Shards 2 – Runvirs Tomb
„In this adventure, a group of characters is sent out to find a magical treasure in a tomb buried under the hills near the remains of the ancient Kingdom of Ustrect – while their patron is playing a foul game on their costs.“vom Backcover von Earthdawn Shards II – Runvir‘s Tomb
„Runvir‘s Tomb“ ist gleich eine ganze Ecke umfangreicher als sein Vorgänger „Journey to Lang“. War dieser noch 16 Seiten kurz, bringt „Runvir‘s Tomb“ schon 22 Seiten Umfang mit sich. Das schlägt sich Preis nieder, der allerdings hier mit 2,95 US-$ für das eBook nach wie vor als unschlagbar günstig zu bezeichnen ist.
Für das Layout wurde dieses Mal das Design verwendet, wie es beispielsweise auch beim „Namegiver‘s Compendium“ verwendung findet, also mit dem schmalen, sehr schön gestalteten Rahmen am Außenrand der Seite. Die Illustrationen sind eine Kombination von Klassikern wie Earl Geier, Jeff Laubenstein oder Larry MacDougall und einigen neuen Bildern, nicht zuletzt von der im deutschen Fandom sehr beliebten Kathy Schad. Die Karten im Abenteuer sind ebenfalls sehr schön und übersichtlich geraten, so dass der Gesamteindruck noch einmal einen Zacken besser ist als beim „Journey to Lang“.
Das beim „Vorgänger“ noch erwähnte Problem mit dem PDF-Standard-Programm auf Apple-Geräten tritt hier übrigens auch nicht mehr auf. Sehr löblich.
Die Handlung lässt sich recht kompakt beschreiben: Der Magier Jorgin Torvin wirbt die Gruppe an, für ihn eine kleine Schatzsuche durchzuführen. Er glaubt, die Lage des legendären „Orakel-Brunnens des Mynbruje“ gefunden zu haben. Er möchte, dass die Gruppe seine These überprüft und überlässt ihnen im Gegenzug alle Schätze abseits des Brunnens, die sie dort finden können, ergänzt um einige andere Gefälligkeiten.
Doch die Sache hat mehrere Haken. Einerseits eine Bande von Troll-Luftpiraten, die in dem Gelände ihr Unwesen treiben, andererseits die Heimstätte des Brunnens selber, in der ein Dämon schon zu lange auf neue Opfer harrt. Abschließend hat auch Torvin nicht wirklich vor, zu seinem Angebot zu stehen und plant, die Charaktere über‘s Ohr zu hauen.
Wie schon die erste „Shard“, so ist auch dieses Abenteuer dabei keine Neuentwicklung von RedBrick, wenn auch merklich mehr Arbeit hineingeflossen ist, als in Prosperis Abenteuer. Das vorliegende Szenario von David Caraley ist ursprünglich unter dem Titel „Search for Wisdom“ im „Earthdawn Journal“ erschienen und weist, wenn man beide Fassungen miteinander vergleicht, einige signifikante und einige kosmetische Änderungen auf, die von Carsten Damm eingearbeitet wurden.
Zur Kosmetik gehört es wohl, dass diverse Namen sich geändert haben. So wurde die Kneipe „The Raven“ hier in „The Drunken Dragon“ umbenannt und auch der Dämon im Kaer nennt sich nicht mehr „Skarvik the Deceiver“, sondern weniger lyrisch und wesentlich treffender „Skarvik the Strangler“. Signifikant ist dagegen der ganze Aufhänger des Abenteuers geändert worden. Wurden die Charaktere in der urspürnglichen Fassung noch ausgeschickt, um für den offenbar an Altersdemenz leidenden Garlthik One-Eye den „Stein der Weisen“ aus einem Garlen-Tempel zu bergen, musste dieser ganze Aufhänger in der Überarbeitung einer subtileren und weniger den Hintergrund betreffenden Fassung weichen. Aus dem Stein der Weisen wurde der besagte Orakel-Brunnen, der nun auch nicht mehr Garlen, sondern eben Mynbruje geweiht ist. Jorgin arbeitet demnach auch nicht mehr für Garlthik, sondern in eigenem Interesse und plant, das schrieb ich ja schon, die Charaktere zu betrügen. Das passt, immerhin hat das Abenteuer in Kratas seinen Anfang, einer Stadt, die auf Lug und Trug erbaut wurde.
Allerdings bringen die ganzen Änderungen einige Fragen mit sich, insbesonders rund um die Pläne Jorgins. In der alten Fassung machte es Sinn, dass er mit den Charakteren einen Bluteid ablegt, um beide Seiten an die Wahrheit zu binden – hier nun eher weniger. Warum sollte er das tun, wenn er doch nur Verrat im Sinn hat?
Dann werden die Charaktere nach dem Fund der notwendigen Beweise in beiden Fassungen von finsteren Gesellen abgefangen, die sie überrumpeln wollen. In der alten Fassung waren das Schergen im Auftrag Vistroshs, einem Gegenspieler Garlthiks, der natürlich ein Interesse daran hat, dass der Ork nicht wieder zu alter Form zurückkehrt. Hier nun sind die Leute im Auftrag Torvins da und werfen damit eine Frage auf: Wenn der Magier über eine eigene Truppe von immerhin einem Adepten des vierten Kreises und fünf normaler Söldlinge verfügt, von denen er offenbar glaubt, dass sie die Spielercharaktere überrumpeln können, warum schickt er dann nicht diese los, um den Orakelbrunnen zu suchen?
Der erste Übergriff von Vistroshs Männern findet aber bereits vor der Abreise der Adepten statt. Der ist auch im Abenteuer geblieben, hat allerdings durch den Wegfall des ganzen Garlthik-Rahmens nur eine kleine Alibi-Rolle bekommen und verkommt daher zu reinem Selbstzweck. Sehr schade.
Doch bei all dem Gemecker sollte nicht der Eindruck entstehen, die Überarbeitung hätte das Abenteuer insgesamt verschlechtert. „Seach for Wisdom“ hatte seinerseits einige brachiale Probleme und war vor allem in vielen Punkten schlichtweg nicht kompatibel zu dem Barsaive, dass in den Folgejahren erwachsen ist, wie es ja sogar für einige der offiziellen Abenteuer gilt. Es ist gut, dass derartige Scharten herausgeschliffen worden sind; leider nicht ganz ohne neue Kratzer zu verursachen.
Doch im Herzen des Szenarios geht es ja auch weder um Garlthik noch um intrigante Kratas-Bewohner, sondern um einen Dungeon. Denn nicht umsonst trägt das Abenteuer den Titel „Runvir‘s Tomb“ – Runvir war ein Trollkönig in Ustrect und in seinem Grabmal ruht der Orakelbrunnen, in seinem Grabmal ist Skarvik gefangen.
Dabei hat man zum Glück keinen der klassischen, schrecklichen „verhungernde Goblins hausen neben verhungern Drachen in einer Höhle“-Dungeons entworfen, sondern einen schlüssigen, alten Tempel konstruiert, glaubhaft und doch spielgeeignet. Es sind verhältnismäßig wenig Rätsel dort zu finden, dafür gibt es aber viel zu entdecken. Die Gegner sind mit Ausnahme des Dämons Untote, vornehmlich Kadavermenschen. Nur Dorthial, letzter Questor Mynbrujes in diesem Tempel, ist noch einmal etwas Besonderes geworden: ein Demiwraith, also ein leibhaftiges Dämonenkonstrukt.
Skarvik selber ist von eher einfachem Gemüt. Zwar ist er ein benannter Dämon, subtil ist er aber nicht. Er ist in dem Grabmal durch die Kraft der Passion gefangen und braucht neues Karma, um gewissermaßen das Siegel zu brechen; insofern ist er mehr als erfreut, mit den Charakteren nach Jahrhunderten endlich frische Beute zu erlangen.
Das Abenteuer lässt mich inhaltlich gespalten zurück. Der ganze Plot rund um Jorgin gefällt mir eigentlich nicht so gut, weder in der alten noch der neuen Fassung. Irgendwie ist das alles schon zu oft dagewesen und gerade der ganze Handlungsfaden um die Söldnergruppe, die der Heldengruppe folgen und ihr das gesuchte Artefakt abjagen soll, während er nach außen hin den Bluteid schwört, gefällt mir nicht. Die weiter oben aufgeworfenen, inhaltlichen Fragen lassen sich sicherlich beantworten, nicht aber – zumindest in meinen Augen – befriedigend beantworten. Andererseits ist Runvirs Grab schön ausgestaltet und präsentiert und zweifelsohne in jede Kampagne schön einzuarbeiten.
Auf der Haben-Seite kann das Buch dabei neben der schönen Optik auch erneut eine sehr gute Präsentation verbuchen, denn wie schon „Journey to Lang“, so ist auch „Runvir‘s Tomb“ praktisch ohne Vorbereitung „by the book“ bereit, geleitet zu werden. Das ist sehr lobenswert und wenn auch nicht jedes Abenteuer auf dem Markt so sein muss, so ist es doch mittlerweile fast eine vergessene Tugend.
Unter‘m Strich hat mir „Runvir‘s Tomb“ aber marginal schlechter gefallen als Shard Nr. 1. Bei 2,95 Dollar macht man aber sicher nichts falsch und wer Earthdawn spielt, der sollte sich auch RedBricks zweite „Shard“ nicht entgehen lassen.
Name: Runvir's Tomb
Verlag: RedBrick
Sprache: Englisch
Autoren: David Caraley, überarbeitet von Carsten Damm
Empf. VK.: 2,95 US-$
Seiten: 66{jcomments on}