World of Darkness - Time of Judgement

At the end of the world, what will be the fate of it's supernatural denizens? Can demons find salvation in the ashes of the realm they created? Can hunters purge the last of the monsters? Can changelings discover enough passion to return to their homeland? Can mummies restore the cosmic balance before it's too late? And can the Kuei-jin avert or accept the coming of the Sixth Age? You decide.
vom Backcover von Time of Judgement

Es ist soweit. Das chronologisch letzte Buch der 'alten WoD', dass jemals vom Band kommen wird, liegt vor mir. Nach Vampiren, Werwölfen und Magi geht es hier nun dem Rest an den Kragen. Ausgenommen sind dabei natürlich die Geister, da man bei White Wolf Wraith ja schon vor Jahren eingestampft hat und mit Orpheus lieber eigene Brote backt, aber trotzdem befasst sich das vorliegende Buch dann auch gleich mit fünf verschiedenen Reihen: Demon, Hunter, Changeling, Mummy und Kindred of the East.
Viel Stoff, zumal man bei dem Buch – wie schon bei 'Gehenna', 'Apocalypse' und 'Ascension' – wieder auf das eine, große Ende verzichten möchte und gleich mehrere Varianten für den letzten Paukenschlag liefert. Wenn man also mal die Vampire als Messlatte nimmt und mit vier Szenarien rechnet, so macht das fünf Spiele mit je vier Szenarien, also 20 Szenarien auf 222 Seiten. Das erscheint knapp, rechnet aber Einleitung und Vorwort, Prolog und Epilog noch nicht mit ein.
Daher wird diese Rezension hier auch, anders als bisher, nicht so sehr auf die einzelnen Handlungsstränge, sondern eher auf das große Ganze schielen.

Aber fangen wir vorne an. Auf dem Cover. Das ist wunderschön geraten, weckt alles ein wenig die Frage nach der Motivwahl. Ein selbstredend ebenso weiblicher wie leicht bekleideter Engel erhebt sich, das Flammenschwert gen Himmel reckend, über eine von einem Kreuz gezierten Kuppel. Sieht absolut klasse aus, hat allerdings mit dem Inhalt nur sehr grenzwertig was zu tun. Aber was soll man klagen...
Dass im Hintergrund der bisher immer nur angedeutete Blutschwall zu sehen ist verblüfft niemanden, tut aber auch nicht weh, wohingegen das Innenlayout etwas strittig ist. Einerseits ist es sehr lobend, dass jedes System 'sein' Layout im jeweiligen Bereich zur Schau stellt, so dass sich jeder sofort wohl und heimisch fühlt. Andererseits wirkt das Buch so aber auch etwas geflickt, nicht wirklich konzipiert. Besonders auffällig ist das bei den KotE, die ja nicht einmal einen Randbalken besitzen. Hier fehlt leider etwas die Stringenz, ebenso wie bei den Illus. Der ganz eigene Stil der Wechselbälger ist schön, ebenso das harte Lineart der Hunter, die sehr plastischen Demon-Illus sind ebenso stimmungsvoll wie die eher symbolischen Bilder der Mumien, und auch an dem eindeutig asiatisch inspirierten Stil der Kuei-Jin ist eigentlich auch nichts zu meckern. Aber das Zusammenspiel scheitert, der Beginn jedes Kapitels ist zugleich ein Bruch mit dem Buch.
Ärgerlich, aber immer noch besser als viele weitere Produkte der Industrie heutzutage.

Aber der Inhalt, schauen wir uns den mal in Ruhe an.
Prolog und Epilog sind ganz nett zu lesen ... aber auch nicht mehr, wie man das eben so kennt. Auch der Einleitung fehlt es dieses Mal ein bisschen an Gefühl – aber das ist auch klar. Bei den drei letzten Büchern konnte jeweils ein Line Developer von seinem langjährigen Spiel Abschied nehmen, hier geht es ja mehr um Weltenden vom Fließband. Schön ist dagegen die Liste mit empfohlenen Filmen und Büchern zum Thema, ein typisches White Wolf-Element, dass den letzten Bänden auch irgendwie etwas fehlte. Wenn man das ganze dann noch nach System, oder wenigstens thematisch geordnet hätte, dann wäre das um so schöner. So findet man dort zwar viele Schätze (28 Days Later, Neverwhere und The Omega Man, um nur einige zu nennen), aber so wild durcheinander, dass sie kaum ins Auge fallen.

Und schon ist man bei den Wechselbälgern: "Endless Winter". Hui, das ist lange her, dass letzte Changeling-Produkt dürfte vor etwa zwei Jahren erschienen sein. Aber erinnern wir uns: es ist die steigende Banalität unserer Welt die den Wechselbälgern an die Nieren geht. Insofern fasst das Buch nach einer erneuten, kurzen erzählten Einleitung und zwei, drei Worten vorweg erst einmal den bisherigen Metaplot zusammen. Was hier geschaffen wird ist ein plötzlicher Einbruch des (endlosen) Winters, der das Ende der Wechselbälger darstellt, sondern eine Art eiskalter Spätherbst. Noch ist nicht alles vorbei, ebenso wie nicht unvermittelt alles zusammenbricht. Dies hier ist eine tragische Geschichte, deren große Stärke wohl auch darin liegt, dass am Ende nicht mehr viel lose herumliegt.

"Agents of Apocalypse" ist das dämonische nächste Kapitel. Eingeleitet wird es, sozusagen intime, von diversen Zeitungsberichten, Webseiten und anderen Belegen für sich erfüllende biblische Prophezeiungen. Das ist nichts, was man nicht erwartet hätte und somit ein wenig symptomatisch für das gesamte Kapitel. Es gibt drei mögliche Ausgänge für das Spiel, die eben so alles zwischen "Earthbound gegen Dämonen" und "Dämonen gegen die Menschen unter der Führung von Luzifer" abdecken, dabei aber leider kaum Innovation bieten – 'God's Army' hat es vorgemacht, hatte aber zumindest noch Christopher Walken.
Schlimmer dagegen sind die paar Seiten, die das Buch hier der "Auflösung" der gesammelten Fragen zum Hintergrund gedenkt. Denn die gegebenen Antworten sind für sich nicht schlecht, leider aber stets mehrere auf eine Frage. Wenn ich da also "God" aufschlage und die drei Unterpunkte "It was all part of the plan", "God is dead" und "God has abandoned the universe" finde, dann wäre ich da nicht nur vermutlich auch noch selber drauf gekommen, sondern frage mich vor allem, warum ich den Machern dafür Geld gegeben habe. Nicht nur für dieses Buch hier, sondern allgemein für die Intime verfassten Bücher und Texte der Reihe.

"Inherit the Earth", klar, das muss dann Hunter sein. Auch hier gibt es Zeitungsartikel zur Einleitung, aber noch um eine große Menge Hunter-Net angereichert und die entscheidenden Worte liegen dann natürlich bei witness1: "The time for our new world has begun."
Die Jagd ist vorbei, die kleinen Kämpfe am Rand nun Teil der Vergangenheit. So wie sich die Übernatürlichen aus ihren Löchern erheben, so erheben sich auch die Hunter, um ... naja, je nach gewählter Geschichte ihrer Aufgabe nachzugehen. Jedes der drei Szenarien wurde einer Virtue zugedacht und entsprechend sind die Geschehnisse eher auf den Kampf oder auch auf die Zukunft ausgerichtet, doch das Kernelement bleibt: hier nehmen ehemals normale Menschen die Sache selber in die Hand, packen ihren Mut zusammen und stellen sich all den Kreaturen und Schrecken der Hölle auf dem großen Schlachtfeld.
Sehr martialisch, arm an metaphysischen Offenbarungen und weit von der Depression der normalen WoD entfernt, aber ein würdiges Finale für ein entsprechend ausgerichtetes System, welches sich zumindest noch die Freiheit nimmt, den Spielleiter zu der Frage zu provozieren, was eigentlich aus den Huntern wird, wenn sie gewinnen.
Hat mir gefallen.

"Interesting Times" spielt natürlich auf den bekannten, chinesischen Fluch "Mögest du in interessanten Zeiten leben" an und führt uns damit zu den Kindred of the East. Hier ist es mal wieder eine Kurzgeschichte, die einleitet, was nahezu alle anderen nun schon erfahren mussten: das Ende der Welt.
Die Kuei-Jin sprechen dabei vom Kommen des sechsten Zeitalters und überzeugen in ihren vier Geschichten vor allem durch eine große Vielfalt. Es kann ein Krieg mit den Kainiten sein, der das Ende bringt ('Serpent Bites the Hand'), eine Katastrophe ähnlich dem Aufbrechen der Tore der Hölle ('Wicked City') oder auch, sehr schön, eine Art Fortsetzung des vermutlich schon lange vergessenen 'Demon Hunter X' inklusive neuer Fähigkeiten für diese, den Huntern lange voraus gegangenen, Jäger ('The Trumpel of Mount Meru').
Ich gebe offen zu, kein großer Kenner von KotE zu sein, doch die Geschichten dieses Kapitels lasen sich alle interessant und sind wohl ein verdientes Ende für diese oft unterschätzend Vampire des Ostens genannten Charaktere.

Bleiben die Mumien. Ein System mit dem ich, ganz offen, nie ganz warm geworden bin. Und wenn man die gigantische Produktpalette von exakt zwei Büchern ungefähr drei Jahren betrachtet, der Rest der Welt wohl auch nicht.
Trotzdem hat das Mumien-Kapitel einen gewissen Reiz bei der Lektüre. Nicht zuletzt sicherlich, weil einige der Szenarien sehr, sehr prominente Gaststars bieten, quer durch die WoD. Neben einer teils recht dicken Möglichkeit, mit den eben erst besprochenen KotE zu arbeiten, gibt es auch einen richtig mächtigen Wraith noch einmal zu bestaunen und manch anderes Potential.
Eines aber verwirrte mich dann doch sehr: nur eine der Geschichten behandelt die Amenti, zwei der drei drehen sich um die anderen Gruppierungen, die im 'Player's Guide' eingeführt wurden. Warum?
Es wirkt auf mich etwas falsch bemessen und vor allem unfair gegenüber einer nun ja auch möglicherweise recht lange laufenden Mummy-Runde, hier jetzt einfach mit dem eigenen Konzept der ToJ zu brechen und dafür die ominösen Randgruppen zu bedienen.
Aber gut, vielleicht ist die Verteilung in der Spielerschaft ja so, dass sich das rechnet und ich mich irre, gefallen hat es mir deshalb aber noch nicht.
Die Geschichten selbst sind okay, wiederum nichts Umwerfendes, aber schon knapp über dem Durchschnitt.

Das aber scheint fast in allen Kapiteln das Problem des Buches zu sein. Keines der dargebotenen Kapitel ist so richtig schlecht. Changeling und Hunter haben mir sehr gut gefallen. Bei den letztgenannten fehlte mir zwar etwas der Hintergrund zu all den lieb gewonnenen Hauptcharakteren der bisherigen Bücher, aber das schiebe ich nun mal auf den begrenzten Platz, der wiederum aus der Marktlage erwachsen sein dürfte.
Aber sowohl die Mumien als auch die KotE sind okay, die Dämonen sogar etwas unter dem Durchschnitt und allen gemein ist das Fehlen von markanten Ereignissen, von Dingen, die das Ende wirklich in die Erinnerung der Spieler bannen.

Gehenna, Apocalypse und Ascension boten solche Ereignisse, hier fehlen sie etwas, weshalb "Time of Judgement" auch leider die hohen Wertungen der anderen Bücher nicht erreichen kann.
Die Prämisse war schwerer, sicherlich. All diese Geschichten auf so wenig Seiten unterzubringen war ein ebenso aussichtsloser Kampf wie viele Spieler in wohl gerade in der WoD führen müssen.
Dennoch, aus sich des Endkunden ist "Time of Judgement" zwar ein schönes Buch, um es am Ende einer langen Produktreihe stehen zu haben und damit auch wirklich rundum alles abgeschlossen zu haben.
Es nicht nicht schlecht, aber es ist in seiner Gesamtheit eben auch nicht über dem Durchschnitt.

Somit schließe ich nun das Kapitel "World of Darkness" auch in dieser Rezi-Rubrik; zumindest für mich. "Orpheus" kommt noch, aber da White Wolf auch am ersten April die Auslieferung der klassischen Reihen komplett einstellen, ist es nun vorbei.
Und im Herbst wird ja dann eine neue World of Darkness eröffnet ... seid euch sicher, der Rezensent freut sich schon auf eine eingängige Betrachtung.


Name: Time of Judgement {jcomments on}
Verlag: White Wolf 
Sprache: Englisch
Autoren: David Carroll, Michael Goodwin, Eleanor Holmes, Steve Kenson, Carrie Ann Lewis, Patrick o'Duffy, Greg Stolze, Kyla Ward. Chuck Wendig und Peter Woodworth
Empf. VK.: 29,99 US-Dollar 
Seiten: 222