Malmsturm

Die Fate-Welle rollt im Augenblick ziemlich erfolgreich durch die Rollenspielszene und es gibt verschiedene Bestrebungen, die Regeln auch in die deutsche Sprache zu übertragen. An der Spitze dieser Bewegung stehen die Macher von Malmsturm, die mit dem neuesten Fate-Spiel nicht nur das System übersetzt haben, sondern die deutsche Rollenspielszene auch um ein neues Fantasy-Spiel bereichern wollen.
Das Projekt an sich ist schon etwas älter, konnte aber kürzlich durch den Fate-Hype und das aufwändige Artwork an Bekanntheit gewinnen, so dass das gedruckte Regelwerk jetzt auf der RPC 2011 genau zur richtigen Zeit beim Uhrwerk Verlag erschienen ist.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Ein Buch mit schwarzem Umschlag in stylisch abgewetztem Look, darauf der Malmsturm-Schriftzug, der den Logos von Metal-Bands nachempfunden ist, ein paar Worte in schöner, aber dezenter Schrift, sonst nichts, die Seiten haben einen Goldschnitt verpasst bekommen. Das Ganze wirkt elegant, edel und zeitlos. Mit 240 Seiten ist das Buch eine ziemliche Wucht, mit seinen 17,5 x 24,5 cm ist es trotzdem handlich. Als ich das Grundregelwerk das erste Mal in der Hand hielt, fühlte ich mich an ein Gebetsbuch oder eine Bibel erinnert, ein Buch, das ungeachtet seines Inhaltes allein als Objekt schon die Aura von etwas Besonderem ausstrahlt.

Wenn man den Band aufschlägt, geht der gute Eindruck weiter und hört auch nicht auf, wenn man sich bis zum Ende durchgeblättert hat. Malmsturm ist komplett schwarz-weiß und macht dabei den Eindruck, dass es schwarz-weiß sein muss und nicht, dass das Budget nicht mehr für einen bunten Druck gereicht hat. Früher, als noch niemand an bunte Rollenspielbücher gedacht hat, gab es viele großartig aussehende Bücher ohne Farbe und in Malmsturm ist diese alte Kunst wieder auferstanden. Das Ergebnis ist ein kontrastreiches, gravitätisches und trotzdem sehr aufgeräumtes Layout, das sich auch nicht vor ein paar schwarzen Seiten zum Kapitelanfang scheut und durch zahlreiche Bilder bereichert wird. Die kompletten Illustrationen stammen von Björn Lensig, der von immer wieder auftauchenden eckigen, rautenförmigen "Malmsturmspirale" am Seitenende bis zum epischen, doppelseitigen Schlachtgemälde auf der Innenseite des Einbandes einen schönen archaischen Fantasystil beibehält, der mich zwar an die Anfangszeit der Rollenspiele erinnert, aber klar aus diesem Jahrtausend stammt.
Malmsturm setzt zwar keine neuen Maßstäbe in Buchgestaltung, aber von dem edlen, runden Look könnten sich auch Produkte der verschiedenen "großen" Konkurrenten noch eine Scheibe abschneiden.

Inhaltlich besteht Malmsturm zum größten Teil aus dem Regelwerk, dazu gibt es noch Kapitel mit Spielleiterhinweisen, ein Abenteuer und eine Vorschau auf die Weltbeschreibung. Die Aufteilung folgt dabei der bekannten Vorlage aus den englischsprachigen Fate-Spielen. Die Texte lesen sich gut und bringen dem Leser schnell die Prinzipien und Regeln des Systems bei. Auch wenn die deutsche Übersetzung insgesamt sehr gelungen ist, gelingt es ihr leider nicht immer, für alle Spielbegriffe die Griffigkeit des englischen Vokabulars zu erhalten.

Von den Regeln her versteht sich Malmsturm als generisches Fate-Fantasy-System. Dabei orientiert man sich an den aus Spirlt of the Century bekannten Regeln, mit einigen Ausnahmen: Der Skillsatz wurde dem Setting angepasst, die Stunts sind etwas eleganter geregelt als in der Vorlage und die Charakteraspekte wurden auf überschaubare fünf Stück gekürzt. Malmsturm bietet natürlich auch ein Erfahrungspunktesystem. Mit längeren Stress Tracks halten Charaktere sehr viel mehr aus als in anderen Fate-Systemen, was natürlich epischen Schlachten zugute kommt. Außerdem verfügt Malmsturm als Fantasyspiel natürlich über Magieregeln.

Was mir bei den Malmsturm-Regeln persönlich nicht so gut gefallen hat, sind die zahlreichen Regeloptionen, die sehr unterschiedlich umgesetzt wurden. Die Stellschrauben für den Powerlevel bei der Charaktererschaffung und der Schadensregelung sind zum Beispiel sehr verständlich, die Folgen der optionalen Regeln für Waffen und Rüstungen für das Balancing sind allerdings gewaltig und für Fate-Neulinge wahrscheinlich nicht leicht zu überschauen. Die Magieregeln sind eine Ansammlung verschiedener Regelansätze mit wenigen Beispielen, die auf diese viele Möglichkeiten aufbieten, dass ich selbst in Kenntnis verschiedener Fate-Spiele überlegen müsste, wie ich mir mein Wunschsystem zusammenstellen würde.
Den Starbucks-Ansatz in allen Ehren, aber als erstes Fate-System auf dem deutschen Markt, als das System, das die Rollenspieler in diesem Lande in die Arme von Fate treiben soll, als Einführungsbuch für das Regelwerk, da hätte ich eine klare Linie und ein durchdachtes Regelkonzept und mehr Hilfe durch Beispiele dem DIY-Bausatz vorgezogen. Wer mit einem Barbaren Räuber kloppen will, der kann direkt nach dem Lesen loszocken. Aber für den Erzmagier auf Drachenjagd muss einiges an Arbeit in die Regelanpassung gesteckt werden und dazu ist es natürlich hilfreich, das Spiel schon ein paarmal gespielt zu haben. Auch eine engere Verknüpfung mit dem Malmsturm-Setting wäre schön gewesen.

Das Spielleiterkapitel von Malmsturm fasst vor allem ein paar Spielleitertechniken vor allem aus dem Forge-Umfeld zusammen und ist damit eher an erfahrene SLs. Gerade für Leute, die aus sehr anderen Rollenspieltraditionen kommen, sind die Hinweise aber sehr hilfreich.
Das Abenteuer setzt die vorher erläuterte "Netzwerke"-Technik ein, um eine Geschichte zu spinnen. Leider ist das Abenteuer weder besonders originell, noch werden die Fate-Regeln irgendwie besonders hervorgehoben oder gefordert. Außerdem wird man erst durch eine Zahl recht starrer Szenen geführt und dann bricht das Ganze mehr oder minder mit dem Satz ab "ab jetzt kann theoretisch alles Mögliche passieren, spielt unser Setup mal zu Ende". Die 20 Seiten  sind ziemlich egal und nicht wirklich geeignet, das System oder die Welt in Aktion zu zeigen.

Der Setting-Teil von Malmsturm ist dafür sehr viel besser geraten. Das beginnt schon bei der Weltkarte, die vor allem über einen großen Kontinent zeigt, den "Norden". Was braucht ein Barbarensetting mehr? Dazu gibt es noch ein paar Inseln und Subkontinente, die alle noch Eingang in den baldig erscheinenden Weltenband finden werden.
Im Grundregelwerk werden vor allem drei Landstriche kurz angerissen: Der Norden, ein weites Steppen/Berge/Wälder-Land voller barbarischer Stämme, von denen jeweils die größten und Interessantesten kurz beschrieben sind. Dann gibt es die Waismark, eine Art mittelalterliches balkanisiertes Transsylvanien, das zwischen Kleinfürsten und religiösen Kulten in winzige Stücke zerteilt ist. Und natürlich gibt es ein korruptes, degeneriertes Imperium mit magischer Technik und Sklavenhandel.
Obwohl es sich nur um eine kurze Vorschau handelt, macht das Ganze Lust auf mehr. An sich handelt es sich zwar nur um eine typische Sword & Sorcery-Welt, aber mir hat vor allem das sehr deutsche Feeling und die Atmosphäre der Texte sehr gefallen. Der zweite Malmsturmband, der die komplette Weltbeschreibung enthält, wird in Kürze erscheinen.

Unterm Strich lässt sich sagen, dass Malmsturm ein ordentlicher Einstieg in das Fate-System für das deutsche Rollenspiel ist, das in einer sehr starken Verpackung daher kommt. In manchen Bereichen hätte den Regeln eine stärkere "ready to play"-Herangehensweise nicht geschadet, um die zahlreichen Regeloptionen sinnvoll abschätzen zu können sollte man mit Fate schon ein paar Erfahrungen gemacht haben. Um nicht die Katze im Sack kaufen zu müssen, kann man allerdings eine voll gelayoutete PDF-Version des Spiels von der Malmsturm-Seite herunterladen. So kann sich jeder Interessierte selbst einen Eindruck machen, bevor er Geld für das wirklich schöne Buch auslegt.

Mit freundliche Unterstützung des Uhrwerk-Verlags.


Titel: Malmsturm
Originalausgabe
Autoren: Dominik Dießlin, Stefan Frink, Werner Hartmann
Verlag: Uhrwerk Verlag
Seitenzahl: 240
Sprache: deutsch
Preis: € 29,95

Hinweis: Eine Besprechung des Fate-Regelwerks, auf dem dieses Spiel basiert, ist in einer anderen Rezension hier zu finden.{jcomments on}