Sigmars Erben

Der Sturm des Chaos ist zurückgeschlagen
vom Backcover von Sigmars Erben

Mit „Sigmars Erben“ liegt nun bereits der dritte Quellenband für die deutsche Ausgabe der zweiten Edition des Warhammer Fantasyrollenspiels auf Deutsch vor, sicherlich zur Überraschung vieler Kritiker. Denn Übersetzungsraten und der allgemeine Fortbestand von Reihen sind immer so Themen, bei denen man bei Feder & Schwert leider nie so ganz genau weiß, woran man ist.
Docch hier beweisen die Mannheimer Traditionsübersetzer einmal mehr, dass man doch noch mit ihnen zu rechnen hat und legen einmal mehr einen bildschönen Band vor.

„Sigmars Erben“ kommt wie seine Vorgänger und auch sein englisches Pendant als Hardcover daher, unterscheidet sich aber einmal mehr von allen anderen Bänden. Der Einband hat ganz leicht eine rauhe Struktur und scheint generell von etwas anderer Verarbeitung als das „Bestiarium der Alten Welt“ zu sein, sieht aber sehr schnieke aus. Das Coverdesign ist nicht mit der englischen Ausgabe identisch, sondern rückt das Wappen des Imperiums noch mehr in die Mitte und unterlegt es mit einer anderen Karte, als das noch in der BI-Ausgabe der Fall war. Da diese sich auch noch als Wrap um den gesamten Einband zieht macht „Sigmars Erben“ bereits von außen deutlich mehr her als das Original.
Gleiches gilt für die Innengestaltung, die all jene Vorzüge erneut aufweist, die auch schon die anderen deutschen Bände bisher ausgezeichnet haben. So ist der Druck kräftiger, die Farben wirken natürlicher, die schönen Illustrationen sind größer und können daher mehr Wirkung entfalten, die Kapitel beginnen sauber stets mit einer ganzseitigen Illustration auf der linken und der Überschrift nebst ersten Spalten dann auf der rechten Seite, das Design der Kapitelüberschriften ist anders und schöner als das Zitronengelb des Originals – kurzum: „Sigmars Erben“ ist eine wahre Augenweide und lässt „Sigmar‘s Heirs“ mit Leichtigkeit weit hinter sich.

Doch wenden wir uns einmal dem Inhalt zu – wie immer mit dem Vermerk, dass wir hier den Schwerpunkt auf die deutsche Ausgabe richten; eine Rezension der englischen Ausgabe liegt der DORP aber ja auch bereits vor.
Die generelle Qualität der Übersetzung ist zweifelsohne hoch. Daniel Schumacher und Oliver Hoffmann zeichnen sich dafür verantwortlich und haben, sieht man einmal von dem Problem ab, dass sie mit Vorgaben von Games Workshop arbeiten müssen, wirklich gute Arbeit geleistet. Das Sprachniveau scheint mir dabei fast etwas gegenüber dem Original angestiegen zu sein, aber das geht schwer in Ordnung. Aber so als Beispiel – was ein „traveling judge“ ist, kann sich vermutlich jeder noch so Unbelesene mit marginalen Englischkenntnissen herleiten. Was dagegen ein Femerichter ist, wissen vermutlich eher wenige Leute. Es ist aber nicht falsch und Niveau ist ja auch nichts Schlechtes; mir jedenfalls gefällt der hier angeschlagene Ton, zumal mir bei der Lektüre eigentlich auch keine Stelle untergekommen ist, wo das Buch wirklich stark an Flair verloren hätte.

Von der ganzen Sortierung her hat sich in der Übersetzung nichts geändert, das Buch gliedert sich nach wie vor in acht Kapitel, von denen sieben Quellenteile sind und das Achte ein Abenteuer, sowie zwei Anhänge.
Leider hat man auch hier nicht die Not gesehen oder die Möglichkeit gehabt, Kapitel fünf („Religion im Imperium“) und sieben („Verbotene Kulte“) zueinander zu setzen, weshalb diese beiden verwandten Sinnabschnitte nach wie vor durch rund 70 Seiten Regionalbeschreibung getrennt sind.
Die ersten Kapitel befassen sich, der Reihe nach, dabei aber zunächst einmal mit den Themenkomplexen „Land und Leute“, „Die Geschichte des Imperiums“, „Regierung und Nachbarstaaten“ und „Recht und Gesetz“, vermitteln darin sehr gut Flair und Setting des großen Reiches, das dereinst Sigmar begründet hat.
Vorkenntnisse werden gar nicht abverlangt, allenfalls aufmerksam sollte der Leser sein, da beispielsweise 2500 Jahre Geschichte auf rund 15 Seiten einfach sehr, sehr komprimiert erscheinen. Zeitleisten und eine gute Gliederung helfen allerdings auch weiter, wenn man im Nachhinein einfach noch einmal eine bestimmte Information zu irgendeinem Themenkomplex benötigt.

Das fünfte Kapitel haben wir dann schon angesprochen: „Religion im Imperium“. Zunächt einmal wird das Thema des völkischen Aberglaubens angesprochen, ganz nett und gar mit Beispielen, aber etwas kurz. Es werden hier jedoch auch die imperialen Kulte und Unterkulte zu Manann, Mórr, Myrmidia, Ranald, Shallya, Sigmar, Tall und Rhya, Ulric und Verena näher beleuchtet und wer nur eine Reproduktion der Informationen aus dem Grundregelwerk befürchtet, der wird positiv überrascht sein. Alleine mit dem, was bei dem Erstgenannten steht, kann man ganze Kampagnen spielen, denn neben Manann, dem Gott der See, wird auch Stromfels vorgestellt, einem verbotenen Gegenpart, dessen Anhänger vielmehr die Gefahren der See verehren.
Das bringt uns aber auch zu dem besagten Kapitel sieben zurück, denn warum der verbotene Stromfels zwar hier, andere verbotene Kulte (Der Gilbzahn und Ahalt der Bluttrinker) aber an ganz anderer Stelle in dem Buch beschrieben werden, ist mir etwas schleierhaft. Schade ist auch, dass klassische Chaoskulte wie etwa die Violette Hand gar nicht beschrieben werden.

Damit bleiben noch zwei Kapitel übrig. Mehrfach übersprungen haben wir nun den eigentlichen Hauptteil des Bandes: „Die Kurpfalzen“. Auf den rund 70 Seiten beschreibt der Band nacheinander Averland, Hochland, Middenland, Mootland, Nordland, Ostmark, Ostland, Reikland, Stirland, Talabecland und Whisenland, jeweils unterteilt in die Unterpunkte Land, Leute, Wichtige Orte, Ein typischer ...länder und Abenteuerideen. Dazu gesellen sich in Textkästen dann noch Zusammenfassungen, Redensarten (toll!) und Tabellen mit sämtlichen Orten der jeweiligen Region nebst Angaben zu Größe, lokalem Herrscher, Bevölkerung, Reichtum, Einkommensquellen, Kampfkraft und weiteren Anmerkungen.
Das sind massig Informationen pro Region, die eigentlich mit Ausnahme der typischen Bewohner auch durchweg nützlich sind. Etwas undurchschaubar sind allerdings die Kriterien, nach denen bisweilen die Örtlichkeiten beschrieben werden. Warum beispielsweise nirgendwo im Band die Stadt Mordheim auch nur erwähnt wird bleibt einfach schleierhaft.

Das achte Kapitel des Bandes ist, wie bereits gesagt, ein Abenteuer. „Missetat in Bögenhafen“ ist der Titel und egal worauf der Originaltitel „Ill met in Bögenhafen“ abzielte, die Literaturreferenz (wahlweise auf die „Ill met by moonlight“ aus Shakespeares Sommernachtstraum oder auf „Ill met in Lankhmar“, dem Fantasyklassiker von Fritz Leiber) geht in der Übersetzung leider etwas verloren.
Das ist aber recht egal und wird sogar noch durch einen abgewandelten Goethe später im Text ausgeglichen, doch genug der Ausschweife. Das Szenario selbst ist in Ordnung und sicherlich spielenswert, wenn auch kein Klassiker. Hervorzuheben sind aber wohl die Referenzen auf das alte „Schatten über Bögenhafen“, die „alten Hasen“ sicherlich einige schöne Momente bereiten werden. Die Kritik, die ich schon bei der englischen Ausgabe geäußert habe, hat Bestand: Warum sind in derartigen Quellenbänden bei Black Industries immer Abenteuer drin? Das macht es unattraktiver, das Buch an seine Spielrunde zu geben und abseits der drei Sitzungen, wo man etwas aus dem Abenteuer schöpft, hat man dann zwanzig Seiten Ballast, die niemand mehr braucht.
Für Warhammer sind in der zweiten Edition schon so viele Abenteuer mit Fokus auf eine bestimmte Stadt erschienen (deren Erstling unter dem Titel „Aus der Asche Middenheims“ demnächst auch auf Deutsch erscheinen soll), da hätte Bögenhafen auch mehr Raum verdient gehabt.

Ganz kurz noch zu den Appendizes des Bandes. Anhang I bietet acht neue Karrieren (Apotheker, Geschichtenerzähler, Spieler, Astrologe, Exorzist, Fälscher, Ritter des Sonnenordens und Verenaischer Ermittler), Anhang II bietet alternative Starteigenschaften für Charaktere, abhängig von der Provinz, aus der sie stammen. Beides ganz nett, aber sicher kein Kaufgrund.

Insgesamt aber kriegt „Sigmars Erben“ meine volle Empfehlung. Feder & Schwert beweisen weiterhin ein gutes Händchen bei der Auswahl der zu übersetzenden Bücher und bringen mit dem vorliegenden Band ein weiteres „Must Have“ unter den Quellenbänden. Nebenbei bemerkt, zu gleichem Preis bekommt man hier sogar noch rund 50 Seiten mehr als beim vorangegangenen „Bestiarium“.
Wer plant, mit Warhammer anzufangen, kann nun endgültig und guten Gewissens zur deutschen Ausgabe greifen. Und wer Warhammer bereits spielt, der braucht „Sigmars Erben“!


Name: Sigmars Erben 
OT: Sigmar‘s Heirs – A Guide to the Empire {jcomments on}
Verlag: Feder & Schwert 
Sprache: Deutsch
Autoren: Anthony Ragan u.a., Deutsch von Daniel Schumacher und Oliver Hoffmann
Empf. VK.: 29,95 Euro 
Seiten: 174