Shadowrun 4 - Grundregelwerk (Neuauflage)

„Wir schreiben das Jahr 2072. Die Magie ist zurückgekehrt. Die Matrix vernetzt die Welt. Kreaturen aus Mythen und Legenden leben unter uns, während Megakonzerne das Schicksal der Metamenschen bestimmen. Du bist ein Shadowrunner.“

vom Backcover vom Grundregelwerk, 4. Edition (Neuauflage)

Lange habe ich überlegt, wie ich diese Rezension hier aufbauen sollte. Und obwohl es immer als unprofessionell gilt, möchte ich gewissermaßen vorne anfange. Mitte der 90er kaufte ich mir, gemeinsam mit fünf Mitschülern, mein erstes Shadowrun-Grundregelwerk. Das war damals ein ungeheuer imposantes Buch, auch wenn es, schaut man heute noch mal rein, schon mächtig antik wirkt. Damals war es ein Kracher.
Natürlich hatte das damalige Regelwerk einige Schwächen, die mich bis heute erschaudern lassen. Ich denke da an die Dungeon-artigen Matrix-Knoten-Systeme, irrsinnige Pools, aber auch Wunderwerke wie etwa das Granaten-Schaden-Streu-Diagramm, das ich bis heute nicht verstanden habe. Aber das war egal, denn der Hintergrund mit seiner Mischung aus „Herr der Ringe“, „Akira“ und „Neuromancer“ – nicht dass ich da außer dem Tolkien damals was von gekannt hätte – zog uns alle in seinen Bann.

Es folgte eine dritte Edition, die bei mir irgendwie gar keinen bleibenden Eindruck hinterließ und letztlich führte der Weg zur vierten Edition. Was habe ich mich damals auf das Grundregelwerk gefreut, das die Matrix nur ca. 80 Jahre nach Einführung der Handys in unserer Welt in die Drahtlosigkeit führen und die Regeln massiv vereinfachen sollte. So, dass man auch einfach „mal“ eine Runde Shadowrun spielen konnte.
Inhaltlich war das Buch auch sicherlich nicht schlecht, aber rein handwerklich stellt das Grundregelwerk der vierten Edition, wohlgemerkt die alte Ausgabe, die ich hier nicht bespreche, so ziemlich den größten Patzer dar, den ich zusammen mit „Secrets of Zir'An“ je erlebt habe. Aber die Zeiten ändern sich.
Die amerikanische Lizenz ging von FanPro via WizKids and Catalyst Game Labs, die deutsche Lizenz von FanPro zu Pegasus und hier liegt es nun vor mir, das gewissermaßen zweite Grundregelwerk der vierten Edition.

Meine Herren ist das ein Buch geworden!
Nicht nur einfach dicker (408 Seiten gegenüber 344 früher), nicht einfach nur schwerer (1,55 kg gegenüber 1,23 damals), nein, das Buch ist auch noch vollfarbig!
Jawohl, richtig gelesen, nicht mehr schwarzweiß mit fiesen, unangenehm grünen Designs wie bisher, sondern kräftiger, satter Vierfarbdruck auf allen Seiten! Zahlreiche Illus und manches alte, vermutlich von Fans sehr geliebte Cover haben es in das Buch geschafft, so dass es rundum einen bombastischen Eindruck hinterlässt. Das beginnt schon auf der ersten Seite des Buches – hier schließt sich der Kreis – denn anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums des Spieles thront dort, direkt hinter dem wunderschönen, neuen Cover tatsächlich das alte Titelmotiv der ersten beiden Editionen des Spiels. Ein positiver Eindruck, der auf allen Seiten gehalten wird. Mein Highlight waren definitiv die Karten der UCAS und ADL in stilvoller Satellitenbild-Optik, aber da wird jeder sicherlich etwas eigenes finden.

Moment mal, ADL? Richtig, auch inhaltlich hat sich einiges getan. Neben vielen, vielen, vielen Errata, die gegenüber der vorigen Ausgabe notwendig waren (selbst die Tabelle zur Generierung von Startattributen war ja lückenhaft), fällt da vor allem ein neues Kapitel zur ADL auf. Das ist nicht umfangreicher als bisheriges Material zur UCAS, aber ermöglicht es, mit dem deutschen Regelwerk ab jetzt auch direkt in deutschen Landen zu spielen. Zweifelsohne eine sinnvolle Einrichtung. Auch sind die Regeln der deutschen Ausgabe jetzt endlich wieder kompatibel mit und abgesegnet von der englischen Redaktion.
Dreizehn Kurzgeschichten sind ebenfalls in dem Band verteilt untergebracht und die bisherige Übersetzung an vielen Stellen behutsam oder auf weniger unauffällig optimiert. Das neue Layout ist nicht nur schön, sondern auch sehr übersichtlich und da, wo meine bisherige FanPro-Ausgabe von gelben Klebezetteln nur so durchsetzt ist, habe ich mich in der Neuauflage eigentlich immer sofort zurecht gefunden.
Da hilft auch sicherlich der imposante Index, der sich auf fünf Seite je vier Spalten in Schriftgröße 6pt. erstreckt einen großen Teil, denn wer etwas sucht, und hier nicht findet, erlebt eine Ausnahme. Von Abdrängen bis Zwerge, mit Ausläufern über Begriffe wie Mafia-Consiglieri, Sprühkleber und Vibrationsdetektor. Da bleiben keine Wünsche offen, der „Index der Tabellen“ im Anschluss ist dann nur noch die Krönung.

Im direkten Vergleich hat sich beim Aufbau beider Bücher nicht viel verändert. Die Kapitel von vorne bis hinten „Willkommen in den Schatten“, „Geschichtslexikon“, „Allianz deutscher Länder“ (komplett neu), „Leben in den 70ern“, „Spielkonzepte“, „Charaktererschaffung“, „Vorgefertigte Charaktere“ (in der bisherigen Ausgabe ohne Seitenzahlen als Farbtafeln mitten im nächsten Kapitel angebracht), „Fertigkeiten“, „Die erwachte Welt“, „Die WiFi-Welt“, „Die Schatten sehen und überleben“, „Freunde und Feinde“ sowie „Straßenausrüstung“.
Eine Änderung der amerikanischen Auflage hat es dabei übrigens nicht in die deutsche Ausgabe geschafft: der „Master Index“. Diese Gesamtübersicht zum Inhalt aller (!) Regelbücher des Spieles wird in Deutschland dann dem „Runnerkompendium“ beigefügt sein – einfach, weil vorher ohnehin keine Komplettliste machbar war.
Ansonsten sind viele Änderungen im Detail zu suchen, von kleinen, veränderten Zahlen bis hin zu komplett neuen Übersichtstabellen und dergleichen.

Alles in allem kann man sagen, dass die Neuauflage des Grundregelwerks ein voller Erfolg ist. Sie sieht phantastisch aus, ist stabil mit Lesebändchen gebunden, von den Produktionswerten aber ja ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Sie ist dazu aber auch noch von allen Fehlern bereinigt, übersichtlicher und vollständiger, besser zu bedienen und auf dem aktuellsten, Amerika angeglichenen Regelstand.
Nimmt man dazu noch das Kapitel über die ADL mit in das Fazit ein, so kann man nur zu einem Ergebnis kommen: Wer Shadowrun spielen will, der muss dieses Buch hier kaufen!
Und dabei habe ich den extrem kundenfreundlichen Kampfpreis von 39,95 Euro noch gar nicht erwähnt.

Pegasus haben sich mit diesem Buch selbst übertroffen.


Name: Shadowrun - Grundregelwerk der vierten Edition
Verlag: Pegasus Spiele
Sprache: Deutsch{jcomments on}
Autoren: diverse
Empf. VK.: 39,95 Euro
Seiten: 408