Player's Compendium
The Player‘s Compendium is the definitive book for Earthdawn players, taking characters from the First to Fifteenth Circle in their Disciplines. This book contains everything your character needs for yerars of play, featuring revised and updated game mechanics, hundreds of spells, talents, knacks, skills and much more.vom Backcover von Earthdawn – Player‘s Compendium
Also noch mal von vorne:
Am Anfang waren FASA. Die brachten Earthdawn in der ersten Edition heraus. Hierzulande kam es über FanPro auf deutsch heraus. FanPro erwarb dann aber DSA und kehrte Earthdawn den Rücken, verkaufte es an die Münchener Klitsche Games-In.
FASA schlossen als erster großer RPG-Verlag in Amerika vollständig die Pforten und ihre Lizenzen flogen fortan etwas konfus umher, Earthdawn bald aber zu Living Room Games (LRG) in Amerika. Die brachten die Second Edition auf den Markt, deren deutscher Counterpart ebenfalls bei Games-In erschien. Genau genommen zwei Mal, denn ein Mal in einer vollständigen (die im Hardcover) und ein Mal in einer fehlerhaften Version (die im Softcover). Und nun sind da RedBrick. RedBrick sind aus Neuseeland, wenn der neue Line Developer Carsten Damm auch aus Deutschland kommt. Und RedBrick haben ebenfalls eine Earthdawn-Lizenz, nur nicht die, die LRG haben. RedBrick machen etwas, dass als „Earthdawn Classic“ begann, also pro forma neu arrangierte Neuauflagen der Bücher der ersten Edition. Dass das Buch dabei vor Errata eigentlich schon eher eine alternative Second Edition geworden ist, dazu kommen wir gleich noch. Damit hat man als deutschsprachiger Kunde nun also drei verschiedene englische (1st, 2nd und eben diese hier) und zweieinhalb deutschsprachige (1st, 2nd falsch, 2nd richtig) Fassungen auf dem Markt und muss nun beim Kauf zumindest abwägen, ob man nun 2nd oder "Classic" kauft.
Aber genug der Vorrede, beschauen wir uns doch mal das Buch. Das „Earthdawn Player‘s Compendium“ (EDPC) ist sicherlich das wuchtigste Grundregelwerk des Spieles bisher geworden. Es ist stolze 522 Seiten schwer und damit deutlich dicker als selbt die aktuelle, deutsche Ausgabe der „2ten Edition“ (368 Seiten), jedoch zusätzlich mit kleinerer Schrift und breiteren Spalten.
Das EDPC ist auf dreierlei Wegen zu besitzen. Zunächst einmal gibt es eine PDF-Version über DriveThru zu kaufen. Die eBooks des Verlages sind von hoher Qualität, ob man aber einen solchen Wälzer online konsumieren mag, muss jeder selber wissen.
Alternativ dazu vertreiben RedBrick die Bücher über eine Print-on-Demand-Druckerei namens Lulu, was jedoch außerhalb der Staaten etwas fummelig ist, denn Aufwand und Porto sind eben doch höher als bei einer Bestellung über einen der gewohnten Webshops oder ein Kauf beim Local Dealer.
Kauft man es aber dann bei Lulu, so kann man noch zwischen einer Soft- und einer Hardcover-Ausgabe wählen, wobei für diese Rezension die Hardcover-Ausgabe vorliegt. Die ist eindrucksvoll dick und eigentlich toll verarbeitet. Der Einband ist extrem stabil und die Bindung gehört zum Besten, was ich seit Jahren zu Gesicht bekommen habe. Sehr robust, sehr flexibel – toll! Wo die Ausgabe allerdings Negativpunkte sammelt ist beim Papier, denn Lulu druckt mehr oder weniger in Qualität eines besseren Copyshops auf normales 80gr-Papier. Das ist kein Untergang, aber man ist das von der Konkurrenz einfach Besseres gewöhnt.
Und wo ich es sonst nur als Luxus zähle – bei 522 Seiten wäre ein Lesebändchen echt nützlich gewesen, aber vermutlich bei PoD nicht möglich. Der Preis der Hardcover-Ausgabe ist mit 49,95 US-$ ganz satt, aber nicht überzogen. Die anderen Ausgaben sind entsprechend jeweils billiger.
Das Layout des Buches ist wundervoll geworden. Ein sehr dünner, aber schöner Seitenrand verrät jederzeit, in welchem Kapitel man gerade ist, ein sanft zur Seitenmitte hin verblassendes, aztekisch anmutendes Tribal verschönt das blanke weiß und die Illustrationen sind großteilig noch der alten Ausgabe entnommen. Das ist hier aber kaum als Kritikpunkt zu verstehen – Earthdawn hatte einen sehr eigenen, sehr bezeichnenden Flair. Den haben LRG, auch wenn mir das anfangs selbst nicht so klar war, mehr und mehr durch ihren laienhaften Look demontiert und ich muss schon sagen, als ich auf der SPIEL 2005 vorab von Carsten Damm einmal einen Ausblick auf die neuen Bücher bekam, da wurde mir erst wieder klar, warum ich Earthdawn einst so geliebt hatte.
Kathy Schad hilft mit einigen neuen Zeichnungen aus, der Look ist stimmig, das Layout schlicht und schön – kurzum: so müssen Earthdawn-Bücher aussehen!
Schlägt man das Buch auf und blättert durch, so kommt man nicht umhin zu bemerken, wie viel Material hier eingefügt wurde. Vor allem das Adeptenkapitel ist weitaus umfassender als vorher und umfasst ziemlich genau 100 Seiten. Das ergibt sich daraus, dass die kompletten Texte aus dem Weg des Adepten in das Grundbuch aufgenommen wurden. So gibt es nun etwa statt der alten „Wizard“-Doppelseite gleich ein ganzes Unterkapitel namens „The Way of Mind and Symbol“ mit sechs Seiten Umfang.
Vor allem aber sind endlich und erstmals bereits im Grundregelwerk die Disziplinen vollständig bis zum 15. Kreis enthalten. Luftsegler und Scout haben es natürlich an Bord geschafft, wie mittlerweile zu erwarten, die rassenspezifischen Disziplinen oder Sonderfälle wie der „Horror Stalker“ allerdings nicht.
Doch auch andere Bereiche wurden entsprechend aufgewertet. So sind etwa gleich von Anfang an die Talent Knacks im Grundregelwerk enthalten und auch die Zauberlisten sind komplett. Selbst wuchtige Brummer wie „Call Forth the Maelstrom“ (Elementarist, Kreis 15) oder „City in a Bottle“ (Magier, Kreis 15) sind enthalten. Sehr löblich.
Questorenkräfte, bislang die Domäne des „Earthdawn Companion“ gewesen, sind ebenfalls enthalten, sind aber nach wie vor recht wenige.
Doch während RedBrick dort also ganz offenbar nur wenig verändert haben, sind doch einige sehr markante Änderungen zu bemerken. Das beginnt bei der ganzen grundlegenden Mechanik, denn fortan werden Modifikationen anders geregelt als bisher. War es bislang doch Usus, dass Mali und Boni mit der Stufe des agierenden Charakters verrechnet werden, werden sie nun vom Ergebnis abgezogen. Das ist, ganz theoretisch, erst einmal kein gravierender Unterschied, soll doch die Stufe das durchschnittliche Würfelergebnis einer Probe angeben. In der Praxis ist das aber natürlich sehr spürbar, sowohl vom Feeling her wie auch von der Geschwindigkeit. Denn gerade wer nicht seit Jahren Earthdawn spielt, der hadert doch öfters, wenn er nun durch einen blindwütigen Angriff von Stufe 10 (W10+W6) auf Stufe 13 (W12+W10) steigt. Jetzt würfelt er nach wie vor seinen W10+W6, addiert aber auf das Wurfergebnis den Bonus auf. Mir gefällt‘s, ich kenne aber auch Fans der ersten Stunde, denen es eher aufstößt.
Der Fairness halber sei daher auch kurz erwähnt, dass das „klassische“ System ebenfalls optional noch im Buch zu finden ist.
Doch auch in anderen Bereichen gibt es Änderungen, etwa beim Kampf, wo es nun als optionale Regel die Fähigkeit gibt, nach einem Niederschlag nicht langwierig aufzustehen, sondern gegen Überanstrengsschaden auf die Füße zu springen. Sehr cineastisch und im Sinne des Systems, bislang aber nie möglich gewesen.
Viele andere Änderungen sind weitaus subtiler. Gerade wer schon länger Earthdawn spielt, tut sicherlich gut daran, jeden Skill und jedes Talent noch mal gründlich zu lesen, bevor er es im Spiel verwendet. Viele Details sind hier verändert worden, meist zum Besseren hin, aber teilweise nur auf den zweiten Blick zu erkennen.
Apropos Skills. Bei RedBrick hat man darauf verzichtet, auf LRGs neue Skill-Mechanik der zweiten Edition zurückzugreifen, aber auch hier ist man hier nicht mehr so eingeschränkt wie in der ersten Edition.
Sehr überraschend war es für mich, sogar den Strukturzerfall (Depatterning) hier vorzufinden, war der doch eher eine Domäne der Second Edition, wenn er auch ursprünglich dem Thera-Quellenband entstammt. Zwar bleibt die Regel optional, aber sie ist drin.
Was aber zudem noch auffällt, wenn man durch das gesamte Buch blättert, ist der sehr stringente Schreibstil. Earthdawn ist auch in dieser Edition nicht gerade das System der absoluten und harten Regeln, Grauzonen sind auch hier geblieben. Doch wer sich einmal frühere Earthdawn-Bücher beschaut, gerade etwa zwei, die weit voneinander publiziert wurden, der wird bemerken, wie sehr das Ganze wie Kraut und Rüben anmutet. Hier hat man offenbar merklich Aufwand betrieben, das alles zu vereinheitlichen. Und keine Frage, das ist gelungen.
Ist dies jetzt also endlich die definitive Earthdawn-Edition?
Kommt drauf an, würde ich mal sagen.
Die Regeln vom EDPC sind definitiv schnittig und haben große Vorteile gegenüber den bisherigen Editionen. Gerade die veränderte Würfelmechanik, schätze ich, wird vielen Neueinsteigern das Spiel sehr versüßen, denn mal ehrlich, einzig Nostalgie spricht für das alter System mit den sich verändernden Stufen. Das kommt gerade Einsteigern sicherlich sehr entgegen.
Anders sehe ich es dagegen bei dem schieren Umfang des Buches. Sicher, es ist toll, endlich alles mal gesammelt zu haben, es ist toll, die ganzen Texte mal kompakt zur Sitzung tragen zu können und nicht mit zig Büchern zu hantieren. Nur ist es auch so, dass das Buch unglaublich dick geraten ist. Wenn man nun bedenkt, dass das EDPC ja eigentlich nur die halbe Miete ist und das „Gamemaster‘s Compendium“ den Umfang noch mal um 522 Seiten auf 1044 anhebt, fragt man sich nun doch, wer das alles lesen soll.
Immer öfter hört man, dass eines der Probleme auf dem Rollenspielmarkt die schwere Zugänglichkeit ist – hier hat RedBricks Ausgabe gegenüber der anderen Bücher sicherlich so seine Nachteile. Denn so sehr es einen „alten Hasen“ wie mich freut, endlich mal diese Sammler zu haben, so muss ich doch zu bedenken geben, dass ich das nicht alles noch mal von Grundauf „lernen“ musste. So gibt es zwar eine nette Kurzfassung der Disziplinen zu Beginn der Charaktererschaffung, aber das alte, gemütliche „Blättern“ fällt etwas flach.
Wer nun also ganz neu zu dem Spiel stößt, der muss sich darauf gefasst machen, erst einmal viel zu lesen zu haben, bevor er anfangen kann. Dafür kriegt er dann aber auch eine gewaltige Menge an tollen Informationen, eine stimmungsvolle Hintergrundwelt und merklich gereifte Regeln. Vor allem ist auf den 522 Seiten aber auch kein Wort verschwendet, was das Buch von einigen anderen Backsteinen dieses Kalibers aus dem Rollenspielumfeld abhebt.
Die Bezugsschwierigkeiten sind nicht in die Endnote mit eingangen, sollten aber beachtet werden (s.o.), eine halbe Note geht‘s für den „erschlag mich“-Faktor runter, sonst stimmt hier eigentlich alles. Ein sauberes „noch sehr gut“ also für das EDPC.
Name: Player's Compendium
Verlag: RedBrick
Sprache: Englisch
Autoren: James D. Flowers, Carsten Damm et al
Empf. VK.: Bis 49,99 US-$
Seiten: 522{jcomments on}