Savage Worlds - Daring Tales of Adventure

Daring Tales of Adventure ist der Titel eines Abenteuerbandes, der bei Prometheus Games erschienen ist und in dem fünf Szenarien aus der Feder von Paul „Wiggy“ Wade-Williams versammelt wurden. Das Buch ist dabei eine recht exakte Übersetzung des englischsprachigen Daring Tales of Adventure Compendium #1, das seinerseits eine Sammlung von ursprünglich als kommerzielle PDF-Dateien veröffentlichten Abenteuern. Alles klar?
Die deutsche Ausgabe des Buches kommt als Titel im Format A5 daher und umfasst 136 schwarzweiße Seiten. Was mir als erstes auffiel ist die immens hohe Papierstärke des Einbandes, die an sich lobenswert ist, aber auch zur Folge hat, dass das Buch nur unter Einwirkung zerstörerischer Kräfte dazu gebracht werden kann, offen liegen zu bleiben. Mit der Entscheidung, das Buch in A5 zu drucken haben Prometheus es übrigens geschafft, dass es nun nicht das Format der Gentlemen’s Edition, nicht das Format der englischen Explorer’s Edition und erst Recht nicht das Format von Hellfrost hat.

Die visuelle Gestaltung des Titels geht in Ordnung, mehr aber auch nicht. Der Einband ist unspektakulär, die Illustrationen im Inneren sind von durchschnittlicher Qualität und der Druck ist okay, wenn auch streckenweise für meinen Geschmack zu dunkel geraten. Was mich allerdings etwas gestört hat, ist die vollständige Abwesenheit von Kartenmaterial. Das Buch ergeht sich in den einzelnen Szenarien mal mehr, mal weniger exzessiv in der Beschreibung von Schauplätzen, aber wenn man schon beginnt, die Positionen und Leuchtradien von Kohlebecken zu beschreiben – wäre eine kurze Skizze dazu nicht irgendwie nahe liegend?
Die Übersetzung des Buches hat mir (ohne Kenntnis des Originals) gut gefallen, sie liest sich flüssig und obwohl fünf verschiedene Übersetzer am Werk waren, ist der Gesamteindruck hier stimmig. Es gibt ein paar Flüchtigkeitsfehler, die alle Euphorie dahingehend bisweilen etwas trüben (etwa ein Tippfehler auf dem Backcover), aber alles in allem geht das Buch handwerklich voll in Ordnung.
Das einzige, was ich noch negativ anmerken muss, bevor wir zum Inhalt kommen, ist der Preis, denn ich persönlich finde, dass das Buch mit 17,95 Euro sauteuer ist. Es mag damit durchaus im aktuellen Preisspiegel der Szene gar nicht so weit ab vom Schuss sein – die deutschen Ausgaben von Barbarians of Lemuria und Dungeonslayers sind ja ähnlich bepreist – aber 136 schwarzweiße Seiten für 17,95 Euro ist und bleibt relativ wenig Umfang für ziemlich viel Geld.

Doch kommen wir zum Inhalt. Das Buch bietet eine Einführung in das Thema Pulp, fünf Szenarien, einen recht willkürlich wirkenden Artikel über Geheimkulte auf der Welt und Beispielcharaktere. Letztere sind insofern interessant, als dass das Buch generell davon ausgeht, dass man mit diesen Charakteren spielt. Zwar geht es auch sicherlich mit anderen, doch nur, wenn der SL einen teils erheblichen Mehraufwand in Kauf nimmt. Dafür hat es mir gefallen, dass für jeden der Charaktere auch schon beispielhaft die Steigerungen für den gesamten Zeitraum der Abenteuerreihe angegeben sind, so dass eine spontane Spielrunde auch einfach nur Abenteuer Nr. 3 spielen könnte und dennoch passende Charaktere hat.
Übrigens steht im ersten Textabsatz des ganzen Buches schon, dass man die vollständigen Charakterbögen auf auf der Webseite von Prometheus herunterladen kann. Was man nicht kann, jedenfalls nicht zu dem Zeitpunkt, an dem ich diese Rezi (nach der Veröffentlichung des Buches wohlgemerkt) schreibe. Nun ist das nicht schlimm, die Werte sind ja durchaus im Buch vorhanden. Trotzdem sieht sowas einfach unschön aus.

Der Rest des Buches allerdings kommt aus einer Spielphilosphie heraus, bei der es mir kalt den Rücken herunter läuft. Das beginnt bereits bei der Einführung in das Thema Pulp: Wenn ich die Herangehensweise des Autors benennen müsste, so ist es vor allem der Ansatz, im Zweifel Spielerfreiheit und Regeltreue vollkommen über Bord zu werfen, damit am Ende eine schöne Pulp-Geschichte entsteht. Insbesondere die Sonderregeln für Erzbösewichte sind grauenvoll geraten und etwa so konzipiert, dass ein Schurke im Zweifelsfall durch einen Regelvorteil handeln und entkommen darf, bevor die Spieler richtig handeln können. Gruselig.
Absolut großartig finde ich dagegen die modifizierten Verfolgungsjagd-Regeln. Durch bestimmte Aktionskarten werden in denen jeweils an die aktuelle Situation angepasste Mini-Ereignisse ausgelöst, die für Atmosphäre sorgen, die zahlreichen Verfolgungen in dem Buch frisch halten und hier tatsächlich gekonnt die Pulp-Atmosphäre unterstützen.

Die fünf Abenteuer bedienen verschiedene Pulp-Geschmäcker, bleiben aber insgesamt noch im eher bodenständigeren Bereich des Genres. In „Das Ende aller Kriege“ gibt es Giftgas, Nazis und fleischfressende Käfer, in „Chaos auf Kreta“ wird unter anderem das Labyrinth des Minotaurus näher beleuchtet. „Im Netz des Spinnenkultes“ bietet genau, was der Titel verspricht, „Der Schatz der Templer“ ist ein überregionales Abenteuer das von Amerika über Ägypten bis ins ewige Eis führt und in „Die Krallen Lo-Pengs“ geht es um ein verfluchtes, asiatisches Erbe und einen machtvollen, uralten Gegner.

Leider liest sich das alles recht spannend, ist aber am Spieltisch mit einer besonderen Tücke gesegnet. In den Daring Tales fahren die Spieler mit der Plot-Eisenbahn von A über B nach C, und das teilweise ohne Sinn und Verstand. Railroading ist an der Tagesordnung, so sehr, dass bereits im ersten Abenteuer ein Textkasten steht, der genau das erläutert. Allerdings ohne Lösungsansatz, allenfalls mit Problembewusstsein.
In „Das Ende aller Kriege“ werden die Spieler vergiftet, ohne dass sie es verhindern können und mit einem Gift, gegen dass sie nicht würfeln dürfen, alleine, damit sie dramaturgisch sinnvoll in Gefangenschaft geraten können. Auch in „Chaos auf Kreta“ werden die Spieler gefangen genommen – hier ist es kein Gift, sondern der schlichte Eintrag „Schläger (unendlich)“, der das bewerkstelligen soll.
Aber auch darüber hinaus sind die Abenteuer schmerzhaft schematisch in ihrem Aufbau. Gerade die ersten drei Szenarien lassen sich grob in eine Reihe von Ereignissen gliedern, die alle so funktionieren, dass erst eine belanglose Unterhaltung oder Interaktion mit etwas folgt, darauf ein Kampf (und/oder eine Verfolgungsjagd), dann exakt ein einziger, aber expliziter Hinweis und eine Wiederholung des Schemas.
Selbst das Labyrinth des Minotaurus bietet den Spielern nicht die Möglichkeit, es frei zu erkunden. Es werden Karten gezogen, bis ein Ausgang erreicht ist. Vielleicht treffen sie unterwegs den Minotaurus, aber wenn nicht ist auch nicht schlimm, dann nämlich wartet er am Ausgang.

Im Buch wird argumentiert, dass so das hohe Tempo erreicht würde, das charakteristisch für Pulp-Geschichten sei und daher auch im Rollenspiel umgesetzt werden müsse. Ich kann dem nur vehement widersprechen. Alle enthaltenen Szenarien, insbesondere die ersten drei, sind eine Sammlung von Kämpfen. Oft sehr interessant ausgestalteten Kämpfen – aber es ist kein Rollenspiel. Es erinnert mich mehr an ein Computerspiel, wo Actionsequenzen und nicht-interaktive Cut-Scenes sich abwechseln. Das ist kein Feature, das ist schlechtes Design. Die Abenteuer-Aufhänger sind plump und funktionieren großteilig nach dem Schema „Ein alter Freund, den euch der SL gerade aufs Auge drückt, meldet sich bei euch...“

Das alles ist insbesondere schade, weil die Szenarien ab und zu durchscheinen lassen, was sie sein könnten. Seien es nun die gelungenen Verfolgungsjagdregeln, oder etwa der Anfang von „Die Krallen Lo-Pengs“ – denn das Abenteuer beginnt mit der Rückblende auf ein früheres Abenteuer, die dann auch gespielt werden darf.

Es stecken richtig gute Ideen in dem Buch und wem partout selber nichts zum Thema Pulp einfällt, der sollte dem kleinen Band eine Chance geben. Alle anderen aber lassen ihn vermutlich besser im Laden – das Buch ist ziemlich teuer und die Abenteuer sind entweder Eisenbahnen oder aber verlangen nach massivem Mehraufwand des Spielleiters.
Die deutsche Savage-Worlds-Gemeinschaft lechzt verzweifelt nach neuem, gutem Material für ein Spiel, das extrem pompös gestartet ist, um das es dann aber sehr leise wurde. Nachschub ist mit Daring Tales of Adventure nun gegeben, aber ob es das ist, was sich die Fans erhofft haben, würde ich bezweifeln.


Titel: Daring Tales of Adventure
Autor: Paul „Wiggy“ Wade-Williams
Verlag: Prometheus Games
ISBN: 978-3-941077-31-7
Seitenzahl: 136 Seiten Softcover
Sprache: Deutsch
Preis: 17,95 EUR {jcomments on}

Mit freundlicher Unterstützung von Prometheus Games.