Vergessene Tal, Das
Ungeheurer Reichtum scheint den Helden zu Füßen zu liegen. Mächtige Artefakte, eine geheimnissvolle Maschine und Reisen über Barsaives Grenzen hinaus verwickeln die Helden in Schwierigkeiten. Können sie das Geheimniss des Zogrintals lüften?
vom Backcover von Das Vergessene Tal
Lieber Leser, es war einmal eine Zeit, als es in einem schönen Land namens Deutschland ein Rollenspiel gab, das viele Menschen glücklich machte. Dieses Rollenspiel ermöglichte es Spielern in eine Welt abzutauchen, welche sehr magielastig war und wunderbare narrative Texte in ihren Quellenbüchern nutze. Doch dann starb der Riese, der über dem weitem Meer gelebt hatte und der Vater des Spiels war. Die Anhänger des Rollenspiels trauerten bitterlich, doch ehrten sie sein Andenken und schrieben neue Geschichten für diese Welt. Und da diese Anhänger nicht nur loyal, sondern auch begabt waren, entstanden edle Werke. Zwar erhob sich im Süden Deutschlands ein Wesen das beanspruchte diese Welt zu beherrschen, doch von dessen halbherzigen Anstrengungen liessen sich die Getreuen nicht beirren. Sie schrieben weiter und die Welt erblühte. Und diese Welt nennt sich: Earthdawn.
Willkommen lieber Rezensionsrezipient! Man verzeihe mir diese abschweifende Einleitung, aber ich kann nicht verneinen das lange, lange Zeit Earthdawn mein Lieblingsrollenspiel war. Ich war begeistert von der deutschen Community und was sie auf die Beine zu stellen vermag. Aber das Wesen aus dem Süden hatte es dann irgendwann geschafft mich mit garstigen Geschichten über seine Taten von diesem Spiel zu entfremden...
Ein weiteres Beispiel für diese aktive und kompetente Gemeinschaft von Fans liegt mir nun zur Rezension vor. "Das Vergessene Tal" ist eine inoffizielle Earthdawn Kampagne von http://www.ardanyan.de . Sollte man sich noch überlegen an dieser Kampagne als Spieler teilzunehmen, sollte man von hier aus am besten zum Fazit am Ende springen um sich nicht von der Spannung zu nehmen. Die Rahmenhandlung der Abenteuer dreht sich um das namensgebende Tal und dessen Problem. Vor der Plage wurde nämlich dort eine Wetterkontrollmaschine errichtet, von der einige Teile sich über ganz Barsaive (und darüber hinaus) verteilt haben. Um das Tal wieder zu der blühenden Landschaft zu machen, die es einst war, machen sich nun die Charaktere auf um die Teile zu suchen. Dazu müssen sie eine Reihe von Einzelabenteuern bestreiten um immer mal wieder ein Teil zu ergattern. Und damit muss ich direkt mal anfangen zu meckern und das noch bevor ich auch nur über eines der Abenteuer vorgestellt habe. Die Verknüpfung der Abenteuer durch die Maschinenteile wirkt in den meisten Fällen arg bemüht. Vermutlich hat hier jeder der Autoren (ich verwende hier einfach mal die männliche Form, trotz der einen Autorin) eines seiner Lieblingsabenteuer niedergeschrieben und das Teil der Wettermaschine dann hineingequetscht.
Aber dazu im einzelnen mehr.
Der Sturm des Grauens (Michael Jahn / Javen)
Dieses Abenteuer steht zwar am Anfang des Bandes, muss aber nicht zwangsläufig das erste Abenteuer sein, das die Gruppe spielt. Sämtlich Abenteuer können in einer beliebigen Reihenfolge miteinander verknüpft werden.
In diesem Abenteuer landen die Helden auf der Suche nach den Teilen auf einer Insel, die von einem Sturm bedroht wird. Dieser wird allerdings durch eine Elementaristin und einen seltsamen Gegenstand vereitelt. Clevere Spieler kommen natürlich darauf, das es sich hierbei um das gesuchte Teil handeln muss. Weitere Verhandlungen werden aber erschwert, als die Elementaristin tot aufgefunden wird und die Spielercharaktere natürlich als Verdächtige gelten, da auch das gesuchte Objekt verschwunden ist. Allzubald taucht dann auch ein Dämon auf, der es sich zur Aufgabe gemacht hat die Siedlung auszulöschen wenn ihm nicht die Seelen der Kinder geopfert werden. Da der Dämon auch den Sturm zu kontrollieren scheint, müssen die Charaktere wohl oder übel etwas unternehmen...
Das Abenteuer ist an sich klassisch aufgebaut und bietet keine weltbewegenden Neuerungen. Aber das muss es auch nicht. Es ist gut geschrieben und erfüllt seinen Teil der Kampagne. Wenn ich auch sagen muss, das der Dämon ziemlich stark geraten ist. Gerade im Kontext mit dem anderen Abenteuern, wo in den seltensten Fällen Werte angegeben sind, fällt dadurch eine Skalierung an die Stärke der Abenteurer schwerer.
Kuriositäten (Eike-Christian Bertram / Armatoth)
Ein sehr gelungenes Abenteuer, bei dem es vor allem wichtig ist die NSCs und die Lokalitäten auszuspielen. Denn es wird praktisch nur in und um eine Taverne gespielt, in welche die Charaktere versuchen müssen zu gelangen. Da ein Einbruch oder gewalttätiges Vorgehen für jede vernunftbegabte Gruppe in einer solchen Situation eh untersagt bleibt, bleibt nur Rollenspiel. Es dreht sich um einen verschrobenen Sammler, der viele kuriose Gegenstände magischer Natur seiner Sammlung einverleibt hat. Er veranstaltet einmal die Woche ein Treffen mit einigen Adepten und Händlern bei sich um über die Magie und Welt zu diskutieren. Da es sich dabei um eine Art geschlossenen Club handelt, müssen die Charaktere sich erstmal bei einem der Mitglieder einschleimen, damit dieses sie dann empfiehlt. Es sind direkt diverse, sehr interessante NSCs angegeben, welche Mitglieder des Clubs sind, aber dem SL steht es natürlich frei eigene dazu zu erfinden. Schaffen die SCs es dann einmal zu der Sammlung vorgeführt zu werden, so sehen sie bizarre Gegenstände wie schwebende Finger die einem in der Nase bohren, Stühle die immer pfurzende Geräusche erschaffen wenn sich jemand setzt und dergleichen. Der Sammler wird sich von seinem Stück der Maschine trennen, falls die Charaktere ihm etwas für seine Sammlung beschaffen könnten, aber dies bietet schon wieder Raum für ein neues Abenteuer.
Der Wettbetrug (Björn Fähler / Smaug18)
Hierbei kommt ein Dieb in Besitz eines der Teile der Wettermaschine, welches ihm ermöglicht, kurzzeitig in die Zukunft sehen zu können. Da gerade die Hach'var-Meisterschaften laufen, nutzt er diese Gelegenheit um einige Wetten zu plazieren. Die Charaktere können ihn dabei beobachten wie er das Teil anwendet. Er ist bereit den Gegenstand abzutreten, wenn die Scs dafür sorgen das seine Favouritenmannschaft gewinnt. Ihm wird der Pflaster zu heiß und einige Buchmacher wittern bereits Betrug. Nun steht es den Charakteren frei etwas zu tun, sei es nun dafür zu sorgen das einige Spieler der Gegenmannschaft nicht zum Spiel erscheinen können, das sie selbst bei dem Spiel teilnehmen, etc. Genügend Ansätze und NSCs (allen voran die Spieler beider Mannschaften) sind auf jeden Fall vorhanden. Cool! Und vor allem weil ich Hach'var als Sportart richtig cool finde :).
Eine lange Reise beginnt (Florian P.M. Kohn / Ghrik Donnerfels)
Ach ja, das Abenteuer haben wir ja auch noch. Okay, also mal zusammenfasst: Die Helden werden als Sklaven genommen, verlieren all ihren Besitz, werden nach Marac (Nordafrika) gebracht, fliehen dort aus einer Fabrica, gelangen auf eine Insel, tauschen dort die Körper mit einigen Helden aus Indrisien (Indien) und verhauen einen Vertreter der dortigen Passionen, der sich Steine in den Kopf implantiert hat. Dann dürfen sie wieder zurück. Ich muss sagen, das es stellenweise genauso konfus liest, wie es sich in der Zusammenfassung anhört. Es ist mir klar VIEL zu viel in ein Abenteuer gepackt worden. Auch ist es einfach mit so abgedrehten Sachen gefüllt, das es mir sogar für die hochmagische Welt von Earthdawn zu viel ist. Achja, der Typ mit den Steinen im Kopf hat ein Teil der Maschine. Ne, das hier ist nichts geworden...
Die Bestie des Grünen Tals (David Bendfeld / Chronist)
Die Charaktere gelangen in ein nahezu paradiesisches Tal, in welchem die Namensgeber unter der Führung eines alten Elfenweisen friedlich zusammenleben. Doch der Frieden wird gestört als ein Wesen grausame Morde begeht. Die Charaktere kommen dem Wesen auf die Schliche und auch der Person die dahintersteckt. Wieder ein einfacher Plot, der aber sehr schön umgesetzt wurde. Die NSCs sind interessant, das Setting reizvoll und die Schreibe gut. Fein.
Unter der Schwinge des Raben (Simon Bauer / Zippozipp)
Ein Magier soll angeblich eines der Maschinenteile haben und es als Instrument seiner Rache gegen einen anderen Magier einsetzen, der seine Familie getötet haben soll. Die Charaktere können ihn aber überreden, das er vorerst auf seine Rache verzichtet und er sie erstmal ermitteln lässt. Sollte sie den Mörder seiner Familie zur Strecke bringen, so wird er ihnen das Teil überlassen. Die Charaktere suchen den vermeintlichen Mörder auf, erkennen aber das es sich bei ihm um einen ehrenhaften Garlenquestor handelt. In Wahrheit hat dessen Bruder, ein Illusionist, die Familie des Magiers entführt und die Illusion erweckt sein Bruder hätte sie getötet. Der Illusionist erhofft sich damit das Erbe, das eigentlich dem Questor zusteht, selbst einzukassieren.
Der Plot ist okay, aber es stören mich hier einige Kleinigkeiten. Das Haus des Magiers wird von drei Kristallgolems bewacht, die niemanden vorbeilassen. Einzige Möglichkeit in das Haus zu gelangen ist einen alten Freund des Magiers aufzusuchen und ihm eine magische Sanduhr abzuschwatzen, welche die Golems für eine Minute abhält. Irgendwie offenbart sich mir der Sinn eines solchen Gegenstandes nicht. Wenn der Magier seinen alten Freund den Zutritt ermöglichen wollte, wieso hat er dann nur einen Gegenstand, der ihm eine sichere Minute vor den Golems bringt, bevor sie ihn bewusstlos schlagen? Trotzdem aber nicht schlecht.
Ein alter Fall (Patricia Renau / Mhara)
Kaum hat sich einer der Charaktere mal in eine gutaussehende Person, die auch noch kampfstark zu sein scheint verliebt, gerät man auch schon in Schwierigkeiten. Der (oder die) geheimnissvolle Fremde übt nämlich Rache an den Schurken, die dereinst (seine / ihre) Familie getötet haben. Zwar sind zuerst die Charaktere verdächtig, da sie in der Nähe einiger Leichen gesehen wurden, aber nachdem (sein / ihre) Rache genüge getan wurde, stellt (er / sie) sich der Justiz und wird hingerichtet.
Das Abenteuer lebt weniger von dem Plot, sondern vielmehr von der moralischen Frage, ob das Faustrecht vertretbar sei. Bietet sicherlich Diskussionsstoff noch über das Abenteuer hinaus und sehr intensives Rollenspiel im Abenteuer selbst.
Holloforns Flasche (Eike-Christian Bertram / Armatoth)
Der mächtige Magier Holloforn verschloss vor der Plage eine ganze Stadt in einer Flasche um sie zu bewahren. Als Stopfen verwendete er ein Teil der Maschine, der aber erst entfernt werden kann, wenn die Stadt befreit wird. Aber zunächst müssen die Charaktere Nachforschungen anstellen, ein Kaer befreien und magische Gegenstände suchen. Klassische bzw. epische Story für Earthdawn, schön umgesetzt.
Nachdem die Charaktere alle Teile gefunden haben, können sie das Tal wieder zu dem machen was es einst war: ein Wunder der Magie.
Legendenpunkte sollen vom Spielleiter gegeben und an das Niveau angepasst werden, Gold und Silber gibt es wohl nicht, aber das muss ja auch nicht immer sein.
Fazit
Wenn man Earthdawn spielt und vor allem leitet, dann sollte man sich diese Kampagne auf jeden Fall herunterladen, ausdrucken und spielen, denn sie ist wirklich gut geworden. Auch das Artwork besticht zwar nicht durch Quantität, ist qualitativ aber gut. Besonders das Cover finde ich stimmungsvoll.
Earthdawn forever, baby!
P.S.: Die Kampagne ist unter http://www.ardanyan.de zu finden.
Name: Das vergessene Tal
Verlag: Fanprojekt
Sprache: Deutsch
Autoren: David Bendfeld, Eike-Christian Bertram, Florian P. M. Kohn, Patricia Renau, Michael Jahn, Björn Fähler, Simon Bauer
Empf. VK.: Nix!
Seiten: 148{jcomments on}