Star Wars - Saga Edition

Experience the excitement and epic scope of the greatest space fantasy of all time!
vom Backcover von Star Wars Saga Edition

Es dürfte keinem regelmäßigen Leser der DORP und erst Recht niemandem, der mich kennt, schwer fallen, zu verstehen, was ich meine, wenn ich sage, dass mich das Erscheinen der neuen „Saga Edition“ der d20-Star Wars-Version in Aufregung versetzte. Nicht nur bestand so nach langer Zeit erneut eine Chance auf ein brauchbares, offizielles Star Wars-Rollenspiel, nein, es bedeutete die Wiederbelebung des Spiels an sich. Denn seit Jahren war nun nichts mehr für SWd20 erschienen und man konnte doch gespannt sein, was zur Neuauflage beigetragen wurde, um sie für den Verlag wieder interessant zu machen.
Nun wissen wir natürlich etwas mehr. D&D4E ist angekündigt und man muss nicht lange grübeln um zu dem Ergebnis zu kommen, dass die noch immer d20-basierte „Saga Edition“ demnach wohl auch ein Testballon für neue Mechanismen ist. Soll mir aber Recht sein, denn wie wir im Laufe dieser Rezension noch sehen werden, sind die Neuerungen recht zahlreich und eigentlich alle soweit auch gut.

Doch was einem zunächst ins Auge fällt, ist das veränderte Design. Die „Saga Edition“ ist in einem Format erschienen, von dem ich getrost sagen kann, auch nach neun oder zehn Jahren des aktivem Rollenspiel-Kaufens ist mir sowas auch noch nicht auf den Tisch gekommen.
Das Buch misst 24 cm an der unteren Kante, also nur minimal mehr wie eigentlich jedes amerikanische Hardcover, ist aber ebenso nur 24 cm hoch!
Das Buch hat fast das klassische Format eines amerikanischen Grundbuchs, aber es ist dabei quadratisch! Das sieht sehr schräg aus und man fühlt sich, irgendwie, bei der ersten Lektüre sehr eigenartig. Das Innenlayout ist natürlich darauf angepasst und daher auch eher ungewöhnlich gesetzt.
Jetzt aber, nach längerem Hantieren mit dem Buch und der gründlichen Lektüre muss ich festhalten, dass ich diesem Format eine ganze Menge guter Seiten abgewinnen kann. Angefangen bei der Handlichkeit über das Gewicht, den geringeren Stauraum bis hin zum Komfort beim im-Bett-liegend-lesen ist das Buch eigentlich recht bequem. Und, anders als etwa bei dem internationalen Comicbuch-Format, dass die Unisystem-Bücher großteilig haben, geht trotzdem sehr viel auf eine Seite.
Überhaupt, das Buch ist erstaunlich vollständig und textreich. Man darf also nicht den Fehler machen, von der verringerten Größe auch einen verringerten Inhalt rückzuschließen – oh nein, eher sogar im Gegenteil.
Die „Saga Edition“ ist jedenfalls schön. Das matte Schwarz des Einbands ist sehr elegant und mit einem goldglänzenden Darth Vader verziert, was sehr edel wirkt. Es passt damit zu vielen der offiziellen Designs (etwa der ersten Special Edition-VHS-Box oder der ersten DVD-Auflage) und macht sich auch noch schön auf dem Couchtisch.
Das Innenlayout ist zwar eher zweckmäßig als schön, aber punktet in seinem Speziagebiet dafür voll. Man findet sich gut darin zurecht, man hat oft alle wichtigen Informationen genau auf einen Blick und Themenfelder sind gut voneinander abgegrenzt. Die Illustrationen sind nahezu allesamt aus alten Büchern wiederverwertet, passen aber gut zueinander und sind immer schön ins Layout eingebunden.
Einzige Kritikpunkte an der Aufmachung des Buches wären meinerseits der sehr schlampige und viel zu grobe Index sowie das Fehlen einer Sternenkarte, wie sie in den vorigen Versionen noch vorhanden war.

Außerdem liegt dem Buch noch ein Gimmick bei: Die „Saga Edition“ wird komplett mit einer Battle Map ausgeliefert. Das ist eine in diesem Fall ebenso große wie unformatige Karte mit d20-geeignetem Miniaturenraster. Die letzte Karte dieser Art lag dem Spielleiterschirm der ersten Edition der SWd20-Fassung bei und damals hab ich mich doch ziemlich über das Teil aufgeregt.
Das war aber vor allem eine Preis-Leistungs-Frage, die bei diesem Buch rein auf die Karte bezogen nicht so aktuell ist. Wohl aber gibt es auch dieses Mal Grund zur Kritik, denn anders als damals ist die Karte nicht „blanko“, sondern bietet zwei ganz spezifische Settings.
Das ist vielleicht ganz nett um Kunden vom Miniatures Game zu ködern, aber für den Rollenspieler bringt das Extra so wenig. Denn die Frage, wie oft man denn wohl eine Feuchtfarm und wie oft man eine Landbasis mit immer dem exakt gleichen Layout verwenden kann, erscheint mir berechtigt. „Nicht gerade oft“ erscheint mir die Antwort.

Aber kommen wir zum Inhalt. Es ist unverkennbar, auch die „Saga Edition“ ist im Herzen noch immer ein d20-System. Also die Skills und Stats, die gewohnte Erschaffung, Saving Throws, das ist alles soweit das bekannte Bild? Eher nicht.
Die Änderungen sind durchaus da, liegen aber im Detail. Wir werden ob der Menge in dieser mal nur ein paar der in meinen Augen bedeutsamsten Änderungen charakterisieren.

Das beginnt bereits bei den Charakterklassen. Das „Star Wars Roleplaying Game Revised Core Rulebook“ (ab jetzt SWd20-R) hatte derer neun, bei der „Saga Edition“ sind es nur noch fünf. Die Besonderheit: Das neue System ist trotz dieser vermeintlichen Kürzung erheblich flexibler als das alte. Warum?
Die Lösung sind die sogenannten „Talent Trees“. Die alten Steigerungstabellen je Charakterklasse wirkten bisweilen recht willkürlich und nach einem regelrechten Kraut-und-Rüben-Schema angefüllt, in der „Saga Edition“ sind sie sehr gestreamlined. Neben wenigen Ausnahmen und sieben charakterklassenunabhängigen Feats erhalten Charaktere nun bei jedem Anstieg abwechselnd einen Bonus Feat bei geraden und ein Talent bei ungeraden Stufen. Die Bonus Feats wählt man aus einer Liste der Klasse gemäß, bei den „Talent Trees“ ist das System anders.
Jede Charakterklasse hat eine Reihe von „Bäumen“ zu bestimmten Themen. Der Jedi kann etwa zwischen dem „Jedi Consular“-, dem „Jedi Guardian“-, dem „Jedi Sentinel“- und dem „Lightsaber Combat“-Talent Tree wählen. Das ist keine endgültige Enscheidung, man kann durchaus zwischen den Bäumen wechseln, kauft sie aber linear ab. Jeder bietet eine Reihe von besonderen Eigenschaften, die den Charakter für das jeweilige Feld optimieren.
Der „Noble“ etwa wählt an dieser Stelle jeweils, ob er einen neuen Skill aus der Kategorie „Influence“, „Inspiration“, „Leadership“ oder „Lineage“ möchte, der Soldier kann hingegen zwischen „Armor Specialist“, „Brawler“, „Commando“ und „Weapon Specialist“ wählen.
Ergreift man eine Prestige-Klasse, so bringt diese einem auch jeweils noch einen weiteren Baum zur Wahl mit. Wird unser gerade genannter Soldier also etwa „Gunslinger“, dann kann er auch noch den „Gunslinger“-Talent Tree erwerben.
Das finde ich ziemlich prima und hat mir sofort gefallen, bringt es doch weit mehr Abwechslung in den Klassenalltag, ohne die gegenwärtige Spezialisierung zu beeinträchtigen.

Auch an anderen Stellen hat man das System im positiven Sinne vereinfacht. Von den gut und gerne 40 Skills eines SWd20-R sind in der „Saga Edition“ gerade mal die Hälfte geblieben, ebenso wie – auch durch die Talents natürlich – die Feat-Liste wesentlich kompakter ist.
Schön ist auch, dass man die Macht nun endlich einmal einfacher geregelt hat und man nicht mehr weiterhin getrennt mit Force Skills und Force Feats operieren muss. Der Skill heißt nun für alles „Use the Force“, der Rest ist kompakt und dennoch variabel in einem Kapitel gebündelt.

Der erfahrenere D&D- oder auch d20-Spieler wird allerdings im Kampfkapitel noch eine ganze Reihe kleiner und großer Neuerungen finden. So ist die ohnehin nur in den SWd20-Büchern jemals verwendete Dopplung in Vitality- und Wound-Points nun Geschichte und auch Star Wars-Charaktere haben ab jetzt „Hit Points“.
Neu ist dagegen ein Mechanismus, der sich „Condition Track“ nennt. Ähnlich wie Wunden oder Wundlevel in anderen Systemen kann massiver Schadenserhalt nun dazu führen, dass auch aktive Charaktere bereits Mali bekommen. Ein sehr notwendiges und praktisches System, da es die „Fit bis zum Tod“-Problematik von d20 etwas entschärft. Es führt einfach dazu, dass ein Charakter manchmal schlicht nicht mehr in der Lage ist, sich zu Tode zu kämpfen.
Neu sind auch drei Defenses. Die Reflex Defense ist der Grad, der bestimmt, wie schwer ein Charakter zu treffen ist, die Fortitude Defense bestimmt die Resistenz gegen Gifte, Krankheiten und dergleichen und die Will Defense, klar, die Fähigkeit, einer Geistbeeinflussung zu widerstehen.
Über die Fortitude Defense ist auch eine Massive Damage-Regel ins Spiel gekommen, die allerdings feiner arbeitet, als bei D&D. Aktive Saving Throws sucht man dagegen vergebens.

Auch einige der verhassten Regelungen im Kampf selber wurden verändert, beispielsweise der „Grapple“, über den sich die Wizards derzeit in ihrem Promo-Video zu D&D4E ja sogar selber lustig machen.
In SWd20-R füllt der „einen Gegner greifen“-Mechanismus eine komplette A4-Seite, in der „Saga Edition“ ist alles ganz anders. Das, was jeder kann, heißt nun „Grab“ und ist extrem einfach durchzuführen. Die Regeln füllen gerade mal einen Absatz, die Effizienz des Manövers ist aber auch eher eingeschränkt.
Wer dagegen erfahrener Kämpfer ist, der kann auch einen „Grapple“. Der funktioniert ebenfalls an sich schon mal einfacher als früher, hat aber dazu noch das wunderbare Feature, über Feats gesteuert zu werden. Will man den Gegner zu Boden ringen, dann wendet man einfach dabei den Feat „Pin“ an, will man ihm dabei noch wehtun, dann nimmt man dazu noch „Crush“.
Will man dagegen den Gegner zu Boden stoßen, so kombiniert man ein Grapple-Manöver mit dem Feat „Trip“ und schubst ihn, oder wendet neben „Trip“ noch „Throw“ an und wirft ihn ein Stückchen fort von sich.
Oder, noch eine Option, man sagt nach gelungenem Grapple-Wurf die Benutzung einer „light weapon“ an und kann diese dann ohne weiteren Wurf anwenden. Aufgesetze Schüsse etwa.
Das finde ich toll – es ist zwar immer noch sehr „regelig“, aber die zahlreichen Optionen bringen Farbe in den Kampf und die Notwendigkeit des Erwerbs von Feats für richtige Grapple-Kombos gewährleistet, dass Anfängergruppen das nicht alles direkt am Stück können müssen, sondern auch nach und nach lernen können. Löblich.

Doch taugt das Buch auch abseits der offensichtlich besseren Regelmechanismen etwas?
Aber ja! Dass Spielleiterkapitel ist ziemlich gut und widerlegt recht schnell alle möglichen Vorurteile, die „Saga Edition“ würde keinen Wert mehr auf Charakterspiel legen, wäre nur ein tie-in zum Miniaturenspiel oder so.
Ebenfalls ein Novum für ein WotC-Buch ist es, dass nun auch zumindest die wichtigsten Planeten des Settings kurz beschrieben werden. Die Texte sind wirklich kurz, aber höchst nett bereits jeweils auf „Knowledge (Galactic Lore)“ und „Knowledge (Social Sciences)“ verteilt, komplett mit DCs, so dass man die Spieler auch direkt und ohne nachzudenken über das informieren kann, was ihre Charaktere so wissen.
Das klappt in der Regel sehr gut, es gibt allerdings Ausnahmen: Die Beschreibung von Endor etwa geht klar von einem Zeitpunkt nach „Rückkehr der Jedi-Ritter“ aus; es nützt einer Klontruppe wohl nur wenig, sich zu erwürfeln, dass das Imperium den Waldmond als Startpunkt für den Bau des zweiten Todessterns verwendet hat.
Auch sind nicht alle Planeten aus den Filmen in der Übersicht – Mustafar oder Kamino hätte ich da schon gerne noch gesehen. Die Idee zum Kapitel ist sozusagen „sehr gut“, die Umsetzung eher „voll befriedigend“ zu nennen.

Abschließend ist natürlich auch sonst all das im Buch, was man von einem professionellen Rollenspiel erwarten kann, also eine ordentliche Auswahl an Gegnern, Raumschiffen, Werten zu den VIPs des Star Wars-Universums und ein Ausrüstungskapitel. Hier sticht die „Saga Edition“ auch Konkurrenten wie das „Serenity Roleplaying Game“ ordentlich aus, wenn ich mich persönlich auch nicht über einige Viecher und Fahrzeuge mehr gefreut hätte. Ausrüstung ist aber ordentlich und bei den VIPs stimmt der Umfang auch deutlich besser als noch bei den Bänden zu SWd20-R, wo ich bisweilen den Eindruck hatte, man kauft deren Stats immer im Übermaß mit, und redundant dazu.

Ja, was bleibt für ein Fazit? Tolles Buch!
Ich war skeptisch und ob des kruden Formats anfangs verunsichert, aber im Bereich der offiziell lizensierten Spiele ist die „Saga Edition“ in meinen Augen die mit Abstand beste Annäherung an das Star Wars-Setting bisher geworden.
Schön aufgemacht, umfassend und als Stand-Alone ordentlich spielbar, mit sehr vielfältig einsetzbaren, aber einfachen Mechanismen und eine deutliche Fortentwicklung seit der ja teils recht krampfhaft and D&D 3(.5) angeglichenen Vorgänger.
Einen Haken zum Schluss habe ich aber noch: 288 Seiten in diesem quadratischen Format wollen mit 39,95 US-Dollar ziemlich satt bezahlt werden. Aber andererseits bekommt man ein sehr robustes, vollfarbig gedrucktes Buch, dass ohne Zusatzbände für lange, lange Zeit gut spielbar sein sollte, prinzipiell sogar für immer, wenn man bereit ist, Kreaturen- und Schiffswerte etwas zu improvisieren. Denn immerhin heißt unsere Endnote ja auch „Preis/Leistung“ und nicht „Preis/Materialwert“.
Wer ein kommerzielles Star Wars-System sucht, der sollte hier zugreifen. Und wenn D&D4 sich auch in diese Richtung entwickeln sollte, muss ich sagen, dann freue ich mich da auch schon richtig drauf.
Die „Saga Edition“ ist für mich das beste WotC-Produkt seit Jahren und eines der bestkomprimierten Regelwerke seit langem.


Name: Star Wars Saga Edition
Verlag: WotC 
Sprache: Englisch
Autoren: Christopher Perkins, Owen K.C. Stephens, Rodney Thompson, Gary M. Sarli (Developer)
Empf. VK.: 39,95 US-Dollar {jcomments on}
Seiten: 288