elfischer Bevölkerung aufzufallen während das 'Gleaming Valley' mit der Goldenen Stadt und den Hollow Knights ebenso schwer zu erreichen wie religiös faszinierend ist.
Im gleichen Stil und etwa gleichen Umfang präsentieren sich danach die Stadtstaaten des Kontinents. Und gleichermaßen gilt auch hier die hohe Vielfalt, denn ob man nun in die uneinnehmbare Zitadelle von Burok Torn, nach Hollowfaust, in die Stadt der Nekromanten oder auch nach Mithril reist, in eine Stadt, über der ein riesiger Mithril-Golem scheinbar in Starre liegt, Ghelspad bietet immer etwas interessantes, weshalb auch sowohl das Nationen- als auch das Stadtstaaten-Kapitel einfach rundum gefallen.
Etwas kürzer geben sich im Anschluss noch die wichtigen sonstigen Orte des Kontinents. Da ist der riesige See Adum's Tear, die auf einer Felssäule gelegene Stadt Aurimar in den Lands of Non, die barbarischen Plains of Lede und die Wüste von Ukrudan so wie viele, viele mehr.
Rundum gut beschrieben, nahezu alle schön einzusetzen und das meiste nicht mal allzu offensichtlich irgendwo geklaut – wer in den Nationen und Städten nicht glücklich wurde, weil er lieber in der freien Natur spielt, wird hier sicherlich gut bedient werden.
Kapitel sechs rundet diesen Eindruck dann auch noch ab, denn auf sieben Seiten werden noch kurz die verbliebenen Einträge der Karte vorgestellt; kurz, aber etwa im Falle der Wall of Bones nicht minder interessant.
Der Appendix dann offeriert noch acht neue Prestigeklassen, die mich zwar alle nicht umgeworfen haben, aber mittlerweile wohl wirklich unausweichliches Beiwerk aller D20-Bände geworden ist.
Mein Fazit aber fällt mir leicht:
Ghelspad ist ein weitestgehend ansprechend verpacktes Setting voller Ideen, guter Konzepte und spieltechnisch durchdachter Hintergründe, das jedem Spielleiter sofort alle Türe öffnet und mit Inspirationen nur so um sich wirft – und das zu einem absolut unschlagbaren Preis.
Wer also noch ein Setting für seine nächste Kampagne sucht, sollte Ghelspad definitiv mal einen Besuch abstatten – es wird sich lohnen.
Name: Ghelspad
Verlag: Sword&Sorcery Studio / White Wolf
Sprache: Englisch
Autoren: Anthony Pryor und 13 weitere
Empf. VK.: 24,95 US-$
Seiten: 250