Warhammer-Fantasyrollenspiel 3 – Spielerleiter-Handbuch

Nach dem sehr umfangreichen Spieler-Handbuch war ich gespannt, wie das Spielleiter-Handbuch für die dritte Edition des Warhammer-Fantasyrollenspiels ausfallen würde. Das Buch für die Spieler reichte nicht aus, um spielen zu können, da einige Regeln für den Spielleiter eben fehlten. So konnte man ohne das Spielleiter-Handbuch nicht einmal die Monsterwerte lesen und verstehen ...

Aber nun ist es da und es steht einer Spielrunde nichts mehr im Wege, oder? Nunja, wenn man nun entsprechende Monsterwerte beim Abenteuer mitgeliefert bekommt, kann man loslegen. Ansonsten ist der Mangel an Antagonisten beklagenswert, aber darum kümmert sich ja das bald erscheinende Kreaturen-Handbuch. Die Optik des Spielleiter-Handbuchs ist wie zu erwarten: zweispaltig, vollfarbig und  viele tolle Bilder aus zig Jahren Warhammer. Aber was ist nun konkret in dem Spielleiter-Handbuch enthalten?

Es beginnt mit allgemeinen Tipps. Wie behandle ich meine Spieler, wie baue ich Stimmung auf, wie handhabe ich Regelfragen, wie erwecke ich die Welt zum Leben, etc. pp. Nicht unbedingt etwas neues, aber die Hinweise sind auf dem aktuellen Niveau der Diskussionen, wenn man die einschlägigen Foren anschaut. Was mir gut gefallen hat, sind konkrete Fragestellungen, wie man neue Abenteuer einführt, was man mit Helden anfängt, deren Spieler nicht am Spielabend teilnehmen und vor allem, dass nicht immer alles perfekt laufen wird und kann und man verdammt noch mal auch selber Spaß haben soll!

Direkt nach den allgemeingültigen Tipps kommt dann ein sehr konkretes Thema für das Warhammer-Fantasyrollenspiel: die Einteilung des Abenteuers in Episoden und Akte. Auf zehn Seiten wird irgendwie verzweifelt versucht, alle Abenteuer in dieses Schema zu pressen. Das ist deswegen problematisch, weil mit dieser Einteilung Erholungsphasen vorgeschrieben werden, an die man im Abenteuer denken soll, um die Helden auch einmal verschnaufen zu lassen. Aber gerade diese Erholungsphasen sind extrem wunderlich beschrieben und wirken geradezu forciert. Wenn ich das korrekt verstanden habe, was ich keinesfalls glaube, dann ist eine Episode so etwas wie die Folge einer Serie, die Akte ist die Zeit zwischen den Werbepausen und die Werbepausen ... ja, die müssten die Erholungsphasen sein. Aber das sind nicht immer wirkliche Momente zum Luftholen. Ein Beispiel: Die Charaktere unterliegen in einem Kampf, die Tiermenschen drängen von allen Seiten auf sie ein und umstellen sie. Die Horde teilt sich, um eine berobte Gestalt vorbei zu lassen, die ihnen Respekt abverlangt. Die Person schlägt die Kapuze zurück und ... es ist der vermisste Sohn des Barons!  So, nun alle bitte einmal würfeln, um Stress abzubauen. Hä? Das Konzept und die Einteilung kenne ich, aber die Bindung an Spielmechanismen und das rigide Durchziehen dieser Struktur wirkt für mich überzogen.

Darauf folgen Hinweise für erweiterte Proben und komplexe Situationen, die Nutzung eigener Spielleiterressourcen und Verteilen von Belohnungen. Gerade der Umgang mit der Fortschrittsleiste, um etwa die Aktivitäten eines Kultes gegen die Ermittlungen der Charaktere darzustellen, mit konkreten Zeitpunkten, an denen etwas geschieht finde ich großartig. So ist man nicht auf Bauchgefühl angewiesen, sondern kann konkret auf Erfolge und Versagen der Gruppe eingehen. Apropos Versagen ... Regeln für Krankheiten, Wahnsinn und natürlich Verderbnis sind ebenfalls enthalten und werden weitestgehend über Karten abgehandelt, die im Spielleiter-Arsenal zu finden sind. Verderbnis ist übrigens in der dritten Edition des Warhammer-Fantasyrollenspiels ausgesprochen cool geregelt, da es jetzt nicht nur einfach von Charakteren angesammelt wird, sondern der Spielleiter diese Punkte auch einsetzen kann, um Mali zu vergeben, falsche Einflüsterungen zu gestalten oder negative Aspekte des Charakters auszulösen.

Und damit endet auch der Spielleiterteil des Spielleiter-Handbuchs. Moment, was? Ja, denn hier zeigt sich wieder einmal deutlich, dass das Material aus der alten Box stammt und für das Buch zusammengefasst wurde. Die Spielleitetipps nehmen etwa so viel Platz ein, wie die folgenden Artikel zum Glauben und den Magieakademien. Wer einen Priester oder Magier spielen möchte, wäre sehr gut daran beraten, seine Nase in die entsprechenden Kapitel seiner Religion oder seines Ordens zu stecken, da die Hinweise im Spieler-Handbuch kaum ausreichend sind. Somit wäre es besser gewesen, dass Spieler-Handbuch vielleicht nur zu einem reinen Regel- und Nachschlagewerk zu machen und die paar Hintergrundartikel noch in den Spielleiterband zu packen, den man dann auch ehrlicherweise Weltenband oder so hätte nennen können.

Auch wenn die Aufteilung (mal wieder) nicht gerade gut gelöst ist, so machen die Texte der Religion und zur Magie enorm viel Spaß zu lesen. Das liegt zum einen daran, dass diese Magieformen in der grimmen Welt von Warhammer recht ruppig und endgültig ausfallen und zum anderen, weil sie wirklich unterhaltsam geschrieben sind. Vor allem der ganze Magierkram und die Sicht der einfachen Bürger zu den Magistern der magischen Orden ist herrlich und reicht von einer Reihe abstruser Aberglauben, über die bizarren Angewohnheiten der Magier, bis zu den süffisanten Kommentaren des fiktiven Autors. Ja, bei den Magieorden gibt es einen Bruch in der Erzählperspektive und wir lesen die bisweilen subjektiv geprägten Schilderungen eines Grauen Magiers über seine Kollegen. Großartig!

Das Abenteuer am Ende ist richtig gut, aber auch sehr frei, was es möglicherweise knifflig für Einsteiger macht. Man muss die Übersicht über einige NSCs, ihre Aktionen, deren Resultate und gegebenenfalls die Änderungen im Ablauf durch die Handlungen der Spielercharaktere  behalten, während die Charaktere auf einem Jagdgut ermitteln. Es gibt zwar eine hilfreiche Übersicht, doch die Anordnung der Informationen im Abenteuer ist nur bedingt nützlich. Das beginnt damit, dass die NSCs erst bei der Beschreibung des Ortes vorgestellt werden, genauer bei den Räumen, wo man sie meist antreffen kann. Auch wechseln Handlungsabläufe immer wieder mit Beschreibungen, Zeitleisten, Anmerkungen, Regeln und wieder zurück. Ohne einige Kopien von Seiten aus dem Buch und massive Notizen des Spielleiters wird es schwierig, das Abenteuer zu leiten.

Im Anhang finden sich dann noch Tabellen zum Auswürfeln für kritische Treffer, Wahnsinn, Zauberpatzer, Mutationen und Krankheiten . Dazu sind auch passende Karten im Spielleiter-Arsenal enthalten, allerdings umfassen die Tabellen auch die Einträge für weitere Karten, die erst mit späteren Erweiterungen dazu gekommen sind. Weitere tolle Elemente sind die Schauplätze, über die man Umgebungen konkretisieren kann. So kann der Spielleiter einfach sagen, "Okay, ihr werdet auf der Alten Straße überfallen. Da die Straße aber noch gut in Schuss ist, kommt man schneller voran. Eure Gegner aber auch." Was das konkret bedeutet, steht dann auf der Ortskarte, die er dann in die Mitte legt. Ich bin ja ein Freund von sowas, aber besonders erzählerisch veranlagte Spielleiter könnten sich davon eingeschränkt fühlen. Dann lassen diese das Element eben weg.

Das Spielleiter-Handbuch finde ich richtig gut. Auch wenn es eigentlich nur zur Hälfte konkret für Spielleiter ist. Der Fluch der neuen Aufteilung alten Materials sorgt auch dafür, dass viele Informationen sich doppeln und das oftmals auch nah beieinander. Mehr als einmal wird man vermutlich irritiert bei einem Satz die Stirn runzeln, weil man meint, das gerade erst gelesen zu haben. Nichtsdestotrotz macht es wirklich Spaß zu lesen und enthält viele nützliche Hinweise für das Spiel und Mechanismen, die sehr gut zur Welt von Warhammer passen, auch wenn es in der dritten Edition um einiges heroischer, positiver und weniger dreckig vorgeht, als in den vorherigen Editionen. Doch, tolles Buch.

Mit freundliche Unterstützung des Heidelberger Spieleverlags.


Titel: Warhammer Fantasy Rollenspiel – Spielleiter-Handbuch
Autor: Jay Little, Daniel Lovat Clark, Michael Hurley und Tim Uren
Verlag: Heidelberger Spieleverlag
ISBN: 978-3942-857017
Seitenzahl: 196, farbig, Hardcover
Sprache: deutsch
Preis: 29,95 Euro{jcomments on}