Realm of the Ice Queen
Auf das Quellenbuch zu Kislev habe ich mich lange gefreut, verkörperte ich doch in unserer Warhammer-Kampagne mehr als ein Jahr lang einen rauen Mann aus diesem unwirklichen Land im nördlichsten bewohnten Winkel der Alten Welt. Und erfreulicherweise deckt sich meine Vorstellung von dem Land mit den in diesem Quellenbuch vorgestellten Informationen.
Optisch kommt das Buch gewohnt daher. Das Cover zeigt den für Warhammer typischen Aufbau eines Regionalbandes und ist entsprechend schlicht und unansehnlich, da man wieder nur ein Symbol vor eine eingefärbte Karte geklatscht hat. Innen ist das Buch dann gewohnt in zitrusgelb und entzündungsrot gehalten. Weiterhin finden sich farbige Illustrationen in immer der gleichen Größe und in Kästen, sowie schwarz/weiße Zeichnungen der Berufe gegen Ende. Optisch also nichts besonderes, wären da nicht die einfach nur wunderschön zu nennenden Karten der drei im Buch detailliert beschriebenen Städte. Diese sind nicht nur äußerst ansehnlich, sondern zudem auch noch brauchbar. Bitte mehr davon.Das Buch ist unterteilt in elf kurze Kapitel, ein kurzes Szenario und einen Anhang. Erfreulicherweise ist das Buch auch oldschool genug, um noch einen Index zu haben, was bei moderneren Spielen ja aus der Mode gekommen zu sein scheint. Die Kapitel konzentrieren sich jeweils auf einzelne Aspekte Kislevs, wie Geschichte, Politik, Gesetze, Gebräuche, Religion und das Land an sich, samt der drei größten Städte Kislev, Praag und Erengrad. Alle Kapitel sind durchzogen von den Konflikten der beiden kislevitischen Volksgruppen, der heißblütigen Ungol und den städtischen Gospodar. Während die Ungol eine Unterschicht aus Kriegern, einfachen Bauern und Arbeitern bilden, stellen die Gospodar die Elite des Landes. Ein weiteres Thema ist das Land an sich, denn die Kisleviten sind auf vielfältiger Weise mit ihrer Heimat verbunden, auch wenn es sich dabei um ein karges, unnachgiebiges und tödliches Land handelt. Kislev ist von unzähligen Naturgeistern bewohnt, mit denen die Weisen Frauen des Landes reden und verhandeln können. Außerdem beherrschen sie eine einzigartige Magieart, in der sie die Geister des Landes um Beistand bitten, statt die Winde der Magie anzurufen. Eine weitere neue Magieart ist die Eismagie der Eishexen, die ihre Kraft aus dem Land an sich ziehen. Beide Magiearten funktionieren regeltechnisch fast genauso wie die Magieschulen, haben aber andere Auswirkungen bei Fehlschlägen, die bisweilen sogar positiv sein können. Weise Frauen haben gar die Option sich mehr mit dem Land und den Geistern zu verbinden und so quasi unsterblich zu werden... oder massiv zu altern. Dies wird begleitet von einigen neuen Sprüchen für Eishexen, Weise Frauen und die kislevitischen Götter. Alle Sprüche sind sinnvoll im Spiel einsetzbar, gebalanced zu den bisherigen Sprüchen und äußerst passend zu den einzelnen Stilen. Ebenso passend sind die zahlreichen besonderen Gebräuche des Landes, die vor allem dadurch auffallen, dass sie besonders morbide und bisweilen auch absurd sind. Leider werden die einzelnen Gebiete Kislevs nur sehr kurz abgehandelt, jedoch fühlt man sich nach der Lektüre durchaus gut über die Unterschiede des einen Landstrichs gegenüber dem anderen informiert. Alle Landstriche haben zudem besondere Eigenheiten, so dass sich die Unterscheidung nicht nur geopolitisch anbietet, sondern auch von der Atmosphäre und den lokalen Möglichkeiten für Abenteuer. Von Abenteueransätzen und Konflikten ist das ganze Buch eh durchzogen; es wird viel mehr Wert auf die Nutzbarkeit der gelieferten Informationen am Spieltisch gelegt, als auf eine detaillierte Beschreibung. Dies wird vor allem bei den drei großen Städten des Landes deutlich, die zwar auch jeweils weniger als zehn Seiten samt Karte haben, aber enorm viele Ansätze für interessante Abenteuer und Orte bieten, ohne dafür an Flair zu verlieren. Für Praag gibt es sogar eine optionale Liste, mit der aus dieser verfluchten Stadt stammende Charaktere einen besonderen Makel erhalten können, der immerhin mit einem weiteren Fate Point honoriert wird.
Neben diesen passend im Buch verteilten Regeln gibt es am Ende ein eigenes Kapitel mit neuen Regeln für kislevitische Charaktere, die sich, obschon sie auch Menschen sind, sehr von den Bewohnern des Imperiums unterscheiden. Deswegen gibt es auch einige umfangreiche Tabellen für Namen, Herkunft und auch Flüche durch Naturgeister, welche die Weisen Frauen bei der Geburt des Charakters vorausgesagt haben.
Dark Heresy, also das erste Rollenspiel zu Warhammer 40.000 aus dem gleichen Hause hat auch dieses Buch beeinflusst, denn bei einigen Monstern und Charakteren werden die sekundären und abgeleiteten Werte nicht in der Tabelle, bzw. dem Kasten angegeben, sondern in einer kurzen Auflistung. Auch der Stärke und Zähigkeitsbonus wird separat dargestellt, bzw. hervorgehoben. Auch wenn ich das neue System besser finde, schafft es doch Kontinuitätsprobleme während einer Edition die Darstellungsweise für Werte und Charaktere zu ändern. Eine weitere Neuerung ist bei den Karrieren zu finden. Anstatt nun festen Besitz für diese Karriere aufzulisten, gibt es eine vage Beschreibung, was der Beruf normalerweise besitzt. Das ist ein zweischneidiges Schwert, da es einerseits zwar Klarheit über die konkreten Besitztümer nimmt, andererseits aber dem SL und den Spielern viel mehr Freiheit lässt und verhindert, dass alle gleich ausrüstet sind, was einfach nicht glaubwürdig ist. Ob der Botschafter nun wirklich ein klassischer kislevitischer Beruf ist, oder er nur aufgenommen wurde, weil Graham McNeills (der auch an dem Quellenbuch mitgewirkt hat) Romane in Kislev einen Botschafter aus dem Imperium als Protagonisten haben, sei mal dahingestellt. Amüsant ist der Verkäufer für gebrauchte Pferde, unverzichtbar die Weisen Frauen und Eishexen, stimmungsvoll die berittenen Bogenschützen, Bärenzähmer (mit Regeln zum Trainieren und einem eigenen Beruf für Bären!), Boyaren und Flügelulanen. Werte für wichtige NSCs wie etwa die Tzarin sind aber leider nicht enthalten.
Das Abenteuer des Bandes findet sich nach dem Regelkapitel und ist eher ein kurzes Szenario, das leider nicht sein ganzes Potential nutzt. Die ganze, im Prinzip sehr gute, Rahmenhandlung des Szenarios kann eigentlich ignoriert werden, da es in dem kurzen Abenteuer nur um Gefahren auf der Reise durch Kislev geht und auf den eigentlichen Plot nicht mehr eingegangen wird.
Erstaunlicherweise findet sich nach dem Abenteuer noch ein Anhang mit neuen Monstern. Leider fehlen einige Illustrationen, gerade bei dem sehr generisch wirkenden und nur unzureichend beschriebenen Frost Fiend. Besonders gelungen sind die Feuervögel, welche dem kislevitischen Gott der Sonne und des Feuers gewidmet sind. Diese klauen Kohlen und brennende Holzscheite aus Lagerfeuern, um damit warme Nester zu bauen. Leider zünden sie bei ihren Raubzügen auch schon mal die Zelte von Reisenden an. Das aber wirklich fiese an diesen Kreaturen ist, dass sie unter dem Schutz des Gottes stehen und man keine Feuer mehr entzünden kann, wenn man einen von ihnen verletzt. In einem frostigen Land wie Kislev kommt das einem Todesurteil gleich.
Das Buch liest sich sehr flüssig, enthält extrem viele Informationen und vermittelt ein großartiges Flair. Auch wenn das Buch mir ausgezeichnet gefallen hat, so gibt es doch ein paar gewichtige Kritikpunkte, die den Gesamteindruck schmälern. Das wären zum einen die Veröffentlichung im Softcover und direkt damit zusammenhängend der unverschämte Preis von 35 Dollar. Ich habe Quellenbücher mit der gleichen Seitenzahl für die Hälfte des Preises. Auch wenn diese zugegebenermaßen nicht farbig sind, so ist der Preis einfach nicht zu vertreten. Wer sich für den eisigen Nachbarn des Imperiums im hohen Norden interessiert, sollte sich das Buch dennoch auf jeden Fall zulegen.
Name: Realm of the Ice Queen
Verlag: Black Industries {jcomments on}
Sprache: englisch
Autor: David Chart, Steven Darlington, Andy Law & Graham McNeill
Empf. VK.: 34,99 Euro
Seiten: 144 farbig, Softcover
ISBN: 9781844164332