Arkane Geheimnisse Barsaives

Da ist dieser Zauber, den ich für dich bereitet habe
vom Backcover von Earthdawn – Arkane Geheimnisse Barsaives

Es hat ja mal wieder lange gedauert. Zugegeben, 2006 legen Games-In soweit einen akzeptablen Schnitt hin, was ihre Earthdawn-Veröffentlichungen betrifft, doch bedenkt man, wie lange einem „Arkane Geheimnisse Barsaives“ schon versprochen wurde, macht das auch nichts mehr. Zwar hieß das Buch zwischenzeitlich auch mal einfach nur „Arkane Geheimnisse“ oder auch „Arkane Mysterien“, zwar zeigte man sich bei GI erfinderisch und schrieb „Arkane“ dann auch schon mal „Arcane“, aber letztendlich liegt nun ein finales Produkt vor uns.
Und ein waschechtes Games-In-Produkt ist es geworden, wie schon das Cover zeigt. Das Original hatte ein Laubenstein-Titelbild, was schon nicht gerade das schönste Motiv der Reihe war, doch was Horst Laber (wer auch sonst) mal wieder für die Deutsche fabriziert hat, das spottet jeder Beschreibung.
In einem Hinterhof in einer Ruinenstadt, mit der typischen „Ich bin Earthdawn, ich brauche Maya-Pyramiden“-Architektur im Hintergrund, stehen da drei Gestalten. Eine ist klein und steht mit dem Rücken zum Betrachter. Eine ist grauhaarig und wird allein von ihren Brüsten als Frau ausgewiesen, was ich dem Gesicht jetzt so nicht entnommen hätte. Doch während die schon offenbar nicht aufgepasst hat, als die Passionen die Schönheit ausgaben, ist ihr Gegenüber ... ist ihr ... ich weiß nicht, was ihr Gegenüber ist. Es ist eine Art Gendefekt-gezeichnete Kreuzung aus einem Earthdawn-Ork mit einem Warcraft-Ork und einem nordischen Troll, würde ich jetzt mal sagen. Hat sich bei uns jedenfalls schon die politisch höchst fragwürdige Bezeichnung "Contergan-Ork" gefangen. Zusammen wirken sie einen Zauber, der dazu führt, dass ein Kopf über einem dampfenden Kessel schwebt.
Herrje, das ist übel. Ich glaube, ich hatte 2006 noch nichts auf meinem Rezi-Stapel liegen, dessen Cover so zum brechen ist. Yuck!

Das Layout orientiert sich dabei am neuesten GI-Grundbuch. Das ist gut. Allerdings hat Laber dieses Mal auf den kleinen Navigator am Rand verzichtet, der einem verraten könnte, wo man im Buch gerade ist. Das ist eine kleine Katastrophe.
Ohne vorgreifen zu wollen – einen großen Teil des Buches füllen neue Zauber, die nach den Disziplinen geordnet wurden. Jetzt wäre es ja schön, wenn ich es einfach mal so aufschlage, wenn ich dann sehen würde, für wen „Wasserflügel“ denn jetzt gemacht ist – tue ich aber nicht. Statt dessen muss ich mich zurückblätternd durch das Buch bewegen, bis mir die Erkenntnis kommt – im Abschnitt für Magier war ich also gerade. Kreis 3, übrigens.
Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis verheißt dabei noch eine Schreckenskunde, denn einen Eintrag für einen Lektor gibt es diesmal nicht. Warum denn auch? Wäre ja langweilig so... Zwar haben sie es dieses Mal geschafft, sich bei „FASA Corporation“ mal nicht zu vertippen, dafür geht der Patzer des Monats auch klar an Laber, denn – achtung, aufgemerkt – die Illustration auf Seite vier steht auf dem Kopf!!
Nun ist das keine abstrakte Kunst, sondern eine Szene, in der eine Reihe von Gestalten um einen Zauberkessel (oder so) herum stehen. Ich meine, hey, Leute, das kann doch nicht wahr sein! Da wird so viel Energie in das Buch gesteckt – ein neues Cover, bisweilen neue Illus (passen nicht so wirklich, aber okay...), das neue, an sich schöne Layout. Aber dann wird das alles mit einem Dilettantismus und einer Stümperei mit Füßen getreten, bis es nicht mehr zuckt. Bitter.

Aber kommen wir mal lieber zum Inhalt des Buches. Ziemlich genau die erste Hälfte des Buches nehmen die neuen Zaubersprüche ein. Die sind für die vier Hauptspruchzauberer gedacht, der Schamane kriegt zwar eine aktualisierte Spruchliste, muss aber weiter „teilen“.
Die neuen Sprüche sind dabei von durchweg hoher Qualität und es stecken tolle Einfälle darin. Etwa in „Blendende Zurschaustellung logischer Analyse“, einem neuen Zauber für Magier, mit dem man ganz wunderbar umstehende Leute zutexten kann. Oder „Siechen“, einem machtvollen Geisterbeschwörer-Zauber, der das Opfer durch kränkliche Abmangerung bis zum Tode bringen kann.
Ebenfalls erstmalig an Bord sind Zauber höherer Kreise, bis hin zum fünfzehnten Kreis reichen (Ausgenommen die Illusionisten, deren höchster Zauber ist im vierzehnten Kreis zu finden). Das sind dann richtige Brummer und wirklich Einzelstücke, aber wer schon immer mal untote Armeen ausheben oder Städte in Flaschen hineinzaubern wollte, der findet hier das nötige Werkzeug.

Im Anschluss gibt es dann noch knapp zwanzig Seiten neue Kniffe sowie etwa dreißig Seiten mit neuen Gegenständen. Bei Letzteren ist so ziemlich alles dabei, von neuen Salben und anderen Gebrauchsgegenständen bis hin zu magischen Einzelstücken, alles ist zu haben. Besonders angetan hat es mit dabei auch die Verschlusssalbe, die es endlich auch mal ermöglicht, Wunden direkt zu heilen.

Abgerundet wird „Arkane Geheimnisse Barsaives“ von umfangreichen Listen, etwa eine langen Übersicht über alle Zauber des Systems, zusammen mit allen relevanten Angaben und der jeweiligen Quelle. Leider scheinen hier auch die linke und die rechte Hand der Macher mal wieder unabhängig voneinander gehandelt zu haben und es wird nirgends erwähnt, dass die Zauber aus anderen Büchern als dem Grundbuch weitestgehend nebst 2nd-Edition-Frischzellenkultur nun auch im Buch zu finden sind. So ist‘s ja nett, dass der Zauber „Geschichte erzählen“ für Magier im Kompendium auf S. 93 stand – dass er jetzt in dem vorliegenden Buch ebenfalls auf S. 59 zu finden ist, wäre nett zu wissen gewesen. Zumal das Buch keinen reinen Index besitzt und man dank dieser Tabelle hier doch ab und an ans Blättern kommt. Zumal etwa die Zauber aus dem Magie-Buch nicht enthalten sind.

Am Ende bin ich bezüglich des Buches zweigeteilt. Der Inhalt ist größtenteils nützlich, die Präsentation dagegen in weiten Teilen eher mies geraten. Das neue Cover ist Mist, das Layout sehr unübersichtlich und ein Lektorat wäre nicht nur der Pannen, sondern auch der Inkonsistenzen halber nötig gewesen. Der Preis von 24,50 Euro für 128 Seiten im Softcover ist dabei sicher auch kein Schnäppchen, aber noch am Rande des Erträglichen.
Wer Earthdawn spielt, der wird wohl zugreifen. Die Sprüche sind nützlich, die Artefakte einfallsreich, Kniffe immer gut und für Spielleiter gibt es sogar die ein oder andere Anregung zur Plot-Gestaltung.

Leider aber hat man hier viel Potential verschenkt.
Eine galgenhumorige Pointe noch zum Schluss: Nur wenige Wochen nach Erscheinen von „Arkane Geheimnisse Barsaives“ konnte man aus dem Games-In-Lager leuten hören, dass „Magie – Handbuch mystischer Geheimnisse“ so gut wie ausverkauft sei.
Grandios, kaum ist das „Geheimnisse“ endlich raus, geht der Band, den es ergänzen soll, der Band, in dem die ganze Magietheorie des Spiels steht, aus dem Druck? Und das war nicht zu ahnen? Man hätte da keinen neuen Gesamtmagieband machen können?
Ich werde den Spieleverlag aus München nie verstehen...
Name: Arkane Geheimnisse Barsaives
Verlag: Games-In Verlag
Sprache: Deutsch
Autoren: Randall N. Bills, Jennifer Brandes, Zach Bush, Chris Hepler, Steve Kenson, Jouis J. Prosperi et al; Deutsch von Ulrike Bogdan
Empf. VK.: 24,50 Euro
Seiten: 128{jcomments on}