Exalted 2nd - Grundregelwerk

The time before our time was not a time pf senseless natural struggle and reptilian rage, but a time of legend, when heroes walked Creation amd wielded the very power of the gods.
- vom Backcover von Exalted: Second Edition{jcomments on}

Etwas einschüchternd wirkt es ja schon, das neue Grundregelwerk zum White Wolf-Rollenspiel „Exalted“. Rund 400 Seiten haben die Autoren sich dieses Mal gegönnt und damit eines der mit Abstand dicksten Grundregelwerke verfasst, die ich besitze. Doch bei Whtie Wolf scheint „Umfang“ derzeit angesagt zu sein, haben innerhalb des gleichen Halbjahres auch bereits „Mage: the Ascension“ und „Chicago“ (beide für die neue WoD) diese Messlatte erreicht respektive gar noch gesprengt.
„Exalted: Second Edition“ (fortan der Einfachheit halber nur als „Exalted“ referenziert) sieht dabei jedoch auch aus anderweitigen Gründen schlichtweg eindrucksvoll aus. Das Cover ist, wie man es vom Vorgänger her kennt, sehr elegant geraten. Zahllose Signature-Charaktere sind da auf verschiedenen Design-Ebenen untergebracht und als wundervolles, matt gedrucktes Bild im Anime-Stil zu sehen, während laminierte Stellen Text und Logo entsprechend abheben. Sehr, sehr schön.
Dann ist das Buch vollfarbig. Anders als die Grundregelwerke der WoD-Hauptlinien nicht nur mit farbigen Elementen, sondern durchgängig vierfarbig mit zahlreichen, teils schreiend bunten Bildern. Einige davon sind alte Motive, die nachcoloriert wurden, andere sehen auch etwas befremdlich oder gar einem D&D-Band entlehnt aus, andere dagegen sind von atemberaubender Schönheit. Man kann über Details streiten, aber insgesamt zählt das Spiel sicherlich zu den Schönsten seiner Zunft.
Auch auffällig sind die Comics. Anders als die comichaften Arrangements in „Eberron“ werden hier echt kleine Geschichten erzählt, die die alten Kurzgeschichten zu Kapitelbeginn ersetzen. Deren Qualität schwankt aber ganz gewaltig, sowohl inhaltlich wie optisch. Aber auch hier gibt es einige Seiten, die einen fast staunend vor dem Buch sitzen lassen und der überwiegende Eindruck ist gut – zumal 400 vollfarbige Seiten im Hardcover für 39,99 US-$ auch mehr als fair sind.
Das aber hat einen Haken, den man keinesfalls aussparen darf. Unter anderem um den Preis dieses Buches halten zu können (so die offizielle Stellungnahme) hat man bei White Wolf die Produktion nach China ausgelagert. Anders als bei den ersten WoD-Bänden aus dem Land des Lächelns ging das hier nicht auf die Qualität des Papiers, wohl aber auf die Bindung.
Der Einband hat zu viel Spiel, die Seiten hängen im Leim wie ein verlierender Boxer in den Seilen, scheinen jeden Moment herauszufallen. Es knackt und ächzt schon seit dem ersten Aufschlagen beim einfachen Blättern und schon die einmalige Lektüre hat Spuren hinterlassen.
Es kann ja wohl nicht angehen, dass zahllose Leute, von denen ich weiß, dass sie ihre Bücher wirklich gut behandeln, alle nach so wenigen Wochen bereits derartige oder schlimmere Makel an ihrem Buch feststellen – gerade bei einem Grundregelwerk. Ich will ja nun gar nicht Rezi für Rezi über die generelle Unterlegenheit der chinesischten Druckwerkstatt klagen, aber zumindest „Exalted“ stellt für mich eine Sprenung aller Toleranzgrenzen dar, denn dieses Buch ist, so wie ich mein Exemplar erhalten habe, kaum einer jahrelangen Spielrunde gewachsen...

Aber wenden wir uns von der Verarbeitung ab und schauen, was genau hier vor uns liegt. Das Konzept von „Exalted“ ist schnell erklärt: Die Spieler verkörpern sogenannte Solar Exalted. Diese werden vom Größten der Götter, Unconquered Sun, erwählt, um als dessen Champions über die Welt Creation zu herrschen. Einst wurde diese von den s.g. Primordials geschaffen, doch unter seinem Kommando rebellierten die Götter und verbannten jene, die vor ihnen waren, von der Welt.
Doch auch die Solar Exalted wurden verraten und daher ist es ein Zeichen des Anbeginns einer neuen Zeit, dass es wieder zu exaltations kommt – und ein Grund für große Besorgnis bei denen, die die Auserwählten seinerzeit auch nicht ganz ohne Grund ausrotten wollten.
Derzeit wird die Welt eigentlich von den Terrestrial Exalted regiert, auch Dragonblooded genannt, da sie den Five Elemental Dragons dienen. Doch seit ihre Herrscherin spurlos verschwunden ist, wird ihr Großreich ohnehin angreifbar.
Man addiere noch die formwandelnden Lunar Exalted, die schicksalslenkenden Sidereal Exalted und die den Solars exakt entgegen stehenden Abyssal Exalted dazu und man erhält eine gigantisch große Spielwelt, in der gleich ein ganzer Haufen Machtgruppen um seinen Platz ringt, von denen aber jede einzelne mächtiger ist als vieles, was andere Fantasy-Settings überhaupt aufbringen könnten.

Die mittlerweile wirklich komplexe Spielwelt von „Exalted“ wird dabei zunächst einmal auf den ersten 70 Seiten beschrieben. Das ist zwar, bedenkt man noch das Inhaltsverzeichnis, die Einführung und das Glossar mit rund 20 Seiten am Anfang, vielleicht gerade man ein Achtel des Buches, aber trotzdem eine große Menge Text. Ich kenne wenig Rollenspiele, die ein derart umfassendes „Setting“-Kapitel gleich im Grundregelwerk mitliefern und das sei an dieser Stelle auch ganz klar gelobt.
Die Einsteigshürde für Neulinge wird dadurch zwar verhältnismäßig hoch gelegt, aber nicht außer Reichweite, und man hat dafür auch mal alles an der Hand, was man braucht. Details werden in nachfolgenden Bänden noch beschrieben, keine Frage, aber gerade wer das Grundregelwerk der ersten Edition noch kennt, wird den Umschwung begrüßen, zumal es deshalb auch nicht wesentlich weniger „unkartographiertes Gelände zur freien Gestaltung durch den Erzähler“ gibt als früher.

Dann aber kommen wir an den Punkt, an dem sich sicher die Geister scheitern werden, denn die nachfolgenden 190 Seiten präsentieren das Regelsystem des Spiels. Und 190 Seiten sind viel, gerade bei der hier gewählten Schriftgröße. Das Paket ist in vier Kapitel untergliedert, die nacheinander auf die Themen Charaktererschaffung, Werte, allgemeine Regeln sowie „Charms, Combos & Sorcery“ eingehen.
Zunächst einmal finde ich hier die Gliederung etwas unglücklich. Die Charaktererschaffung erklärt mir zwar durchaus gut und anschaulich, wie ich einzelne Bereiche meines Charakters mit Werten fülle, was die aber genau sind, wird erst später erläutert. Beispiel?
Auf S. 73 erfahre ich, dass ich mir eine Caste erwählen muss, auf S. 84 finde ich die zumindest in Stichworten beschrieben, doch die eigentlichen Beschreibungen des Castes folgen nicht vor S. 90/91.
Auf S. 74 erfahre ich, wie ich Abilities kaufe und das diese nach den Kasten geordnet sind, kriege jeweils einen erklärenden Satz je Fertigkeitsgruppe und das war es. Ab S. 106 werden die Abilities detailliert beschrieben und durchaus gut erläutert, aber es ist nicht vor S. 119 (!), dass mir in dem Buch jemand erklärt, wie man überhaupt genau eine Probe würfelt und mir daher einen Maßstab an die Hand gibt, wie ich besagte Punkte wohl angemessen verteilen kann.
Das ist alles kein Weltuntergang, aber es macht das Buch einfach weniger zugänglich, als es sein könnte. Während der Aufbau aufgrund der Fülle von Regeln mutmaßlich nur schwerlich zu optimieren ist, so hätten vier Seiten Schnellübersicht – wie man es etwa in The World of Darkness vorgefunden hat – viel helfen können.

„Fülle von Regeln“, ein gutes Stichwort. Generell ist das Regelwerk von Exalted ausgesprochen einfach und leicht zu verstehen: Man addiert i.d.R. ein Attribut und eine Fertigkeit und würfelt eine Anzahl von W10 gleich dieser Summe gegen eine Schwierigkeit von 7. Jeder Würfel, der über dieser Schwelle liegt, zählt als Erfolg, zeigt ein Würfel eine 10, so zählt man dies als zwei Erfolge. Werden genug Erfolge gemäß der Vorgabe des Erzählers erzielt, so gilt die Probe als gelungen, wenn nicht, so ist sie misslungen. Patzer treten dann auf, wenn kein einziger Erfolg, mindestens aber eine 1 erwürfelt wurde.
Simpel, oder? Bleibt die Frage, warum der Regelteil fast 200 Seiten lang ist.
Nun, man kann da zunächst einmal den vierten Teil, der die Charms und Combos erläutert, erst einmal ausklammern, auf den kommen wir im Anschluss zu sprechen. Aber auch ohne diesen Batzen haben wir noch 108 Seiten reines Regelwerk (und es kommt noch mehr, wie im weiteren Verlauf der Rezi zu sehen sein wird). Warum?

Das Zauberwort lautet „Detailregeln“. Damit meine ich jetzt nicht, dass „Exalted“ versucht, alles und jede Situation regeltechnisch abzudecken, sondern vielmehr, das bestimmte Details des Hintergrundes sehr stark beleuchtet werden. Da sind zunächst einmal die Kämpfe – hier werden diverse Konventionen gebogen oder gar mit ihnen gebrochen. Anders als andere Spiele verwendet „Exalted“ keine Initiative-Regelung auf Rundenbasis, sondern verrechnet alles, was passieren kann, in sogenannten „ticks“. Jede Aktion dauert eine gewisse Zeit und erst wenn die korreskondierende Anzahl von ticks verstrichen ist, kann man wieder handeln.
Man kann sich das grob wie Kämpfe in einem Konsolen-Rollenspiel vorstellen, das nicht auf Echtzeit setzt, etwa die Teile der Final Fantasy-Reihe. Jede Aktion hat eine Art „Cooldown“ und der Schlüssel zum Erfolg ist es, da clever zu reagieren und sich darüber einen Vorteil zu verschaffen, ohne dem Gegner bis dorthin eine Blöße zu geben.
Das macht Kämpfe sehr takisch und nötigt zum Nachdenken. Es gibt Leute, denen das gefällt, aber mir persönlich sagt die ganze Idee dahinter nur wenig zu, hätte ich mir gerade für ein Spiel mit dem Power Level von „Exalted“ eher ein freieres, weniger „regeliges“ und dafür mehr eine Spielleiterentscheidung betonendes System gewünscht.
Das alles wird dann noch einmal durch Ergänzungen zu Geländearten, Moralregeln, berittenem Kampf und derlei mehr ausgebaut, was „Exalted“ zwar nicht mal zu einem sehr komplizierten, aber komplexen Kampfsystem macht.

Beachtenswert ist dabei aber, dass es neben den normalen Kampfregeln noch zwei weitere Systeme gibt – eines für Massenschlachten und eines für den s.g. Social Combat. Massenschlachten machen Sinn, wenn die Spieler die Reinkarnationen der ursprünglichen Herrscher der Welt verkörpern, Social Combat ist dagegen noch mehr ein Fall für den persönlichen Geschmack.
Zunächst einmal, ganz klar. ist es gar nicht so gedacht, dass nun jeder Dialog mittels eines auf Ticks basierenden Kampfsystem anstelle normaler, ausgespielter Interaktion abgewickelt wird. Aber da die Solar Exalted ja nicht nur patente Kämpfer, sondern auch ebenso Meisterdiplomaten sein können, ist es einerseits verständlich, dass man hier ein vergleichendes Regelsystem bemüht hat.
So würfelt man dann, wenn etwa der Flussgott Cascade of Sparkling Water auf den Solar Enchanting Tongue trifft, eben nicht auf join combat, sondern join debate, taktiert anschließend mit Manövern wie „Monologue“ oder „Social Attack“ umher oder feuert die in Folge beschriebenen Charms ab.
Das macht so auch erst einmal Sinn. Denn übermenschliche Diplomatiefähigkeiten sind natürlich von Menschen nur bedingt darzustellen und erfordern daher ein gewisses Maß an Abstraktion. Die Frage ist jedoch, ob ausgerechnet ein so rigides Regelkorsett nötig gewesen wäre. Denn rein ergebnisorientiert kommt man so der Darstellung göttlicher Verhandlungskunst sicherlich näher und wenn ein Charakter nun clever mit seinen Manövern taktiert, so kann er hier auch echt Punkte sammeln. Allerdings ist es gleichermaßen schwierig, das mit einem Erhalt von Atmosphäre zu verbinden.
Denn so, wie in vielen Spielrunden das Gefühl, in die Welt einzutauchen, mit dem Beginn eines Kampfes und der Würfelei endet, so sehe ich die Gefahr auch ganz massiv hier gegeben. Klar kann man auch neben den Regeln noch immer das Gespräch ausspielen, aber ich persönlich sehe sie da eher als Last, weniger als Hilfe.

Außerdem bringen sie noch einige andere Haken mit sich. „Exalted“ hat ein sehr in sich verzahntes Regelwerk (was generell sehr lobenswert ist!), doch das macht dann auch vor dem social combat nicht halt. So hat eben jeder Charakter auch sogenannte intimacies. Das sind Dinge, denen er zwar nicht sein Leben gewidmet hat, wohl aber enorm viel Bedeutung zumisst. Seine große Liebe, seine patriotische oder gemein-politische Überzeugung für irgendetwas usw.
Die geben ihm auch regeltechnische Vorteile, geben ihm etwa Boni, wenn er sich für sie einsetzt. Das ist von der Idee her wieder sehr cool und ich mag es generell, wenn solche Aspekte auf dem Charakterbogen niederschlag finden. Doch was Boni gibt könnte zu Powergaming führen, was zum Min/Maxen dient, das muss eingeschränkt werden und so erfährt man dann in dem Grundregelwerk auch, dass das menschliche Herz nunmal nicht mehr als [willpower+compassion] intimacies haben kann.
Das wiederum finde ich schräg und sei nun ein Beispiel dafür, wie das Regelwerk in ungewohnten Bereichen sehr detailverliebt sein kann.

Addiert man nun noch Termini respektive Komplexe wie ein detailliertes Tugendsystem, eine darauf aufbauende Schwäche und ein System, wie aus Verstößen gegen die Tugenden diese Schwäche überhand nimmt und andere Kleinigkeiten in anderen Sektoren, so erkennt man langsam, was „Exalted“ letztlich doch komplex macht.
Auch hier schlägt dann einfach der Umfang des Werkes zu Buche. Das ist nicht mal auf eine schlechte Konzeption zurückzuführen, sondern einfach auf die schiere Menge an Text. Aber hat man etwa entsprechende Intimacies, so nennt der Index dazu zwei verschiedene Stellen. Die erste von den beiden verweist nur recht blumig auf die zweite, die aber wiederum erläutert nicht nur den Mechanismus, sondern verweist zudem wiederum noch auf zwei weitere Stellen, die der Index nicht nannte. Und wenn ein Textkasten zu einem anderen Thema auf S. 71 vermerkt, dass dazu später noch mehr gesagt sein soll, so muss man schon geduldig sein oder erneut den Index zücken um zu erkennen, dass „später“ hier effektiv „in ziemlich genau 200 Seiten“ meint.
„Exalted“ ist sehr voll, zu voll vielleicht.

Doch schauen wir mal weiter, kommen wir endlich zu den besagten „Charms“. Das sind sozusagen die „Superkräfte“ der Solar Exalted und man erkennt schon am Umfang des Kapitels, dass es endlos viele sein müssen. Die Details dazu will ich an dieser Stelle gar nicht breittreten, nur soviel – Charms fügen sich sehr homogen in das eigentliche Regelsystem ein und sind hier eindeutiger und besser geraten, als es noch in der vorigen Edition der Fall war.
Es gibt da verschiedene „Geschmacksrichtungen“ (neben Charms eben noch Sorcery und eine besondere Form von Martial Arts, sowie die Möglichkeit, daraus s.g. Combos zu bauen), man kauft sich entlang von „charm trees“, also Organisagrammen mit den einzelnen Kräften und in der Regel wird man dabei noch durch seine Kaste, die eigenen Fertigkeitswerte und die Essence seines Charakters, die das Maß seiner Macht darstellt, geleitet.
Ein letzter Hinweis noch: Auch wenn das Kapitel satte 82 Seite lang ist, so sind es doch nur die Charms der Solar Exalted. Jene der anderen werden in weiteren Quellenbänden vorgestellt werden.

Somit sind wir knapp über die Hälfte des Buches hinaus und fortan wird zumindest die Unterscheidung in Regel- und Hintergrundkapitel nicht mehr möglich sein, der Rest ist da ganz gut durchmischt. Das sechste Kapitel nennt sich „Storytelling“, ist mit unter 20 Seiten das kürzeste im Buch und dennoch sehr lobenswert. Ich habe ja nun in meinem Leben nun wahrlich schon viele Kapitel für Spielleiter, Erzähler und wie sie sich alle nennen gelesen, doch nur ganz wenige haben die Qualität von diesem hier erreicht. Gute Tipps wie man das Spiel aufziehen kann, gute Kampagnenideen, Ratschläge zum Umgang mit den Spielern, ihren Charakteren und ihren Kräften, verschiedene Spielstile und – wohl unausweichlich – einige kleine Regeln, vornehmlich die Charaktersteigerung, finden hier sanft nebeneinander ihren Platz. Sehr stark, ein dickes Lob, ganz ohne Einschränkung.

Das vorletzte Kapitel nennt sich „Antagonists“ und ist noch mal so ein richtig reges Schlachtschiff. Nur vier Seiten kürzer als das Charmkapitel und ein Sammelsurium von wirklich allem, was sich Antagonisten nennen darf. Sterbliche Widersacher wie Bauern oder Banditen, Beastmen oder die von Spirits gezeugten Godblooded, das mysteriöse Fair Folk und Wyld Barbarians, Geister, Götter (was dank asiatischer Denkweise nicht nur die Götter, sondern eben Fluss-, Wald- und Wiesenentitäten sein können), Elemente und Dämonen, Untote nebst Beschreibungen der Unterwelt und der s.g. Shadowlands, Geister und Exorzisten, die den Abyssal Exalted vorstehenden Deathlords und Ratschläge, wie man die vorerst regeltechnisch umsetzen kann, sämtliche Arten von Exalted, ebenfalls nebst Regelratschlägen, 24 Beasts of Creation und ein ganzer Satz Krankheiten machen dieses Kapitel aus.

Abgerundet wird der Band dann noch durch den etwas obskur „Panoply“ getauften Ausrüstungsabschnitt. Der ist auch noch mal fast 40 Seiten schwer und bietet einem ebenfalls noch mal viel Content. Das recht komplexe Währungssystem der Spielwelt, mundäne Ausrüstung, massig Waffen und Rüstungen, Talismane und „Wonders“ getaufte Artefakte in verschiedenen Stärkestufen bis hin zu den s.g. „Earthshaking Wonders“ runden das Buch endgültig ab und lassen den geneigten Leser mutmaßlich dennoch einfach etwas erschlagen zurück.

Ein Fazit für dieses Buch zu finden fällt mir schwer, oder wenigstens schwer in Worte zu fassen. Die Regeln des Spiels sind durchdacht und funktionieren, für sich betrachtet, sicherlich auch ganz hervorragend. Die optische Gestaltung kann sich sehen lassen und auch das so wichtige Gebiet der Hintergrundinformationen wird großartig abgedeckt.
Nur irgendwie hat mich „Exalted“ nie richtig gepackt und das liegt, so muss man sagen, gerade an diesem immensen Umfang. Es ist ja toll, viele Charms zu haben, toll, einen so ausgestalteten Hintergrund zu haben und endlich mal wieder ein Grundbuch in den Händen zu halten, dass nicht auf jeder zweiten Seite mehr Fragen offen lässt als es sie beantwortet. Dennoch ist es mir einfach zu viel des Ganzen.

Man merkt „Exalted“ an, dass es die zweite Edition eines Spiels ist, dass in seiner Erstauflage mit den Quellenbänden in zahllose Richtungen wild gewuchert ist. Und so lobenswert es ist, dem nun eine solche Komplettausgabe nachzureichen, so unglaublich viel ist es auch, was hier entsprechend wiedergegeben werden muss.
„Exalted“ ist kein Spiel, in das man mal einfach so einsteigen kann oder zumindest keines, das den Einstieg fördert. Man wird mit dem neuen Grundregelwerk sehr ins kalte Wasser geworfen; einen Ozean voll kaltem Wasser. Da weder der Hintergrund, und noch viel weniger die Regeln eingangs mal wirklich aufsummiert werden gilt es einen regelrecht Berg zu erklimmen, was mir persönlich einfach zu viel ist.
Es gibt in Sachen Grundbuchumfang wohl zwei Denkschulen und dahingehend dürfte „Exalted“ die Geister auch scheiden: Sehe ich das Grundbuch als Einstiegsportal in ein Spiel, oder soll es bereits vollkommen allumfassend sein? Ich bin da ein Fan vom Mittelweg und finde es auch schlecht, wenn man zig Quellenbände braucht, um anfangen zu können; „Exalted“ ist mir aber einfach zu viel in alle Richtungen.

Auch sind es mir, wie bereits dargelegt, einfach zu viele Regelbereiche, die das Spiel abdeckt. Ich halte nichts von der Idee, Interaktionen ab einem gewissen Machtlevel in ein tick-based combat system zu kleiden, halte ebensowenig davon, Kämpfe überhaupt so buchhalterhaft und taktisch zu realisieren, wie es die Ticks hier eindeutig tun.
Manchen Leuten mag genau dieser Stil ja gefallen, mir wären schlankere und mehr auf das erzählen ausgerichtete Mechanismen lieber gewesen.
Überhaupt steht mir bei „Exalted“ das System stellenweise zu sehr im Vordergrund oder, anders herum gesagt, verschwindet zu wenig im Hintergrund. Es funktioniert sicherlich gut und wäre eine tolle „Engine“ für ein Videospiel, aber es zieht mich zu oft aus dem Spiel heraus, zurück an die Spieltisch-Wirklichkeit.

Zwei Fragen sollte sich jeder Stellen, bevor er sich diesen Wälzer kauft. Ist er bereit, sich durch 400 Seiten zu schlagen (von denen die Charms etwa ja durchaus auch nur quergelesen werden müssen) und mag er komplexe und leitende Regelwerke, dann sollte er einen Blick riskieren. Beantwortet er auch nur eine der beiden Fragen mit „nein“, sollte er dagegen gut und sorgfältig über den Kauf nachdenken.
„Exalted“ spielt man nicht mal einfach zwischendurch. Es ist ein Spiel für eine Gruppe, die sich gemeinsam tief hinein kniet und von denen sich jeder auch ausgiebig mit den Optionen des Regelwerks auseinandersetzen muss, damit ein Spiel gelingen kann.
Sieht man sich von dieser Beschreibung angesprochen und kann man weiterhin mit einigen anderen Krankheiten wie der miserablen Verarbeitung des Buches und einem völlig ungenügenden Charakterbogen leben, dann ist „Exalted“ ein interessantes Spiel geworden.
So ganz mein Ding aber ist es in der hier dargebotenen Fassung nicht.


Name: Exalted: Second Edition 
Verlag: White Wolf 
Sprache: Englisch
Autoren: John Chambers und Geoffrey C. Grabowski (Developer), u.v.a.
Empf. VK.: 39,99 US-Dollar 
Seiten: 400