Savage Worlds 2nd Edition

GET SAVAGE!
vom Backcover von Savage Worlds

Ein universelles Rollenspielsystem mit allen Regeln auf 144 Seiten? Klingt zunächst nach einer sehr unglaubwürdigen Ankündigung, gerade wenn man sich D&D oder DSA ansieht, die für ihre grundlegenden Regelsysteme (neuerdings mit Versionsnummern) zig hunderte von Seiten benötigen. Das erstaunliche ist aber, dass Savage Worlds (SW) auf diesen 144 Seiten nicht nur alle grundlegenden Regeln unterbringt, sondern auch Tipps gibt, wie man sein eigenes Setting mit diesen Regeln umsetzt.

Was ist aber nun SW? Zunächst einmal ein generisches Regelsystem für alle möglichen Rollenspielwelten. Das klingt natürlich zunächst einmal wie das Versprechen von einigen anderen Systemen, doch SW trägt stolz ein riesiges Schild vor sich her auf dem steht: "Fast! Furios! Fun!" Das gibt die Intention der Regeln eigentlich schon sehr gut wieder, denn SW steht für große Helden, cineastische Action und schier unmögliche Aktionen. Wer es liebt sich einen Bauern samt Knüppel zu erstellen und nach dem ersten Kampf an einer Krankheit zu sterben, der ist mit SW falsch beraten. Hier sind die Charaktere Helden und vollbringen Übermenschliches.

Doch schauen wir mal, wie dieses Spielkonzept in den Regeln umgesetzt wurde. Das System basiert lose auf dem alten Deadlands, jedoch viel mehr auf dem später zu diesem Rollenspiel erschienen Tabletop "The great rail wars". Attribute und Fertigkeiten wird jeweils ein Würfel zugeordnet, wobei die Palette von w4 bis w12 reicht. Die Schwierigkeit für die meisten Proben liegt bei 4. Wir stellen also fest, dass ein ungelernter Charakter für eine normale Tätigkeit nur eine 25%-Chance auf Erfolg hat und selbst ein Meister noch zu 25% scheitert. Wieso ist das nun heroisch? Nun, alle wichtigen Figuren, die Spielercharaktere, sowie die benannten Schurken, sind sogenannte "Wild Cards". Diese "Wild Cards" können zum einen zu jedem Wurf einen w6 zusätzlich werfen und sich das bessere Ergebnis aussuchen. Zum anderen können sie "Bennies" benutzen, eine Art Glücks- oder Schicksalspunkt. Alle Würfe bei SW sind nach oben offen, d.h., wenn man auf einem w6 eine 6 würfelt, dann würfelt man erneut und addiert das Ergebnis des neuen Wurfes auf. Das wiederholt man so lange, bis man kein Maximum mehr auf dem Würfel würfelt. Dadurch wird der zusätzliche w6 natürlich noch attraktiver und erhöht die Aussichten auf hohe Erfolge noch mehr. Die "Bennies" können eingesetzt werden um Würfel zu wiederholen oder, was noch wichtiger ist, um Schaden abzuschütteln. Ungenutze "Bennies" können am Ende der Sitzung mit etwas Würfelglück sogar weitere Erfahrungspunkte einbringen. "Wild Cards" haben drei Wunden, bevor sie ernsthaft verletzt werden. Namenlose und unwichtige NSC haben nur drei die drei Verletzungsgrade Unverletzt, betäubt und ausgeschaltet. Das erleichtert die Arbeit des Spielleiters enorm, neben einer weiteren Feinheit: Alle NSCs auf Seite der Spieler, werden auch von diesen kontrolliert. Das System setzt ganz bewusst auch auf Massenschlachten und die schnelle Abwicklung von diesen. Und wenn jeder Spieler dann für zwei oder drei Milizwachen oder Soldaten würfelt und der SL nur für die Gegner, wird alles viel schneller und die Spieler müssen nicht untätig herumsitzen. Sehr gut!

Die Fertigkeitsliste ist mit nur zwei dutzend Einträgen sehr generisch gehalten und bietet nur einige, sehr weitläufige Fähigkeiten, wie Fighting, mit dem alle Nahkampfmanöver ausgeführt werden, vom waffenlosen Angriff bis hin zur Attacke mit einem zweihändigen Kettenwaffe. Für wen es aber dennoch wichtig ist, mit Pistolen besser umgehen zu können als mit Gewehren, der sich weiter über "Edges" spezialisieren. Was nicht in die restlichen Fertigkeiten passt, wird mit "Common Knowledge" abgedeckt. Das sind relativ wenig Eigenheiten um einen Charakter an seine Vorlieben und Besonderheiten anzupassen, weswegen es noch eine umfangreiche Liste von Vorzügen und Schwächen gibt, sowie die "Edges". "Edges" sind Spezialmanöver, die jeder lernen kann und die den Charakteren ihre übermenschlichen Aktionen erlauben. Die "kewl powers" des Systems sozusagen, mit denen man schneller angreift, weiter springt und besser zaubert. Magie ist in einem eigenen Kapitel abgehandelt und ebenso abstrakt wie die Fertigkeiten. Die Fähigkeit "Bolt" gibt nur an, dass der Anwender der Kraft eine Ladung Energie auf das Ziel wirft um es zu schädigen. Ob dies nun Feuer, Blitz oder Laserenergie war, darf man anhand des Settings und seiner Vorlieben selbst entscheiden. Übrigens werden nach diesem System auch Superkräfte von Comichelden simuliert, so dass man auch dieses Setting mit SW nachspielen kann. Weitere Regeln gehen näher auf Luftkampf oder das Verwenden von Fahrzeugen ein, auf Angst, Umwelteinflüsse, Verfolgungsjadten und sogar Massenschlachten wie die Belagerung einer Burg! Abgerundet wird das ganze noch mit einer Liste von vorgenerierten Monstern, bzw. Gegnern.

Ein ganz großes Lob verdient auch die Spielleitersektion, welche tatsächlich einmal wirklich effektive Tipps bereithält und nicht den üblichen Schmu. Es wird erklärt, dass man einen festen Termin für seine Rollenspielrunde haben sollte, weil man es sonst direkt dran geben könnte. Es wird erklärt, wieso Horror im Rollenspiel normalerweise nicht funktioniert. Es werden Kampagnenstile vorgestellt und wie man diese umsetzt. Dieses Spielleiterkapitel kann man wirklich einmal effektiv benutzen, statt nur zu lesen und dann darüber zu philosophieren. Daumen hoch!

Kommen wir nun zu den eher schwächeren Elemten von SW. Da wäre zunächst einmal der Preis. 30 Dollar für 144 Seiten sind, auch wenn sie vollfarbig im Hardcover kommen, ein ziemlich dicker Hund! Die optische Präsentation ist eher unterer Durchschnitt, mit beigen Seiten und zweispaltigen Layout. Man muss dem Buch zugute halten, dass es übersichtlich und klar gegliedert ist, doch sonderlich schön anzuschauen ist es nicht. Die Illustrationen sind quietschbunt und durch das offene Regelsystem für diverse Settings natürlich auch thematisch sehr breit gestreut. Das richtige "Fast! Furios! Fun!"-Gefühl verbreiten sie nicht unbedingt und auch handwerklich sind sie eher Mittelmaß. Der, leider nicht sonderlich umfangreich geratene Index des Buches ist etwas unglücklich platziert und findet sich nicht am Ende des Buches, sondern vor der Zusammenfassung der Schablonen. Die Regelung, dass ungenutzte "Bennies" am Ende des Spiels in Erfahrungspunkte umgewandelt werden können, ist etwas missglückt. Für jeden "Bennie", den man am Ende des Spiels noch hat, hat man eine 1 zu 3-Chance auf einem w6, einen zusätzlichen Erfahrungspunkt zu erhalten. Bei durchschnittlich 2 EP pro Sitzung und einigen "Bennies" der Spielercharaktere kann das schnell zu Balancingproblemen innerhalb der Gruppe führen. Auch ist diese Regelung thematisch schwach, denn sie bestraft diejenigen Spieler, welche ihre Punkte für "Fast, Furios, Fun!" ausgeben und nicht taktisch horten. Eine letzte Seltsamheit, ist die detailierte Fixierung des Systems auf Ausrüstung. Ich kann es nicht verstehen, wieso ein System, welches den Skill "Shooting" hat, zwischen einem "Colt Dragoon (.44)" und einem "Colt 1911 (.44)" unterscheidet, die nahezu identische Werte haben. Hier wird es nicht cineastisch, sondern sehr kleinkariert, was irgendwie einen Bruch mit dem restlichen Spiel darstellt. Das kann man zwar mit den Angaben der "Basic Range Weapons" umgangen werden, aber auffallend ist dies schon.

Und nun das Fazit? Ob man nun in der generischen Fantasywelt mit seinem Paladin Orks abschlachten will, auf fernen Planeten Aliens in seinem fast unsichtbaren Kampfanzug verfolgt oder im sich im Wilden Westen Showdowns mit Untoten stellen möchte, SW ermöglicht dies alles und zwar nach dem Motto: "Fast! Furios! Fun!". Schaut bei www.peginc.com vorbei, ladet euch das Demo-Kit herunter und probiert es mal aus. Es sollte sich für alle Fans von cineastischem Rollenspiel lohnen!


Name: Savage Worlds 
Verlag: Great White Games 
Sprache: englisch{jcomments on}
Autor: Shane Hensley, John R. Hopler & Zeke Sparkes 
Empf. VK.: 29,99 US-Dollar 
Seiten: 144 farbig, Hardcover 
ISBN: 0976360101