Abenteuer. #1

Abenteuer. ist ein neues Fanmagazin von Rollenspielern für Rollenspieler, das von dem Hofrat / Settembrini ins Leben gerufen wurde. Das Motto des neuen Fanzines ist: „Wir haben keinen Anspruch - Wir haben Spaß! Wir haben keine Zielgruppe - Wir haben uns!“ Das kann man allerdings nicht im Heft finden, sondern nur auf der Homepage des Magazins (http://www.abenteuerpunkt.ch), da das Heft ganz bewusst auf so einen Kram wie Vorworte und ähnliches nicht spielrelevante Material verzichtet. Leider verzichtet man aber dabei auch auf eine Auflistung der Autoren, bzw. Mitarbeiter dieser Ausgabe. Mitmachen kann übrigens jeder, der für seinen Artikel zwei Fürsprecher findet. Den Artikel kann man (sonst wdh) an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! schicken und dann sollte man seinen Text bald in einer Ausgabe von Abenteuer. finden können.

Optisch zeigt sich das DINA5-Heft bewusst schlicht. Der Text ist einspaltig und versprüht insgesamt eher den Charme einer Seminararbeit, als eines Rollenspielmagazins. Man hat sich wirklich auf den Inhalt konzentriert und lenkt den Leser nicht mit Spielereien ab. Gerade wegen dieser Schlichtheit gefällt mir Abenteuer., jedoch wäre es sicher gut gewesen, wenn einige Texte noch einmal durch die Korrektur gegangen wären. So ist beispielsweise im Abenteuer „New Mexiko Fried Dino“ vermutlich durch die Formatierung in ein anderes Programm an Stelle jedes Trennungsstrichs ein Leerzeichen getreten, was den Genuss des Artikels durch teils kryptische Wortbrüche leider etwas trübt. Was ich mir ebenfalls gewünscht hätte, wäre eine Erwähnung des Systems, für das der jeweilige Beitrag geschrieben wurde, am besten direkt nach Titel und Autor. So muss man sich erstmal in den jeweiligen Artikel einlesen, um zu erfahren, worum es überhaupt geht. Die Zeichnungen des Heftes stammen entweder aus „public domain“-Bildersammlungen oder wurden meist von den Autoren selbst hingekritzelt. Das Cover sticht besonders durch seine schrillen Farben hervor und zeigt einen Krieger in einer eher gewagten Farbkombination. Besonders hervorheben möchte ich, dass auf den Umschlag Abnutzungserscheinungen gedruckt wurden (!), vermutlich um den Fancharakter des Produktes zu unterstreichen.

Der erste Artikel überrascht dann doch schon etwas, stellt er doch ein Interview dar, das Christian Lonsing mit David Chart geführt hat. Auch wenn sich das Interview mit dem Chefredakteur von Ars Magica interessant liest, stellte ich mir direkt die Frage, inwiefern der Beitrag das eigene Spiel für den Leser bereichert. Denn das war ja die Idee hinter dem Fanzine, Material von Spielern für Spieler zu schreiben.
Der nächste Artikel „Die Gilde der Fimirmagier“ von ADS / Jörg lässt mich strahlen. Eine kurze HeroQuest-Kampagne! Mit Fimiren, meinen kleinen Favoriten des Spiels! Wer kann grüne Zyklopen mit Keulenschwanz nicht direkt in sein Herz schließen? Jedenfalls hat mir das Lesen des Artikels sehr viel Lust darauf gemacht, noch einmal Heroquest auszupacken und zu zocken. Daher beide Daumen hoch dafür.
Ebenfalls uneingeschränkt empfehlen möchte ich „New Mexiko Fried Diner“ von Clemens Meier. In dem Abenteuer für „Pandemonium! - Adventures in Tabloid World“, das sich aber einfach auch auf andere Systeme ummünzen lassen sollte, müssen die Spielercharaktere als Reporter für ein Käseblatt eine angebliche archäologische Sensation in der Wüste untersuchen fahren und begegnen auf dem Weg allerlei irrwitzigen Monstern, Aliens und Begebenheiten. Das Abenteuer ist vollgepackt mit absurden, witzigen und fordernden Begegnungen und Charakteren und allein das Lesen des Artikels macht einfach nur Spaß. An vielen Stellen musste ich nicht nur schmunzeln, sondern sogar lachen, was mir ein paar fragende Blicke der anderen Fahrgäste in den öffentlichen Verkehrsmitteln eingebracht hat.
„Der Ritter“ von Settembrini ist eine Charakterklasse für D&D 3.5, die sich vor allem auf die Anführerrolle des Ritters konzentriert. So erhalten die Leibeigenen des Adligen etwa einen Bonus im Kampf, solange der Ritter neben ihnen kämpft. Zusätzlich gibt es ein rudimentäres System für die Teilnahme an einem Kriegszug, sowie ein simples System zur Verwaltung des eigenen Lehens, das durchaus in ausführlicherer Weise einen eigenen Artikel verdient hätte. Die Klasse kann also thematisch überzeugen, wenn sie insgesamt mit ihrem w12 als Trefferwürfel und den automatisch durch das Lehen eingehenden Geldern doch etwas zu stark wirkt.
Mit dem Szenario „Kathers Grab“ von Jakob Sobe konnte ich allerdings wenig anfangen, da mir der Text irgendwie sehr wirr erschien und ich immer wieder den Faden verlor, vor lauter Fließtext. „Rathurbosk, die Brückenstadt“ ist eine Stadtbeschreibung aus dem alten englischen Rollenspiel Dragon Warriors, die von Dirk Remmecke aufpoliert wurde. Sonderlich interessant fand ich die Lokalität nicht, da es meiner Meinung nach einfach eine dicht bebaute Stadt auf einer Brücke ist. Geradezu absurd finde ich es, dass diese Stadt angeblich die einzige Handelsroute zwischen zwei Reichen ist und die Stadt dann nicht einmal das Durchfahren von Karren ermöglicht. Die angefügte Karte ist aber ganz hübsch anzusehen.
Dass „Encounter in der Niederwelt: BuroMilSERU“ von Tobias Deißler für das Rollenspiel FengShui ist, habe ich nur durch die Recherche im Internet erfahren, im Artikel selbst findet sich kein Hinweis darauf. Auch habe ich aus der Zusammenstellung der NSCs nicht wirklich den Konflikt erkannt, aber da ich FengShui nicht näher kenne, werde ich mir da kein Urteil erlauben.
Neben Settembrini hat sich auch Karsten V. eine D&D-Klasse für den Ritter überlegt, die sich diesmal aber vor allem auf den beritten Kampf konzentriert. Anders als die vorangegangene Variante ist diese Klasse aber nicht allein mit dem Material aus dem Heft spielbar, sondern verweist vor allem auf andere Bücher, wodurch das Material leider nur nutzbar wird, wenn man die anderen Bücher hat. Da ich diese nicht besitze, ist der Artikel leider auch nicht wirklich nützlich für mich. Schade.
alexandro stellt im Anschluss mit „Besser als Menschlich?“ alternative Pfade der Erleuchtung für Vampire: Die Maskerade vor. Auch wenn ich bisher nur Requiem gespielt (und gehasst) habe, finde ich den Artikel äußerst gelungen, da er eines der zentralen Elemente des Spiels tatsächlich mal spielbar macht. Der Artikel ist ein gutes Beispiel dafür, dass man mit Regeln auch Rollenspiel fördern kann und das „wahre Rollenspieler“ Regeln nicht zu ignorieren brauchen, um ihren Charakter intensiv darzustellen.
„Die Azurblauen Kavernen von Ault-Skul“ wurde von Filip Stojak für Runequest geschrieben und stellt ein simples, aber sehr schönes Fantasyszenario dar, in dem die Helden einen untoten Schwertmeister in einer Gruft stellen müssen, damit dieser nicht weiter mit blauem Ektoplasma die umliegenden Felder verseucht. Werde ich sicherlich einmal als kleine Nebenquest einsetzen!
Ein weiterer Artikel von Settembrini beschäftigt sich mit „Das schwarze Auge: 100 Billionen Jahre“ und ist ein verdammt exotisches, fantasievolles und cooles SciFi-Setting, das geradezu danach schreit, dass Abenteuer in ihm erlebt werden. Ich hoffe mal, dass in diesem Setting mit DSA1-Regeln am Rande des Endes der Zeit noch weiteres Material erhält.
Zu „Der Fall Simone“ von Timo Lemburg für Millenium’s End V2.0 kann ich sogar etwas mehr erzählen, als nur das Abenteuer zu erklären, da ich es gestern Abend für Dark Heresy adaptiert geleitet habe. Das Grundkonzept des Abenteuers kam gut an, auch wenn meine Spieler etwas träge bei den investigativen Elementen der Suche nach der entführten Tochter waren. Bisweilen ist das Abenteuer auch etwas zu selbstlaufend und zu unbefriedigend für die SC. So finden etwa die Spieler am Tatort die Streichholzschachtel eines Restaurants, das der Täter genau dann wieder besucht, wenn die Spieler dort nachschauen wollen. Trotzdem eine Empfehlung für die gute Umsetzung eines heiklen Themas.
Den Kampfroboter von Stefan Sumser für das System „Forward… to Adventure“ finde ich eher mäßig, da nur kurz erwähnt wird, dass man solche Roboter in Ruinen von alten Kulturen finden kann und dann direkt die Werte kommen. Kein Szenario, kein Abenteuervorschlag, kein Kontext, in den man das Monster einsetzen kann und daher in meinen Augen eher überflüssig.
Der letzte Artikel des Fanzines über „NSCs“ von Clemens Meier beschäftigt sich aber nicht mit Nichtspielercharakteren sondern mit Spielern, die nicht spielen, sich aber dennoch eine ziemlich festgelegte Meinung zu Spielen, Spielstilen und Abenteuern angeeignet haben. Da ich leider auch Leute kenne, deren eigene Standards ihnen seit Jahren verbieten in „gewöhnlichen“ Runden mitzuspielen, die aber jede Gelegenheit nutzen, von ihrer Genialität zu berichten, kann ich dem Artikel nur beipflichten.

So, Heft ist durch und ich bin begeistert. Für gerade mal drei Euro bekommt man eine riesige Menge an verwertbarem Material und viele gute Ideen. Wenn man das Ganze jetzt noch etwas mehr sortiert und klarer strukturiert und vielleicht vor der Veröffentlichung noch einmal lektoriert, dann haben wir hier eine neue Pflichtlektüre für deutsche Rollenspieler. Vielleicht sollte man noch dafür sorgen, dass Material für größere Systeme ins Heft kommt, damit man einen breiten Markt ansprechen und mehr Leute von dem Fanzine überzeugen kann. Dicke Kaufempfehlung und ich freue mich bereits auf die nächste Ausgabe!


Name: Abenteuer. #1 
Verlag: - {jcomments on}
Sprache: deutsch
Autoren: diverse 
Empf. VK.: 3 Euro 
Seiten: 130 s/w, Softcover 
ISBN: -