Shadowrun 3 - Portfolio eines Drachen: Dunkelzahns Geheimnisse

Der Drache ist tot!
- vom Backcover von Portofolio eines Drachen: Dunkelzahns Geheimnisse

Dunkelzahn ist tot! Nunja, das ist ja nun nicht wirklich eine Schlagzeile die Shadowrunfans überrascht. Das Original dieses Buches erschien im Oktober 1996. Das heißt, es ist zu dem Zeitpunkt der Entstehung dieser Rezi 7 ½ Jahre alt. Und das ist eine verdammt lange Zeit. Quasi als Euphemismus steht dann auch ein „Shadowrun Classic“ auf dem Backcover. Mhm.... Braucht man einen Band mit Hintergrundinformationen die fast acht Jahre alt sind? Dieser Band richtet sich eh mehr an Sammler, daher auch die Limitierung auf 2.000 Exemplare.

Portfolio eines Drachen: Dunkelzahns Geheimnisse. Umständlicher Titel und ich gebe zu, ich wusste nicht was ein Portfolio ist. Aber dank der wunderbaren Welt des Internets ist die Recherche ja um einiges einfacher geworden. Nun, liebe Leser, will ich mein Wissen mit euch teilen ;-):
In der Finanzwelt bezeichnet der Begriff Portfolio ein Bündel von Investitionen, das im Besitz einer Institution oder eines Individuums ist. Dem Aufbau eines Portfolios geht in der Regel eine umfangreiche Analyse voraus. Der Besitz eines Portfolios ist in der Regel Teil einer Strategie, die Risiken finanzieller Investitionen zu senken.

Okay, wäre das geklärt. Kommen wir mal zum Buch an sich. Das Cover entspricht dem Original von Jim Nelson und zeigt einen blauen Drachenkopf frontal, aus dessem Mund Dampf entweicht. Ein hübsches Bild. Nach einer Einleitung, die sich an die Spielleiter unter uns richtet, geht es dir direkt mit „Der letzte Tanz des Drachen“ weiter. Wie schon zu erahnen, geht es in diesem Kapitel um die letzten Stunden und den Tod des Drachen. Und die letzten Stunden sind nun mal jene, direkt nach dem Sieg Dunkelzahns bei der Präsidentschaftswahl in den UCAS (den vereinigten kanadischen und amerikanischen Staaten). Das Kapitel ist als Nachrichtensendung aufgemacht, um ein möglichst „realistisches“ Bild zu bieten. Unterbrochen wird der Text immer wieder durch den „Shadowtalk“, jenen mehr oder minder geistreichen Kommentaren von anderen Usern des Shadowland-Netzes. Ebenfalls in diesem Kapitel zu finden sind mehrere Interviews mit Zeugen des Anschlags auf den Präsidenten / Drachen.
Das folgende Kapitel enthält dann das Testament des Drachen an sich. Zwölf Seiten mit mehr als 200 verschiedenen Erben, Bedingungen und Schätzen. Einiges von dem Material wurde inzwischen von den Romanen und auch einigen Quellenbüchern abgedeckt, daher ist es für den heutigen Leser weder überraschend noch neu. Intime spielt das Buch 2057, aktuell liegt die Zeitleiste aber bei 2064.
Im Kapitel „Fallout“ werden dann die Nachwirkungen von Big Ds Tod erwähnt. Wer übernimmt die Macht in dem neuen Konzern „Draco Foundation“, der sich um den Nachlass des Drachen kümmert? Wer könnte Big D getötet haben und warum? Wie reagieren die Metamenschen auf seinen Tod? Werden die Schatten aktiver oder passiver werden und wo gibt es nun die große Kohle zu holen? Natürlich werden wieder nicht nur Fakten genannt, sondern auch zahlreiche Vermutungen angestellt und alles im Shadowtalk diskutiert.
"Die Mitspieler" listet dann einige der neuen und alten Konzerne und Personen auf, die durch Dunkelzahns Testament etwas gewonnen haben. Miniunternehmen, die von Big D ohne offensichtliche Gründe Millionen Nuyen erhalten haben, werden ebenso diskutiert wie die großen Konzerne ala Ares.
Damit wäre schon mal etwa die Hälfte des Buches durch. Danach kommen noch drei Kapitel, in denen Runner jeweils ihre Erlebnisse bei einem Fall beschreiben, der direkt etwas mit Dunkelzahns Testament zu tun hat.
„Der schlafende Drache“ beschreibt die Suche eines Teams nach einer der vier Münzen des Glücks und enthält ebenso Infos zu dem Jadedrachen von Wind und Feuer wie zu dem chinesischen Konzern Wuxing.
„Wer beobachtet die Beobachter“ beschreibt die Recherche eines Runners, dessen Kumpel und Schieber ermordet wurde. Während seiner Ermittlungen erfährt er, das sein Chummer Informationen gesammelt hat, die zum Großdrachen Dunkelzahn führen. Hatte Dunkelzahn ein Netzwerk aus Shadowrunnern? Jedenfalls wird es im Shadowtalk heftig diskutiert.
„In den Karten“ ist das letzte Kapitel und diesmal nicht vom Shadowtalk durchbrochen. Es ist sogar eine Kurzgeschichte in der Ichform. Es geht um einen Magier, der den ausgebrannten Begründer der hermetischen Theorie beschützen muss. Dieser wird nämlich von Geistern attackiert, die den Darstellungen aus dem Tarotdeck entsprechen, das ihm Dunkelzahn in seinem Testament vermacht hat. Die Auflösung, die Charaktere und auch die Locations in der Geschichte sind gut, aber ich weiß nicht wirklich wie eine Kurzgeschichte zum Rest des Buches passt.
Tja, damit sind die 112 Seiten des Buches auch schon durch. Was ist mir aufgefallen? Zum einen die vielen, vielen Tip- und Satzfehler. So viele Flüchtigkeitsfehler sind mir bisher noch in keinem Fanpro Werk aufgefallen. Dieses Buch ist mit wirklich heißer Nadel gestrickt worden. Übersetzung und Satz sind in bester Ordnung, aber es hätte wirklich nicht geschadet nochmal über den Text zu lesen. Sehr ärgerlich, gerade da es sich hierbei um einen limitierten Band für Sammler handelt.

Und dann noch was zur Optik. Die Qualität der Zeichnungen variiert stark. Kent Buries, einer der üblichen Verdächtigen in den alten Earthdawnbüchern, hat auch wieder zugeschlagen. Hat mich sein überladener Stil in den Earthdawnbänden nur gestört, sieht es bei Shadowrun einfach nur übel aus. Die Zeichnungen wirken, als hätte man ihm gesagt, das Shadowrun wie „Earthdawn, nur mit Knarren“ sei. Und dabei kommen wirklich schreckliche Zeichnungen raus. Weitere Illustrationen stammen von Jeff Laubenstein, Karl Waller, Mike Nielsen und Larry MacDougall, der hier stimmige Bilder statt Gekleckse abliefert.

Tja, ein Fazit fällt mir schwer. Ich bin mir nicht sicher, woran ich mit diesem Buch bin. Zum einen ist es typisches Shadowrun-Kampagnen-Quellenbuch, allerdings sind seine Auswirkungen umfangreicher als gewöhnlich. Aber es ist keinesfalls ein Meisterwerk an Kreativität oder Schreibstil, auch wenn es durchaus unterhaltsam zu schmökern ist. Dazu kommt noch, das die letzten Kapitel nur einige Beispiele geben, was man mit dem Material anfangen kann. Aber es gibt kein definitives „das ist so und so“ für den Spielleiter. Einerseits lässt das dem SL ja alle Freiheit, andererseits auch nicht, da inzwischen viele Ereignisse ja bereits festgelegt wurden. Hinzu kommt noch, dass das Buch so nützlich nicht mehr ist, nach den 7 ½ Jahren, auch wenn Big Ds Tod so hohe Wellen geschlagen hat, das sie noch heute für Überraschungen sorgen können (z.B. das Auftauchen von Ghostwalker in dem Band „Jahr des Kometen“). Das fehlende Lektorat tut dann aber noch sein übriges um dem Buch eine gute Wertung zu verwehren. Ich finde das sehr schade und hatte mit mehr gerechnet. Für Sammler interessant, aber alle anderen sollten sich die Investition doch überlegen.


Name: Portofolio eines Drachen: Dunkelzahns Geheimnisse 
OT: Portofolio of a dragon: Dunkelzahn's Secrets 
Verlag: Fanpro 
Sprache: deutsch
Autoren: Steve Kenson, Mike Colton, Tod Bolling, Jon F. Zeiger 
ISBN: 3890647707
Empf. VK.: 20 Euro 
Seiten: 112 s/w{jcomments on}