Drachen von Barsaive, Die

Jede Welt hat ihre Legenden...
Sie verdunkeln das Land mit ihren Schatten...
Sie sind die wahren Herren Barsaives
vom Backcover von Die Drachen von Barsaive

Das hat lange gedauert. Gut, damit hätte ich bisher jede einzelne Rezension eines Earthdawn-Produktes von Games-In einleiten können, doch gerade auf die vorliegenden 'Drachen' habe ich, subjektiv, doch sehr lange warten müssen.
Seit mehreren Jahres erfuhr ich auf jeder Con atemberaubende News, hörte, dass es mal wieder im Druck sei, erfuhr, man habe für 25.000 Euro Bilder dafür fertigen lassen, nur um solche Nachrichten eine Con später wieder widerrufen zu bekommen.
Aber gut, 2004 ist nun also das Jahr und "Die Drachen von Barsaive" liegt vor mir.

Es hat sich einiges getan, das ist offensichtlich. Das Buch ist sehr edel matt eingeschlagen mit einem glänzenden Logo am oberen Rand (Exalted-Spieler kennen diese nette Spielerei von den Hardcover-Büchern der Reihe). Das Cover ist optisch sehr ansprechend und zeigt einen Magier auf eine Lava-umrandeten Säule, der mit einem Blitz einen Drachen erlegt. Gut, der Earthdawn-Kenner in mir wundert sich, denn angefangen bei der Gandalf-Optik des Magiers über das Design des Drachen bis zu der Tatsache, dass er da scheinbar Erfolg in seinem Tun hat, wird man das Gefühl nicht los, dass da was nicht stimmt.
Aber hey, es sieht gut aus!

Das Backcover zeigt einen noch dubioser aussehenden Drachen – später sollen wir erfahren, dass das Bergschatten sein soll – und den Text vor einer Art orangem Steinuntergrund. Sieht ungewohnt aus, aber der Schritt hin zu etwas Neuem war ohnehin überfällig.
Das Innendesign setzt all diese Trends fort. Zunächst mal wurde das komplette Seitenlayout umgestrickt, es gibt nun einen Balken am linken oder rechten Außenrand der Seiten inklusive dem Titel des jeweiligen Kapitels – das sieht dann nicht nur gut aus, sondern erhöht auch noch die Übersicht!
Die Schrifttypen wurden nicht verändern, aber das Artwork ist komplett neu. Hier zeichnet sich ein einziger Mann für alles, vom Cover über die wiedergekehrten Farbtafeln (!) bis hin zur schwarz-weißen Innenillustration und der Karte am Ende verantwortlich: Horst Laber. Eine zweischneidige Sache.
Einerseits, ganz klar, sind sie wirklich hervorragend gezeichnet. Die Farbtafeln sind farbkräftig, mit deutlichen Konturen und schönen Details, die Innenillustrationen gemahnen an einen traditionellen Zeichenstil und sind ebenfalls sehr schön geraten.
Das Problem hierbei ist nur, dass man dem guten Mann offensichtlich nie wirklich erklärt hat, was er da malen soll. Klar, er malt Fantasy; klar, er malt Drachen – und das alles gut. Aber was er nicht malt, ist Earthdawn.
Der wilde Mittelalter/Antik-Mix bei den Figuren wirkt ebenso eigentümlich wie das komplette Fehlen von Orks, Trollen, Obsidianern, T'skrang oder Windlingen auf den Bildern oder die eindeutige Fehlproportionierung der Drachen (man sehe sich die Farbtafel des fast niedlich-kleinen Eisschwinge an...). Sehr schade, denn die Qualität der Bilder ist wirklich, wirklich hochwertig.
Insgesamt gefällt der Band optisch, aber der kleine Schmutzfleck auf dem neu polierten Auto bleibt; hoffentlich erklärt man dem Zeichner bis zum nächsten Buch, was er da tun soll.

Positiv aufgefallen ist mir über weite Strecken das Lektorat, denn zwar gibt es noch manche Typos im Buch (wertvolle Chätze etwa...), aber das Gesamtbild geht in Ordnung. Auch das Layout ist weitestgehend fehlerfrei, wobei neben einer verrutschten Zeile eigentlich nur die Karte mit den Drachenhorten am Ende des Buches negativ auffällt, bei der etwa die Hälfte der Beschriftungen "verloren gegangen" ist.

Aber kommen wir endlich mal zum Inhalt.
Präsentiert wird, im großen und ganzen, was FASA dereinst bei ihrem großen Abgang als "Dragons" ins Netz geschaufelt haben, allerdings teilweise leicht erweitert. Direkt ein Querlesen überzeugt den Leser schon mal davon, dass hier einmal mehr intime erzählt wird.
Nicht der grässliche, oberflächliche Stil, den sich LR Games noch jüngst mit "Scourge Unending" geleistet hatten, sondern ganz im Stile der "Kreaturen von Barsaive" oder "Dämonen", stimmungsvoll geschildert.
Nach entsprechender Einleitung äußert sich dann zunächst einmal Vasdenjas "Über das Wesen der Drachen". Alles was einen da interessieren könnte, vom Lebenszyklus bis zur Drachenmagie, wird hier beschrieben. Keine Regeln allerdings, die kommen am Ende, sondern Schilderungen, wie all diese Themen in der Spielwelt gesehen werden.
Gleiches gilt auch für das zweite Kapitel "Über die verschiedenen Arten von Drachen". Leviathane, Cathaydrachen, Gefiederte Drachen, Große Drachen und Drachenähnliche (Drakos, falsche Drakos, Hydras und Lindwürmer) werden hier genau betrachtet.

Danach wird die Urheberschaft der Texte jedoch gewechselt und es folgt eine Art Spionagebericht aus dem Hause Denairastas, der einen Großteil des Bandes einnimmt. Hier werden, der Reihe nach, die großen Drachen Barsaives vorgestellt. Von Aban, Alamaise und Bergschatten über Asante, Nachthimmel, Eisschwinge, Erdwurzel, Kohlengrien und Usun bis hin zu Vasdenjas und Vestrivan sind hier alle schweren Kaliber vertreten. Auf insgesamt 65 Seiten werden dort zu jedem der Drachen Lebensraum, Persönlichkeit, Interessen, Beziehungen zu den anderen Drachen, Diener und alle sonstigen, irgendwie interessanten Informationen. Sehr interessante Lektüre!

Abgerundet wird das Buch dann noch mit einigen technischeren Erklärungen, nämlich 18 Seiten mit dazugehörigen Regeln, den Werten typischer Drachen (keine Sorge, keine speziellen Stats für die vorher beschriebenen großen Jungs und Mädels) und neuen Kräften, sowie vier Seiten dazu zur Verwendung von Drachen im Spiel.
Davon riss zwar nichts Bäume aus, aber trotzdem geht auch hier die Qualität in Ordnung.

Zwei Seiten zum bisher ausgebliebenen Drachen, Denairastas, ein guter Index und – nicht zu vergessen – die etwas verunglückte Karte, auf die ich am Anfang schon einging, runden das Buch dann ab.

Tja, ein Fazit fällt da recht leicht, denn optisch (mit Einschränkungen) und vor allem inhaltlich stimmt hier eigentlich alles, vom gebotenen Material wie auch dem Stil, in dem es präsentiert wird.
Drei Haken hat die Sache allerdings. Einerseits ist das Buch mit knapp 30 Euro für weniger als 150 Seiten schon so richtig, richtig teuer, bekommt man für das Geld bei White Wolf doch schon doppelt so dicke Bücher im Hardcover. Ebenso muss man dann noch bedenken, dass das Thema Drachen auch für manche Gruppe recht mächtig ist und, drittens, das Buch natürlich großenteils schon seit Jahren gratis im Netz zu bekommen ist.
Daher ordne ich das Buch nicht zu den absoluten Kauf-Empfehlungen, aber wer – wie so viele Earthdawn-Spieler – endlich mal wieder ein hübschen und inhaltlich gutes Buch in den Händen halten will, der sollte "Die Drachen von Barsaive" mal ganz eng unter die Lupe nehmen!


Name: Die Drachen von Barsaive
Originaltitel: Dragons Verlag: Games-In Verlag
Sprache: Deutsch
Autoren: Paul Beakley, Robert Boyle, Roger Gaudreau, Steve Hammond, Steve Kenson und Diane Piron-Gelman
Empf. VK.: 29,95 Euro
Seiten: 143{jcomments on}