Plundered Vaults

Wanted! Bold Adventurers!
Are you ready for a life of danger and exitement? [...] We are not responsible for a any dismemberment or insanity that may result...
vom Backcover von WFRP 2nd – Plundered Vaults

Wenn man mich fragen würde, was so die wichtigstens Veröffentlichungen zur Etablierung eines Fantasysystems auf dem Markt sind, so würde ich zweifelsohne auch Abenteuer dazu rechnen, denn wer einmal ein Grundbuch erwirbt, der will dann auch „loslegen können“, wie man sagt.
Diese Erkenntnis hatte man offenbar auch bei Black Industries und brachte zeitgleich mit dem Grundregelwerk auch gleich den Abenteuerband „Plundered Vaults“, der nun auch vor uns liegt. Enthalten sind sechs Abenteuer, die zu meiner Überraschung nur zur Hälfte recycelte Titel aus vergangenen GW-Zeiten sind.
Drei wurden auch eigens für den Band geschrieben und allesamt mit neuen Illustrationen versehen – leider, muss man hier aber sagen. Anders als das Grundregelwerk oder etwas das „Old World Bestiary“ ist „Plundered Vaults“ ein schwarzweiß gedrucktes Werk im Hardcover geworden und die Bilder von Tony Ackland, Russ Nicholson und Tony Parker sind recht enttäuschend, ohne Schattierungen und Tiefenwirkung.
Anders das Cover von Karl Kopinsky, das zwar zu keinem der Abenteuer so richtig passen will, sich aber mit seinem düsteren Motiv einer Beschwörungsszene thematisch wie handwerklich gut in das Spiel an sich fügt.

Was für Abenteuer erwarten den geneigten Leser nun aber? Den Auftakt macht „The Grapes of Wrath“ von Carl Sargent. Ursprünglich im White Dwarf #98 erschienen geraten die Spieler hier in dem weinzüchtenden Dorf Pritzstock in einen Plot zwischen Liebe, Hass und magischen Betrugs. Keine wirkliche Offenbarung, aber sicher spielenswert.

Abenteuerbeitrag Nr. 2 ist ein Neuzugang. „For or Money“ stammt von Brian E. Kirby, welcher übrigens auch für die Aktualisierung der drei Klassiker in dem Band verantwortlich war. Es geht mal wieder um eine verschwundene Tochter, die zuerst von Banditen, und dann noch den Banditen geraubt wird. Ein schönes Abenteuer mit ein paar überraschenden Wendungen, einer schönen Skavendarstellung und sehr viel Warhammerflair, das jedoch von deutschen Gruppen noch einmal überarbeitetet werden sollte. Denn das ein Diener Bertram Bediensteter heißt, das mag gehen, aber würdet ihr jemandem vertrauen, der Bela Dustermann heißt?
Richtig, ich auch nicht...

Der dritte Beitrag ist noch einmal von Sargent und erschien erstmals in der „The Restless Dead“-Anthologie – und wenn es nach mir geht, dann wäre „The Haunting Horror“ auch genau da geblieben. Denn das Spukhaus spult zwar diverse Klischees ab – mysteriöse Erscheinungen, Geheimnisse in alten Büchern, ein gesprächiger Geist und das Vermächtnis eines chaosnahen Beschwörers etwa – aber bietet andererseits auch nichts, was man nicht schon andernorts gesehen hätte.
Zumindest ist es kurz.

Das vierte Abenteuer dagegen ist mal ein Klassiker nach meinem Geschmack: die „Rough Night at the Three Feathers“ von Graeme Davis ist genau das, was der Titel verspricht. Die Charaktere kehren Abends in einem Gasthaus ein und wollen dort eigentlich nur essen und übernachten, doch bis zum Morgen wird es sogar noch Tote geben.
Das Abenteuer erfordert zwar eine gute Vorbereitung durch den Spielleiter, finden in dieser Nacht doch gleich sieben (7!) minutiös zu planende Geschichten statt, die zwar aufeinander Einfluss haben, doch weder miteinader noch in weiten Teilen mit den Charakteren in direkter Verbindung stehen.
Kriegt man dieses Problem aber in den Griff und bügelt noch zwei, drei Schwachstellen aus, so ist es eines der sicherlich besten Kurzabenteuer, die jemals erschienen sind und welches seit seinem Erscheinen im White Dwarf #94 mit Fug und Recht mehrfach neu aufgelegt wurde.
Außerdem ist dieses Arrangement durchaus typisch für das System an sich, wenn man nur mal an andere Klassiker wie das ebenfalls plotüberfüllte Kreutzhofen aus „Deaths Dark Shadow“ oder auch das Komplexabenteuer „Power behind the Throne“ denkt.

Kommen wir zum fünften und vorletzten Beitrag: „Carrion Call“ von Ben Counter. Leider zeigen sich in dem Szenario allerlei Schwächen. Der Plot ist nicht gerade übermäßig tiefgründig („Die Charaktere werden unter Vorspiegelung falscher Umstände nach Schloß Vonreuter gelockt, um dort eine Dummheit zu begehen“, so in a nutshell), das Szenario zunächst sehr linear und am Ende die Last vollkommen beim Spielleiter lassend und vieles darin hat man auch einfach schon andernorts gesehen.
Als Abenteuer in einem Magazin wäre es okay, als offizielles Szenario fällt es etwas ab.

Abschließend bleibt noch „Sing for your Supper“ von Nathan Greavey. Ein umfangreiches, investigatives Szenario, das sogar noch die Zeit für eine Reihe falscher Fährten am Anfang findet und auch danach auch ausreichend komplex ist, um spannende Ermittlungen zu ermöglichen.
Es geht um Liebe, Neid, Nurgle-Kultisten, konkurrierende Metzger und, ja, Würste. Richtig, es scheint irgendetwas an der Speise zu sein, was die Warhammer-Autoren nicht mehr loslässt, denn nach „Fear the Wurst“ kommt hiermit schon das zweite Abenteuer zu den gefüllten Därmen.
Wie dem auch sei, das Szenario ist schräg, doch gut konstruiert, spannend erzählt, angenehm zu Lesen und sicherlich in jeder einigermaßen erfahrenen Gruppe – oder sagen wir, in jeder Gruppe mit einem einigermaßen erfahrenen Spielleiter – ein ganz großer Spaß zu spielen und sicherlich mein Favorit in diesem Band!

Für ein Fazit sei allerdings noch auf eine Sache hingewiesen: der Band ist ein 96 Seiten umfassendes Hardcover-Buch und kostet nicht weniger als 24,99 US-Dollar. Das ist definitiv nicht wenig und Rollenspieler mit kleinerer Kasse sollten sich dessen auch eindeutig bewusst sein.
Das ist schade und zieht noch etwas an der ansonsten recht guten Gesamtnote. Gerade für Leute, denen die Klassiker noch nicht vorliegen, lohnt sich der Band an sich durchaus – das sollten nicht wenige sein, bedenkt man, wie gut das neue Grundregelwerk weggeht und wie lange einige der genannten Szenarien nun schon vergriffen sind.
Insgesamt hat der Band bei den neuen wie den alten Szenarien jeweils ein Meisterstück, ein ganz gutes sowie ein eher missglücktes Abenteuer zu bieten – das sollte einen Kauf durchaus rechtfertigen, zumal sich vieles auch ausbauen und weiterführen lässt.
Wenn die nächste Anthologie, sollte eine kommen, dann auch noch schön und etwas fairer im Preis ist, dann sehe ich da noch Bestwertungen am Horizont, „Plundered Vaults“ dagegen ist zumindest „noch gut“.


Name: Plundered Vaults
Verlag: Black Industries
Sprache: Englisch
Autoren: Ben Counter, Graeme Davis, Brian E. Kirby, Nathan Greavey und Carl Sargent
Empf. VK.: 24,99 US-Dollar
Seiten: 96{jcomments on}