Savage Worlds - Hellfrost - Spielerhandbuch

 

Hellfrost wurde als bodenständiges Fantasy-Setting für Savage Worlds lange Zeit verschoben, erschien dann aber zur Spielmesse 2010. Oder zumindest ein Teil davon, denn Hellfrost macht einige Dinge anders, als andere Settings zu Savage Worlds. Und dann macht Prometheus Games auch noch mal ein paar Dinge anders als bisher. Aber der Reihe nach…

Hier wird nicht Hellfrost an sich rezensiert, sondern das Spielerhandbuch für das Setting, das erst mit den folgenden Bänden zu den einzelnen Ländern und den Monstern bzw. Spielleiterinformationen komplett wird. Das ist sehr ungewöhnlich für Savage Worlds, da man sonst immer mit einem Grundregelwerk und einem Setting-Buch alles hat, um über viele Monate spielen zu können. Am auffälligsten ist wohl zu Beginn, dass das Spielerhandbuch für Hellfrost in DIN-A4 daherkommt und nicht im gewohnten Format der Gentleman’s Edition. Der Verlag begründete das zur Veröffentlichung mit dem Kartenmaterial, das man gerne in voller Größe darstellen wollte. Das ist aber Quatsch, da sich im gesamten Buch keine einzige Karte befindet. Dabei ist der dünne Hardcover-Band durchgängig farbig und mit einigen stimmigen und qualitativ hochwertigen Illustrationen zum Setting versehen. Vor einem passend eisblauen Hintergrund und dunkelblauen Rändern oben und unten ist der Text zweispaltig gesetzt, wobei sich oberen Rand immer der Hinweis befindet, welches Buch man gerade liest (naja) und in welchem Kapitel man sich befindet (gut).

Aber und das wird ein großes aber … das Layout hat an vielen Stellen geschlampt. So ist auf jeder Seite, auf der ein Kapitel beginnt, keine Seitenzahl zu sehen, auf Seite 36 steht eine Überschrift in der gleichen Textgrößte wie der Rest zwischen zwei Abschnitten. Kleinigkeiten? Nun ja, bei der Auflistung der magischen Traditionen und aller Götter sind die aufgelisteten Mächte fast immer irgendwie mitten in der Zeile umgebrochen, meist zwei- bis dreimal in dem Abschnitt. Es steht eine halbe Zeile leer, dann geht es in der nächsten mit der Auflistung weiter. Was aber wirklich übel ist, sind die Formatierungsfehler bei kursiven Worten. Wenn beispielsweise (so wie auf Seite 94) in einem Abschnitt oben ein Zaubername kursiv gesetzt wird und am Ende ebenfalls einer so formatiert wurde, so sind zwischen diesen beiden kursiven Wörtern auch alle anderen Wörter kursiv! Sowas darf eigentlich nicht passieren.

Die Schlampereien setzen sich aber leider auch bei der Übersetzung fort. Da ich das Original nur in Auszügen kenne, kann ich nur bedingt auf die Sinnhaftigkeit der deutschen Namen eingehen. Sehr wohl kann ich aber die zahlreichen, sehr offensichtlichen Fehler bemerken, die so wirken, als hätte man die englischen Sätze Wort für Wort übersetzt und dann so stehen lassen. Das wirkt oftmals holprig, bisweilen aber schlicht falsch. Personen „betragen“ keine Schneeschuhe und im Deutschen „überkommt“ man auch keine Eisebenen (beide Fehler übrigens nur von der Seite 43). Es wäre sehr wünschenswert gewesen, wenn zumindest jemand mit etwas Sprachgefühl noch einmal die Texte gegengelesen hätte, bevor das Hellfrost-Spielerhandbuch zum Drucker ging. Dazu gibt es dann Stilblüten wie den Weltenforst (S. 57), aber auch einfach unverständlich Elemente. So steht in der Tabelle für den Effekt des Weltenfrostes in der Überschrift Hellfrost statt Weltenfrost und die Temperaturen werden in Fahrenheit und … G für … Grad Celsius (?) unterschieden; jedenfalls tun sie das auf Seite 138, dann aber korrekt mit C°. Ich bin zwar grundsätzlich für ein Mehr an Information, aber die Angabe der hierzulande völlig unüblichen Fahrenheit-Grade hätte man sich auch sparen können, statt schlicht zu übersetzen. Dazu kommen aber leider auch noch richtige Übersetzungsfehler, die mechanische Auswirkungen auf das Spiel falsch wiedergeben, wie etwa bei der göttlichen Hilfe. Hier runzelt der deutsche Savage-Worlds-Fan irritiert die Stirn, wenn der Charakter bis zu zwei Bennies in einer Runde erhalten kann, die er aber auch in der gleichen Runde auszugeben muss. Im Original stand noch etwas von „session“, also dem ganzen Spielabend! Wenn man dann bei den abgewandelten Zaubersprüchen dann auch noch die unangepassten Texte aus der Gentleman’s Edition lesen muss, in der zum Beispiel Modifikationen angegeben werden, wenn ein Hund eine Schrotflinte anfeuern will oder von „denkenden Weltraumwesen“ (vgl. S. 96) die Rede ist, dann kann man nur entgeistert den Kopf schütteln. Nicht einmal die kostenlos als Download erhältliche Karte des Settings ist enthalten, dafür der Charakterbogen dreimal (!) und eine Illustration auf einer Doppelseite (aufgeteilt je zur Hälfte auf Anfang und Ende des Spielerhandbuchs).

Das schreckt alles schon einmal ab, dabei ist Hellfrost an sich nicht uninteressant. Das gesamte Setting ist sehr von nordisch-germanischen Sagen inspiriert und an den Fimbulwinter des Ragnarök angelehnt. Der ewige Winter naht und im Norden sammeln sich winterliche Schrecken, denen sich mutige Helden entgegenstellen, um Ehre zu sammeln und in Liedern und Sagen unsterblich zu werden. Passend dazu gibt es einige nordische Menschenstämme, Eiszwerge und –elfen, Halblinge und eine neue Rasse von Frostblütern, die gut mit der Kälte zurechtkommen, denen man aber deswegen auch stark misstraut. Die im Buch verwendete Übersetzung des Hellfrosts ist dabei Weltenfrost, was eigentlich falsch ist, da nur der Kontinent Rassilon davon betroffen ist und nicht der ganze Planet. Auch erfährt man über Rassilon nur sehr Allgemeines, da die Beschreibung der einzelnen Landstriche erst in einem späteren Band erfolgt. Was ebenfalls ungewöhnlich ist, sind zum einen die zahlreichen Götter für ein thematisch so fixiertes Setting und zum anderen die umfangreichen Zauberspruchlisten. Zwei Dutzend verschiedene Götter haben Anhänger in Rassilon und gewähren ihren Dienern verschiedene Mächte. Der Detailreichtum, mit dem die Götter beschrieben werden, verwundert sehr, da zwar ausführlich auf Feiertage, Symbole, Titel und den Ausprägungen der Mächte eingegangen wird, man sonst aber nur rudimentär etwas über Rassilon erfährt.

Die Magie in Hellfrost funktioniert ohne Machtpunkte und die Zauber wirken auch sehr viel länger, aber dafür müssen arkane Magieanwender schlimme Rückschläge befürchten, die auch dazu führen können, dass sie ihre magischen Fähigkeiten für immer verlieren! Neben Elementarzauberern gibt es auch Magier die sich die Kälte zu Nutze machen, zwergische Runenmagie, die Gesänge der Skalden und die Kleriker der Götter. Und damit diese interessanten Zauberdisziplinen auch genug Spielzeug erhalten, gibt es etwa 70 neue oder abgewandelte Zauber gegenüber dem Grundregelwerk. Das ist eine absurde Menge, vor allem da viele der Sprüche sehr spezialisiert sind. So wird etwa mit einem Spruch nur ein Kriegsbuum belebt oder ein Zauber verbessert nur die Fähigkeiten eines Bogenschützens. Immerhin werden der Magie in Savage Worlds, die vor allem aus Kampfmagie bestand, mit den neuen Zaubersprüchen auch mehr alltägliche Funktionen eingeräumt.

Götter und Zaubersprüche nehmen zusammen fast die Hälfte des Spielerhandbuches ein, den Rest stellen neben neuen Talenten, Ausrüstung und Regeln für das Überleben in der frostigen Wildnis ein paar Organisationen Rassilons, aber vor allem die Regeln für Ehre und die Kräuterkunde, die man leider wörtlich von „Hedge Magic“ zu „Heckenmagie“ übersetzte. Mit dem Sammeln und Verarbeiten von Kräutern stehen Charakteren einige interessante Optionen bereit, allerlei Substanzen herzustellen, die sich entweder hilfreich oder schädlich auswirken können. Die Regeln für Ehre stechen besonders hervor, da es sich dabei um eine im Gegensatz zu Erfahrungspunkten sehr flexible Ressource handelt, die nicht unbedingt gleichmäßig auf die Spielercharaktere verteilt wird. Sobald der Wert für Ehre einen bestimmten Wert erreicht, kann der Charakter aus speziellen Vorteilen wählen, die etwa zusätzliche Robustheit, Anführer-Talente oder Gefolgsleute ermöglichen. Allerdings kann er diese auch wieder verlieren, wenn der Ruhm des Charakters durch Niederlagen, schändliche Aktionen oder Rufmord leidet. Eine faszinierende Spielmechanik, die sich sowohl ausgezeichnet in das Setting um nordische Helden, wie auch das Savage-Worlds-System einreiht.

Ein Fazit zum Hellfrost-Spielerhandbuch zu finden ist nicht ganz leicht. Findet ein Spieler genug Informationen, um sich einen Charakter für das Setting zu erstellen? Durchaus, aber darüber hinaus bietet das Buch halt kaum etwas. Um es einfach zu sagen: das Buch ist alleine wertlos und während ich diese Rezension verfasse, ist der Band knapp ein halbes Jahr alt und die beiden weiteren angekündigten Bände, die man zum Spielen von benötigt, sind noch nicht erschienen. Gerade im Vergleich zu anderen Savage-Worlds-Büchern fällt das Hellfrost-Spielerhandbuch stark ab, da man sonst in diesem Umfang settingspezifische Regeln, die beschriebene Spielwelt, Kreaturen und Werte sowie mehrere Abenteuer oder gar eine ganze Kampagne erhält. Dabei ist das Spielerhandbuch sogar noch teurer, als die kompletten Settings Necropolis 2350 und Sundered Skies, die bislang bei Prometheus Games für Savage Worlds erschienen!

Mit dem deutschen Spielerhandbuch zu Hellfrost haben sich Prometheus Games wahrlich keinen Gefallen getan. Es gibt gegenüber der Originalausgabe außer eingearbeiteter Errata keine zusätzlichen Inhalte, aber dafür ärgerlich viele Tipp-, Layout- und Übersetzungsfehler. Das Buchformat passt nicht zu den anderen deutschen Savage-Worlds-Publikationen und die Aufteilung des Settings in drei Bände ist ein unerfreulicher Bruch zu den bisherigen Gepflogenheiten. Das ist schade, denn so gerät ein interessantes Setting klassischer Fantasy im winterlichen Gewand durch Produktionsentscheidungen und schlampige Arbeit ins Hintertreffen. Empfehlen kann ich die deutsche Ausgabe deswegen leider nicht.

Mit freundliche Unterstützung von Prometheus Games.


Titel: Hellfrost - Spielerhandbuch
Autor: Paul “Wiggy” Wade-Williams & Snowy
Verlag: Prometheus Games
ISBN: 9783941077270
Seitenzahl: 148 farbig, Hardcover
Preis: 34,95 Euro{jcomments on}