Karak Azgal - Adventures of the Dragon Crag

„Fame and Fortune Await Below!“
vom Backcover von Karak Azgal: Adventures of the Dragon Crag

WFRP ist ja bekanntermaßen eigentlich kein Spiel, das großen Wert auf Dungeons in irgendeiner Form legt. Das haben die bis heute weniger beliebten Doomstones-Bände bewiesen und auch ein Buch wie „Castle Drachenfels“ sind zwar heute Klassiker, aber klare Einzelfälle.
So kam es dann auch, dass man bei BI sehr schnell war, entsprechende Gerüchte, der uns heute vorliegende Band sei ein Dungeoncrawl, abzulehnen. Weit mehr als nur numerierte Gänge wolle man uns präsentieren – ob dies allerdings gelungen ist, wollen wir hier nun einmal betrachten.

„Karak Azgal: Adventures of the Dragon Crag!“ ist einer der typischen Schwarzweißbände des Spiels, womit in Sachen Preis/Leistung direkt wieder schwer geschluckt werden muss. Satte 24,99 Euro wollen BI für den Band haben, was schon ein sehr stolzer Preis ist, wenn man dafür gerade einmal 95 redaktionelle Seiten im schwarzweißen Druckbild geboten bekommt.
Aber andererseits ist es nicht schwer zu übersehen, dass man sich hier offenbar nicht zu weit aus dem Fenster lehnen wollte. Sind die internen Illustrationen noch ganz gut und teilweise sogar recht stimmungsvoll, so ist das Cover eine Frechheit. Eine Zwergenmaske, die auch im Band dann und wann zu sehen ist, auf blauem Marmorgrund. Das ist es. Keine richtige Szene, keine Atmosphäre.
Sicher, es gibt um längen hässlichere Bücher, aber „Karak Azgal“ ist wirklich kein Schmuckstück in meiner Sammlung.

Doch worum geht es eigentlich in dem Band? Es geht um die Zwergensiedlung Karak Azgal (war klar...), die dereinst Karak Izril, also Stadt der Juwelen, hieß. Doch wie so manch andere Feste auch, so wurde Karak Izril von den Grünhäuten überrannt. Danach kamen dann noch Skaven und diverse Anhänger des Chaos, die sich fortan mit den Orks um die Überreste der einstmals stolzen Stadt kloppen wollten.
Ist „Karak Azgal“ (das Buch, nicht die Stadt, fortan durch Anführungsstriche gekennzeichnet) also ein Dungeoncrawl? Nun, auch nicht ganz...

Denn Zwerge sind ja ein tüchtiger Haufen und wählten einen unüblichen, wenn auch Rollenspielern mit Kenntnis anderer Systeme nicht ganz unbekannten Schritt. Sie bauten Karak Azgal auf, rund um die Ruinen der alten Siedlung, und vermarkten nun die Erforschungsrechte an den unterirdischen Katakomben zu horrenden Preisen an Reisende aus der ganzen Welt.
Somit deckt „Karak Azgal“ zwar die unterirdischen Ruinen ab, doch ebenso die Siedlungen drum herum, denn auch da gibt es einiges zu erzählen.

Diese Zweiteilung macht das Buch inhaltlich sicherlich interessant, leider merkt man sie der Struktur aber erst auf den zweiten Blick an. Auf den ersten Blick sind da einfach nur acht Kapitel ohne nähere Zuordnung.
Aber wir werden sicher nicht versuchen, dem Band ausgerechnet daraus einen Strick zu drehen und gehen doch lieber einmal in die Details.

Das sehr kurze, erste Kapitel heißt „The City of Karak Azgal“ und, naja, beschreibt eben den generellen Hintergrund der Stadt, die dortige Gesetzeslage, Religionen und Handelgeflechte. Das ist nützlich, ist doch gerade die vollkommen alltägliche Versteuerung von, nun ja, Dungeon-Fünden, wirklich eines der definierenden Elemente der Spielwelt.
„Skalf‘s Hold“ geht dann schon mehr in die Details. Dort wird eine Siedlung oberhalb der Ruinen beschrieben, die sowohl mit dem Landweg in die Badlands als auch mit dem gewundenen Pfad herüber nach Karak Azul verbunden ist. Zwergische Bauweise, Stadtteile und zahllose Locations zum Beispielen locken geneigte Spielleiter, dort einige Abenteuer unterzubringen und Spieler, auf ihrem Weg in die Ruinen dort auch Halt zu machen.
„Deadgate“, Kapitel drei, ist da schon ein anderes Kaliber. Dabei handelt es sich um eine etwas abgelegenere Siedlung für Nichtzwerge, für Arme und lichtscheues Gesindel, am Fuße von Skalf‘s Hold gelegen. Die Wachen patrouillieren dort nur, um Steuern einzutreiben und gucken ansonsten oft genug einfach weg. Wer seine Spieler mit einer Slum-artigen Location unterhalten will, findet hier alles, was er braucht, um diese zu nutzen.

Danach geht es dann herab in die Tiefe. „Ruins of Karak Azgal“ ist ein generischer Überblick über den Aufbau der Ruinenstadt, die sich über zahllose Stockwerke hinab in die Tiefe erstreckt. Die Ruinen sowohl unter Skalf‘s Hold als auch unter Deathgate werden kartographiert und beschrieben und ein anderes Phänomen derartiger Bücher erobert auch WFRP: Begegnungstabellen. Sechs Tabellen mit teils recht wilden Ergebnissen wie 5W10 Snotlinge oder 1W10+5 Skaven Clan Pestilens Plague Monks lauern da neben den üblichen Verdächtigen, angereichert um fünf neue Kreaturen, deren Innovation aber jetzt eher zu Wünschen übrig lässt. Man addiere zwei Seiten treffbarer NSCs, anderthalb Seiten „Gefahren“ sowie drei Seiten über Schätze und Belohnungen und fertig ist das fünfte Kapitel.

Von dort an werden nun noch vier der „Bewohnergruppen“ näher beleuchtet. Den Anfang macht, der Titel „Rats in the Basement“ verrät es schnell, die Skavenpopulation der Ruinen. Da gibt es neben einigen wandernden NSCs vor allem zwei große Clansniederlassungen (einmal Clan Vechiare, einmal Clan Skreet), mit denen sich die Spieler herumärgern können. Denen liegt eine gewisse Eigendynamik zugrunde, weshalb man hier wirklich einmal zugestehen muss, dass es nicht nur dumme Monstrositäten zum Verhauen sind.

Das gilt so auch für „The Walking Dead“, Kapitel sechs. Neben den typischen „Plünder mein Grab und sei heimgesucht!“-Geistern gibt es hier auch Koros-dar Nael, einen elfischen Liche, zu treffen, seine Verbindung mit einem weitaus größeren Übel zu entdecken und magische Artefakte zu bergen, um dieses grausame Bündnis zu beenden.

Doch was wäre ein gefallener Zwergendungeon ohne Orks und andere „Greenskins“? Richtig, einfach nicht vollständig. Also gibt es Blacktooth Orcs, ein von Trollen besetztes Reservoir sowie Screetch, einen Nachtgoblinschamanen mit seinem Stamm der „Yellow Eyes“.
Auch da gibt es mancherlei zu entdecken und oftmals mehr zu erkennen, als man es am Anfang überhaupt für möglich gehalten hat und dadurch einfach mehr als Spieler zu erleben.

Nach den drei positiven Überraschungen entpuppt sich das abschließende achte Kapitel dann aber nochmal als dicke Enttäuschung. „Beast of Chaos“ lautet der Titel und es wird eben eine furchtbare Abnormität beschrieben, die ganz im Untergeschoss der Ruinenstadt haust. Anstatt hier aber genug Stoff für ein wirklich, wirklich episches Finale zu liefern für all jene, die echt an Ratten, Untoten und Grünhäuten vorbeigekommen sind, wird da auf gerade mal vier Seiten viel allgemeine Info verbreitet, mehr aber auch nicht.

Abgeschlossen wird das Band von der „Ruins Licence“ für gemeldete und versteuerte Gräber als Handout und dann ist man auch schon am Ende des 96 Seiten schweren Buches, das mich sehr zerrissen zurücklässt.
Durch Schönheit gewinnt es sicherlich nicht, alleine weil es nicht wie die dickeren Bände der Reihe in Farbe ist. Auch die Preisfrage verliert „Karak Azgal“ eher als dass es gewinnt, denn einmal mehr sollen 24,99 US-Dollar für den Band über den Ladentisch wandern. Das ist viel Geld für relativ wenige Seiten.
Die Stadt Karak Azgal und die Siedlungen Skalf‘s Hold und Deadgate sind schöne Locations und definitiv wert, einmal bespielt zu werden, aber innovativ sicherlich auch nicht. Vielleicht neu bei WFRP, aber Earthdawn-Spieler kennen ein nicht unähnliches Setting schon seit deren Grundbuch 1993 erschienen ist. Dort Parlainth geheißen.
Der Dungeonpart an sich, der etwas weniger als zwei Drittel des Bandes einnimmt, ist überraschend gut geworden. Sehr frei und justierbar, andererseits abwechslungsreich und mit mehr Rahmengeschichte(n), als ich das erwartet hätte. Andererseits ist der Teil über das „Beast of Chaos“ schon eher eine Frechheit ob seiner Kürze und auch Uninspiriertheit.

Da ich aber eine Gesamtnote zu vergeben habe, kommt „Karak Azgal“ wohl mit einem „voll befriedigend“ davon. Es stehen viele interessante Sachen darin und es zeigt gut, wie man einen schönen Dungeon aufziehen kann. Leute, die das „Dwarfs“-Buch der ersten Edition nicht besitzen, können zudem hier manche spannende Informationen über das kleine Volk an sich erwerben.
Alles super eigentlich, wären da nicht die durchschnittliche Aufmachung des Buches, das gerade im S/W-Druck absolut unbefriedigende Preis-Niveau, die fehlende Innovation und, ganz subjektiv, irgendwie der letzte, der entscheidende Kick.
Für ein „sehr gut“ ist der allgemeine Langezeit-Nutzen des Bandes zu eingeschränkt, das Buch wäre jedoch „noch gut“, wäre der Preis angemessen. Doch diese 96 Seiten für 24,99 Dollar kann man nicht ohne Abwertung so stehen lassen.

Zwergenfans, Dungeon-Liebhaber mit einem Hang für schöne Stories und andere speziell Interessierte schlagen direkt zu, alle anderen sollten den Band im Laden wenigstens einmal anblättern, da es weder Fisch noch Fleisch, weder reiner Erzählband noch waschechter Dungeon ist.


Name: Karak Azgal - Adventures of the Dragon Crag 
Verlag: Black Industries 
Sprache: Englisch
Autoren: William Simoni{jcomments on}
Empf. VK.: 24,99 US-Dollar 
Seiten: 96