Warhammer Fantasy Roleplay 2nd

Adventure awaits...{jcomments on}
In Warhammer Fantasy Roleplay, you are unlikely heroes in a grim world of perilous adventure. You venture into the dark corners of the Empire and deal with the threats that others cannot or will not face. You'll probably die alone in some festering hellhole, but maybe, just maybe, you'll survive foul Mutants, horrible diseases, insidious plots, and sanity-blasting rituals to reap Fat's rewards.
vom Backcover von Warhammer Fantasy Roleplay

Warhammer Fantasy Roleplay (WFRP) ist mit der Ersterscheinung 1986 eines der dienstältesten Rollenspielsettings unseres Erdballs. Allerdings war es nicht gerade mit vielen Produkten gesegnet, auch wenn diese wenigen zu wahren Klassikern wurden. Fragt man heute einen „Veteranen“ nach der „Enemy within“-Kampagne wird er wohl noch feuchte Augen bekommen und ins schwärmen geraten. Vor Jahren versuchte sich auch mal der Verlag Schwarzes Einhorn an einer deutschen Ausgabe, die aber schnell wieder eingestellt wurde.
Nun, 2005 liegt uns die gerade mal zweite Auflage des Systems nach fast zwanzig Jahren vor und es hat sich einiges getan! Zunächst einmal fällt auf, dass das Buch optisch allen Anforderungen eines Rollenspiels des 21. Jahrhunderts gerecht wird: Hardcover und komplett farbig. Aber auch mit 256 Seiten relativ dünn für ein Grundbuch und mit 39,99 Dollar auch noch ziemlich teuer. Das Seitenlayout ist sehr augengefällig, mit einem gelb-beigen Hintergrund und einem roten Zierrand im Holzschnittstil. Der ist für das ganze Buch durchgängig der gleiche. Hier hätte man die zwölf Kapitel effektiver und auch dezent von einander abheben können, indem man den Rahmen variert hätte. So ist nur jeweils der Name des Kapitels samt Nummer (stilecht in römischen Zahlen) oben in der Mitte jeder Seite abgebildet und die Seitenzahl mittig unten. Die Zeichnungen sind im Durchschnitt sehr gut, kranken aber meiner Meinung nach ein wenig an einem nicht ganz einheitlichen Stil. Da gibt es einerseits schwarz/weiße bzw. in Brauntönen gehaltene Zeichnungen, die einigen comichaftenn und sogar computerbearbeiteten Illus gegenüberstehen. Die Stimmung der Bilder ist aber im Grundtenor düster, brutal und sehr dreckig. So wie es sich für Warhammer gehört.

So, aber genug gemeckert, kommen wir mal zum Inhalt. Nach einer stimmungsvollen Einleitungsgeschichte von Dan Abnett, dem Autor mehrerer Warhammer und Warhammer 40k-Romane werden wir im ersten Kapitel des WFRP eingeleitet. Das übliche darüber was ein Rollenspiel nun ist, wie ein Spiel abläuft, was einen in diesem Buch erwartet, etc.
Kapitel zwei widmet sich der Charaktererschaffung. Hier hat sich nicht so viel getan, wie ich leider feststellen muss. Man wählt sich eine Rasse und eine Berufung aus, was ja okay ist. Aber dass man dann seine Startwerte noch immer mit Würfeln bestimmt, finde ich nicht mehr zeitgemäß. Zwar würfelt man mit 2W10 und addiert das dann auf die Grundwerte seiner Rasse, aber wenn man für seinen angedachten Bogenschützen trotzdem nur den Minimalwert in Fernkampf erwürfelt, dann was? Man kann einen Wurf im Nachhinein durch ein durchschnittliches Ergebnis von elf ersetzen, aber das ist immer noch sehr viel schwächer als ein Kaufsystem, bei dem ich mir einen Charakter so zusammensetzen kann, wie ich es für richtig halte und nicht auf Würfelglück angewiesen bin.
Der Beruf war schon immer ein, wenn nicht DER wesentliche Teil eines WFRP-Charakters und das tolle: man konnte ihn immer mal wieder ändern, wenn man was neues lernen wollte. Mehr als hundert „Careers“ stehen einem durch das Buch offen, vom einfachen Rattenfänger, über den Magierlehrling bis hin zum Großmeister eines Ritterordens. Jeder Beruf bringt bestimmte Steigerungsmöglichkeiten mit sich, die anderen Berufen abgehen. So sollte man, wenn man seinen Fernkampfwert steigern möchte, vielleicht den Beruf des Jägers einschlagen, der auch viele interessante Talente mit sich bringt. Oder man möchte Priester werden? Dann beginnt man besser als Initiat in der entsprechenden Kirche seines Vertrauens. Dies ist zwar wieder eine Einschränkung in meine Charakterentwicklung, aber eine nachvollziehbare. Wenn mein Charakter ein guter Heiler werden soll, dann muss er eben diesen Beruf erlernen. Durch das Karrieresystem kann man sich dann immer weiter hocharbeiten, so dass aus dem Starterknappen irgendwann ein wirklich, wirklich mächtiger Ritter des inneren Zirkels werden kann. Wenn der Spieler das möchte. Vielleicht verliert der Knappe auch das Interesse (oder seinen Herrn) und muss sich als Dieb durchschlagen und wird zum gesuchten Gesetzlosen? Das System ist sehr flexibel angelegt, so dass es dem Spieler eher auf seinem Weg der Charakterentwicklung begleitet als ihm zu viele Vorschriften zu machen.
Kapitel vier widmet sich den Fertigkeiten und Talenten, ein Bereich der in der alten Version des Spiels eher stiefmütterlich behandelt wurde. Man hat inzwischen nicht mehr einen Skill oder eben nicht, sondern es bestehen verschiedene Stufen der Meisterschaft. Talente sind besondere Eigenschaften die in bestimmten Situationen Boni auf Fertigkeiten, Aktionen und Attribute geben. So gibt „Keen Senses“ z.B. einen Bonus auf Aufmerksamkeitsproben, „Marksman“ erhöht den Fernkampfwert, etc.. Proben werden natürlich weiterhin mit dem W100 ausgewürfelt, indem man seinen Wert unterwürfelt. Aber, und das ist neu, es gibt nur noch W10 und der Spielleiter kann Modifikatoren verhängen!
Ausrüstung, Waffen, Rüstungen und dergleichen finden sich zuhauf im fünften Kapitel. Hier fällt auf, dass WFRP immer noch sehr minimalistisch ist, was die Nahkampfwaffen angeht; die meisten werden schlicht unter „Hand weapon“ zusammengefasst. Was dann in dem 128 Seiten starken „Old World Armoury“ enthalten sein wird, das für Juni 2005 angekündigt ist, kann ich mir beim beste n Willen nicht vorstellen. Ansonsten viel Kram und sogar Kuhurin (für Heilungszwecke). Was es nicht alles gibt ;).

Wer WFRP kennt, weiß wie tödlich die Kämpfe in dem System sein können. Ich kann mich noch gut an meine Testrunde der ersten Edition erinnern, in der ein Zwergenberserker „aus versehen“ im Vorbeilaufen einem anderen Spieler ein Bein amputierte... Tja, was soll ich sagen: Jetzt benutzt man W10 statt W6 für den Schaden ;). Wenn man nicht aufpasst, bedeutet auch ein Goblin mit Speer schnell das Ende einer Karriere. Der Schaden liegt bei 1W10+Stärke, was durch die Rüstung und die Toughness des Ziels reduziert wird. Da die verkraftbaren Wunden am Anfang um zehn liegen, sollten Startcharaktere irgendwann nach dem zweiten Treffer Gefahr laufen kritisch, permanent und vielleicht zum letzten Mal verletzt zu werden. Heilung ist auf der anderen Seite erstaunlich einfach. Charaktere mit dem Heal-Skill können leicht verwundeten direkt mal 1W10 LP zurückgeben und mit Kuhpisse (siehe oben) sogar schwer verwundeten. Wenn das immer noch zu langsam geht, dann gibt es ja die Magie.

Bevor ich jetzt wegen der Überleitung arrogant werde, im siebten Kapitel geht es um die Magie, göttliche, hermetische wie dunkle. War sieben nicht auch die Zahl des Chaosgottes der Magie, Tzeench? Wer weiß, wer weiß... Bei der Magie hat sich einiges getan in der neuen Edition und nur gutes! Die leidlichen Magiepunkte sind verschwunden und durch ein sehr viel stimmigeres System ersetzt worden, bei dem die Zauberer nun die Winde der Magie anzapfen müssen. Dadurch können sie theoretisch unendlich viel zaubern, aber auch nur theoretisch, denn die Gefahren sind immens. Wahnsinn, dämonische Besessenheit oder auch Ohnmacht sind nicht Gefahren bei spektakulären Patzern, sondern ziemlich wahrscheinliche Missgeschicke. Priester verwenden ein ähnliches System, zapfen aber nicht die magischen Winde an, sondern bitten ihren Gott um Beistand. Und der ist auch nicht immer so gut aufgelegt. Und wer meint das wäre gefährlich, der wagt sich besser nicht an die dunklen Künste... Magie ist in Warhammer etwas, dem man immer misstrauig gegenüberstehen sollte und Fluten von magische Gegenständen wie in anderen Fantasy-Settings erwachtet man hier besser nicht.
Da Glaube, Religion und Hexenverfolgung entscheidende Themen bei Warhammer sind, wird ihnen in WFRP auch viel Platz eingeräumt. Eigentlich erstaunlich viel Platz im Vergleich zu den anderen Themenbereichen des Hintergrunds und sehr liebevoll gelöst. Selbst besondere Feiertage im Leben eines Bürgers werden detailiert und sehr ansprechend beschrieben. Ein Detailgrad, den ich mir für viele andere Bereiche des Hintergrunds ebenfalls gewünscht hätte.
Warum die Regeln für Wahnsinn im Spielleiterkapitel zu finden sind, lasse ich mal zur Diskussion offen *hüstel*. Diese funktionieren ähnlich wie in der ersten Edition. Man sammelt Insanity-Points durch kritische Verwundungen, missglückte Zauber und schreckliche Ereignisse. Hat man einen Schwellenwert erreicht, würfelt man, ob man einen Knacks abbekommt oder sich für eine kurze Zeit gerettet hat. Und hier fängt man nicht erst mit kleinen Störungen an, sondern direkt mit den bösen Großen. Messiaskomplexe, zwanghafte Sucht zu Stehlen oder Feuer zu legen, etc. pp. Und die Punkte alleine für eine dieser Störungen hat man flott zusammen. Heilung ist eher Essig, denn man kann sich in die Hände eines Quacksalbers begeben, der das ganze womöglich noch verschlimmert, oder man hofft auf die heilende Behandlung der Priesterinnen.

Das zehnte Kapitel widmet sich dann auf viel zu wenigen Seiten der Hintergrundwelt, oder besser einem Teil davon, nämlich dem Imperium und seinen unmittelbaren Nachbarn. VIEL zu wenig um effektiv im Imperium spielen zu können. Ich denke mal der für Juli 2005 angekündigte Band „Sigmar’s Heirs“ wird mit seinen 128 Seiten wohl genau das nachliefern, was mir hier fehlte. Wenn das GRW diesen Band noch enthalten hätte und entsprechend dicker zu dem Preis ausgefallen wäre, dann müsste ich hier nicht Punkte in der B-Note abziehen. Doch dazu später mehr.
Die häufigsten Antagonisten, menschliche wie humanoide und Tiere werden im elften Kapitel vorgestellt. Auch nicht sonderlich ausführlich, aber ausreichend. Naja, der „Old World Bestiary, Volume 1“ erscheint bald. Irgendwie drängt sich mir das Bild auf, als hätte man bewusst im GRW einige Sachen knapp belassen um dann mit ebenso dünnen wie teuren Ergänzungsbänden nochmal Geld zu verdienen.

Kapitel zwölf enthält mit „Through the Drakwald“ noch ein ziemlich knappes Einführungsabenteuer, auf das ich aber hier nicht näher eingehen will, denn vielleicht liest ja noch jemand mit, der es als Spieler erleben möchte. Trotz der relativen Kürze, aber eine gute Dreingabe. Natürlich sind damit dann Seiten im GRW vergeben, die man nur einmal mit seiner Gruppe nutzen kann. Aber alles hat seine Vor- und Nachteile, oder? Apropos nutzlose Seiten, auf die Flammenwerfer- und Explosionsschablone hinten hätte ich auch verzichten können. Die sind für das Nachspielen der Kämpfe mit Miniaturen gedacht, was von den Autoren des Bandes eh nahegelegt wird.

So, wir wären durch das Buch durch und ich habe doch einige Kritikpunkte ausfindig machen können. Aber das Buch finde ich im ganzen trotzdem sehr gelungen. Wieso? Wegen des sehr, sehr guten und humorvollen Schreibstils. So ist die einzige nachfolgende Karrieremöglichkeit des Demonslayes etwa „[a] glorious death“ und wer diese Gesellen kennt, weiß dass dies nahe an der Realität liegt. Oder die Slangausdrücke der Bettler. Oder die ganzen Kurzgeschichten innerhalb des Buches. Einfach klasse. Wobei ich bei mindestens einer Kurzgeschichte und mehreren Illus eine Zweitverwertung bemerkt habe, aber hey, wieso sollten Games Workshop nicht ihren eigenen Kram erneut einbringen? GW, wieso, die sind doch nirgendwo verzeichnet? Ha, Mogelpackung! Black Industries ist ein Imprint von BL Publishing, einer hundertprozentigen Tochterfirma von GW. Nur das Green Ronin Leute mitgemacht haben, wird noch extra hervorgehoben. Green Ronin sind im übrigen auch die Leute, welche die sehr guten Freeport-Produkte herausgebracht haben, oder Mutants & Masterminds, das d20-Superheldenrollenspiel. Und wir wollen auch nicht einen immens wichtigen Punkt vergessen: der Charakterbogen hat einen Dummy, den man anmalen kann, eines der wichtigsten Features der ersten Edition!

So, hier noch mal am Ende alles zusammengefasst. Sehr guter Schreibstil, mit einem stark verbesserten Regelsystem, aber einer veralteten Charaktererschaffung und zu wenig Hintergrundinfos in einem zu teuren, aber optisch ansprechenden Buch. Ich bin etwas unschlüssig, was mein Fazit nun angeht, denn einige dieser Sachen stoßen mir doch schon unschön auf, darunter auch die scheinbare Geldmacherei mit den Zusatzbänden, die einfach schon Teil des GRW hätten sein sollen. Ich denke mal, dass der Preis das Buch für mich an die Grenze zu „noch gut“ reißt, aber wer sich davon nicht gestört fühlt und auch kein Problem damit hat seine Werte auszuwürfeln, dem sei das Buch empfohlen. Wer schon lange das TableTop spielt oder an einer düsteren und dreckigen Welt interessiert ist, kann einen Blick riskieren. Dem ganzen Rest wird Warhammer vermutlich herzlich egal bleiben können.


Name: Warhammer Fantasy Roleplay 
Verlag: Green Ronin / Black Industries 
Sprache: englisch
Autor: Chris Pramas 
Empf. VK.: 39,99 US-Dollar 
Seiten: 256 farbig, Hardcover 
ISBN: 1844162214