Vampire - The Masquerade - Gehenna
The prophecies of Gehenna are true. The world teeters on the brink of an undead apocalypse, the night when the progenitors of the vampire race rise to consume their childer amid a rain of blood and fire. As their fated Armageddon arises, what the Kindred do? Drawing the Vampire line to a close, Gehenna brings about the conclusion of vampires' World of Darkness.
vom Backcover von Gehenna
Dieses Versprechen ruhte auch in jedem kommenden System inne und es war klar, irgendwann würden sich die Vorsintflutlichen wieder erheben und Schluss machen.
Doch selbst als die dritte Edition von Vampire das Licht der Welt erblickte, der Vorsintflutliche Ravnos in der Woche der Alpträume niedergefackelt und sein Clan nahezu ausgerottet wurde, die Tore zur Hölle aufgerissen und die Geisterlande verwüstet wurden, als die Magi nicht nur den Krieg um die Erleuchtung der Menschheit und gegen die Technokratie verloren geben mussten, sondern im zweiten Massassa-Krieg ihren einstigen Mitgliedern, dem Haus Tremere entgegen rücken wollten, glaubte niemand an die Einlösung dieses Versprechens.
Selbst als auf der GenCon 2003 die "Time of Judgement" eingeläutet wurde und – 13 Jahre nach der allerersten Edition – die Zeit für ein Ende (und natürlich einen Neuanfang) verkündet wurde, wollte es wohl auch noch niemand so recht glauben. Doch es ist wahr, White Wolf zeigen mehr Rückrad als je erwartet und schießen ihren großen Goldesel zumindest in seiner jetzigen Form in den Limbus. Erste Bücher haben es dieses Jahr schon vorbereitet, doch nun liegt der erste von vier Pfeilern des Endes endgültig vor mir: "Gehenna" ist da.
Und sieht verdammt gut aus. Das Buch kommt im Hardcover daher, in völlig gewohnter White Wolf-Qualität mit Glanzoberfläche und Flachrückenbindung. Das gewohnte grüne Marmor der Vampire ist vom roten Blut der "Time of Judgement" befleckt und auch das Cover – wenn sich auch niemand einigen wollte, wen es nun genau zeigt – zeigt uns zwei Kainskinder in wahrhaft apokalyptischer Lage.
Gezeichnet hat es William O'Conner, und er hat ebenso grandios gearbeitet wie seine Kollegen. Das Buch vereint ein letztes Mal die absolute Spitzenklasse der "Vampire: the Masquerade"-Zeichnerzunft und schafft es tatsächlich, zum Abschluss einfach noch mal unverschämt gut auszusehen. Zwar erreicht es auch nicht die atmosphärische Klasse der alten Editionen, aber die Illus zählen wohl vor allem in ihrer umfassenden Qualität zur absoluten Oberklasse der dritten Edition. So wie es dieser letzte Abgesang auch verdient.
Schön auch wie der klassische Seitenrahmen sowie die typischen wasserzeichenhaften Symbole auf den Seiten dieses Mal zu zerbröckeln scheinen, nach und nach zerfallen und dem Ende entgegen regelrecht zerbersten.
Inhaltlich gliedert sich das Buch in eine Einleitungsgeschichte (White Wolf-Standard bis zuletzt), eine Einführung in das Buch, sechs Kapitel und einen Appendix. Zur Geschichte muss man eigentlich nicht viel sagen, außer das hier unter anderem bereits ein Vampir der siebten Generation herumläuft ... doch verblasst das vollständig gegenüber dem, was noch kommen wird.
Die Einführung bringt einem einfach kurz nahe, wieso dieses Buch nun erscheint, was man erreichen wolle und – wie gewohnt – wie man es benutzt. Ein netter Überblick, der sich zwar etwas mit Kapitel 1 überschneidet, aber auch jemanden, der nun nicht mehr 100% im Metaplot hing, kurz und bündig auf die Dinge einstimmt, die da kommen werden, namentlich:
"Die finalen Nächte".
So heißt dann auch das erste Kapitel, welches eine Art Rundumschlag durch alle ausgestreuten Plotelemente bietet. So werden die Zeichen Gehennas noch einmal rezitiert und aktuellen Ereignissen zugeordnet, die "Nächte der Prophezeiung" erneut betrachtet, ein umfassender Überblick über den Verbleib der einzelnen Vorsintflutlichen gegeben, die Natur der Inconnu zu erklären versucht, der Dschihad ebenso wie Lilith erneut aufgefrischt und die Umstände rund um das eigentliche Finale beleuchtet. Dabei gibt es jedoch auch nicht immer definitive Antworten, sondern immer nur die offizielle Variante zusammen mit mindestens zwei Alternativen pro Thema, damit man sich das Ende auch ja passend für seine Gruppe bauen kann.
Dies ist überhaupt der Grundton des Buches: hier werden offiziell Fragen beantwortet, jedoch keine Doktrinen vergeben und keine Dogmen in Stein gemeißelt. Dies äußert sich auch in den kommenden Kapiteln, denn die Kapitel zwei bis fünf liefern vier verschiedene Enden, aus denen jeder Erzähler nach eigenem Gutdünken eines wählen kann, um damit seine Gruppe zu einem Ende zu führen. Im Folgenden werden wir nun der Frage nachgehen, ob auch wirklich alle Geschmäcker bedacht wurden oder irgendetwas ausgelassen wurde, zumindest Kapitel 1 gefiel aber schon mal sehr gut.
Seid gewarnt – SPOILER voraus. Wer diese nicht will, der scrolle bis zu [[SPOILER ENDE]]
Kapitel 2, "Wormwood", ist sicherlich der persönlichste aller Ausgänge. Weder Kain noch die Vorsintflutlichen ziehen hier den Stecker, sondern es ist Gott persönlich, der eingreift. Enttäuscht über die Kinder Kains und deren Irrtümer, nicht zuletzt über die Natur des Fluchs, der auf dem Blut des ersten Vampirs liegt. Langsam vergehen hier die Vampire und müssen sich am Ende vor allem einem Gegner stellen: dem Biest in ihnen.
Hier gilt es nicht, uralte Monster und gottgleiche Wesen aus vergangenen Zeiten zu schlachten, hier geht es nur um eine Frage: wer kann am Ende Absolution erlangen und wer wird, nach Ablauf der vierzig Nächte Gehennas, Gottes Zorn erliegen.
Diese Geschichte ist sicherlich mein Favorit in dem Band, denn gerade die Rückkehr zu dem persönlichen Horror, der einst mal die Grundfeste von "Vampire" war, ist einfach wundervoll gelungen. Allerdings ist er in meinen Augen schwerer zu spielen als die großspurigeren drei Alternativen des Bandes und nach all dem Feuerwerk der letzten Jahre eine Art Anti-Höhepunkt, das wird sicherlich nicht jeder Gruppe schmecken und erfordert daher eine gute Einschätzung des SLs.
Auch muss man in Kauf nehmen, dass dieses Ende zumindest im Hinblick auf einige Aspekte des Spiels – insbesondere wenn man von anderen Systemen her blickt – etwas eigenartig erscheinen lässt. Wenn also etwa der rote Stern Gottes Wort ist, das wie auch in Johannes Offenbarung in der Bibel angekündigt, zur Erde kommt, wieso erschien er den Werwölfen dann als Auge des Wyrm und wieso konnte die Nephandi bei Magus so viel Nutzen daraus ziehen?
Nun, Fragen, die hier nicht beantwortet werden, verneint der Band ohnehin jeden Crossover und richtet sich einfach an die Vampire; das die Spiele nicht vollständig vernetzbar sind, das weiß man ja bereits seit den FAQs sämtlicher "Storyteller's Guides".
"Fair is Foul", das zweite Kapitel, richtet sich an eine ganz andere Anhängerschaft. Neben dem Buch Nod gab es ja auch schon lange die "Offenbarungen der dunklen Mutter", die sich mit Lilith befassten, einer sicherlich gleichsam tragischen, wie machtvollen und rätselhaften Person in der WoD.
Und da ihr kaum jemand so mitgespielt hat wie Kain, ist dies nun die Zeit ihrer Rache. In einem komplexen aber durchaus geradeaus gerichteten Plot rüstet sie nun zum finalen Schlag gegen den biblischen Brudermörder und wirft alles in die Waagschale, was sie hat. Ihr gelüstet es nach Rache und diese Rache formt "Gehenna" und dessen Ende bedeutet ebenso das Ende der Kainiten. Dieses Ende zeigt sich in einer massiven Konfrontation von Lilith, ihren Kinder, ihrem 'Avatar' Lyla, Lasombra himself, Luzifer und einigen freien Gestalten wie Malakai (respektive Malachit) auf der einen, Kain (und eventuell Abel), Saulot auf der anderen Seite und Tzimisce mittendrin mit eigenen Plänen.
Dieses Ende ist von großer Heftigkeit und wird vermutlich vielen aufgrund der starken Favorisierung von Lilith gegenüber Kain nicht so zusagen, ist auch sicherlich eher drittplatziert, aber machte auch Spaß zu lesen.
"Nightshade" nun ist wieder ein neuer Ansatz, der den Vampiren schlichtweg eine Sache nimmt: die Maskerade. Fast alles, was man von Gehenna erwartet hat, tritt auch ein: mächtige Wesen erwachen aus ihrer Starre, beginnen wieder auf der Welt zu wandeln und die Maskerade ist nicht mehr aufrecht zu halten. Die Spieler können nun den harten Kampf gegen diese mächtigen Wesen aufnehmen, wobei Kampf teils durchaus wörtlich zu nehmen ist.
Dies ist definitiv das Szenario für eine sehr selbstbewusste und gern handlungstragende Gruppe. Wer also Probleme damit hat, dass etwa im Verlauf der Handlung die Gruppe etwa auf Basis von Informationen von Sascha Vykos nach Transylvanien reisen, dort Tremere treffen und mit ihm Tzimisce ausschalten, der ist hier falsch.
Offen gestanden: ich hatte Probleme damit. Diese Geschichte ist mir persönlich einfach zu heftig und die Übermacht der Vorsintflutlichen kommt ebensowenig herüber wie das nahende Ende der Welt (für die Kainiten), weshalb "Nightshade" sicherlich die schwächste Variante des Buches ist; wer aber wiederum auf genau so etwas steht, der könnte kaum besser bedient werden.
Bleibt "The Crucible of God", Variante Nummer vier, Kapitel Nummer fünf. Auch hier wird den Vampiren ihre Maskerade genommen. Das lustige daran: diesmal sind die Spieler sind Schuld. Der vermutlich unbeabsichtigte Maskerade-Bruch der Spieler führt auf kurz oder lang zu einem offenen Krieg der Menschheit gegen die Vampire, unglückliche Umstände darin wieder zu dem Tod vieler Kainiten und diese – das hat uns Ravnos seinerzeit ja schon gelehrt – sind gut dazu geeignet, die jeweiligen Clansbegründer zu erwecken.
Somit wandeln bald die hier schon als "unlebende Götter" scheinenden Vorsintflutlichen über die Erde, doch ist es ebenso ein Krieg, der zwischen ihnen entbrennt. In der Vernichtung ihrer Brüder, so glauben sie, liegt die Apotheose (sinngemäß: zu einem Gott werden), weshalb ihr eigenes Blutgericht auch bald die Welt in großen Katastrophen dem Erdboden gleichmacht.
Dieses Szenario ähnelt dem vorherigen zunächst sehr in seiner Prämisse, jedoch kaum in der Ausführung. "The Crucible of God" macht weit deutlicher, welch gigantische Macht die Vorsintflutlichen haben und die Spieler weit mehr zu Spielbällen dieser unfassbaren Kreaturen, die sich nun gegenseitig bekriegen.
Sehr direkt und episch, weitab des persönlichen Horrors und wohl irgendwo der totale Gegensatz zu "Wormwood", aber darum ja nicht schlecht, sondern ebenfalls durchdacht und gekonnt umgesetzt.
[[SPOILER ENDE]]
Man kann also festhalten, eigentlich alle Geschmäcker werden bedient, jeder sollte wohl mit einem Szenario oder – schlimmstenfalls – mit einer Kombination einzelner Elemente dieser vier Szenarien ein befriedigendes Finale zaubern können.
Die einzige Richtung, die eigentlich gar nicht bedient wird, sind die Fans von Crossovern. Selbst die jüngst mit dem Quellenband "The Red Sign" nochmal aufgefrischte Bindung zwischen den Magi und den Vampiren wird hier auf einen einzelnen Textkasten begrenzt, was aber durchaus gut gefällt, da die Crossover zwar immer nett waren, aber "Gehenna" doch eigentlich ganz den Kainskindern gehören sollte.
Kapitel sechs, "Storytelling", geht dann auf kurzen 18 Seiten noch darauf ein, wie man "Gehenna" am besten spielerisch umsetzt und gibt Ratschläge, wie man beispielsweise verhindert, dass die Spieler vor lauter Vorsintflutlichen, Methusalems und Ahnen völlig untergehen und wie man die einzelnen Grundstimmungen "Gehennas" gut darstellen kann.
Das Kapitel ist dabei sicherlich keine Offenbarung und, mit Verlaub, wer eine Vampirchronik bis zu "Gehenna" gespielt hat, sollte es mittlerweile begriffen haben, was gerade mit seiner Gruppe gut geht und was nicht, aber andererseits, wäre es nicht da, würde man sein Fehlen ebenso bemängeln.
Der Appendix widmet sich noch den wichtigsten NSCs des Buches, wobei die Vorsintflutlichen explizit ausgeklammert werden, die Frage dagegen, ob und wie man Kain am günstigsten einsetzten kann und sollte, wird sehr umfassend adressiert.
Und ja, natürlich haben die NSCs Stats, und nein, Gott sei dank hat Kain keine.
Letztlich gefällt das Buch eigentlich sehr, sehr gut. Auch die Tatsache, das wieder keine endgültig verbindlichen Fakten gegeben werden, gefällt sehr gut, denn hier muss sich auch niemand mehr Sorgen um Kontinuität machen, wenn die Welt untergeht, tut sie das bei jedem für sich und ist dabei schlicht endgültig.
Daher ist es auch nur schön, dass etwa Liliths Identität weiter offen bleibt, und nur gesagt wird, sie könne etwa der erste Vampir, die erste Frau, die Mutter der Dämonen, die erste Maga oder auch die Scarlett Empress sein, doch das bleibt dem SL überlassen. Oder auch die Abhandlung der Disziplinen auf Level 10, denn der höchste Grad einer jeden Disziplin ist die mächtige Fähigkeit "Plot Device" – schön, dass hier dem Erzählen so viel Raum vor den Regeln eingeräumt wird.
Abschließend kann man nur sagen, dass "Gehenna" ein hervorragendes Buch geworden ist, dass "Vampire" würdig beendet. Und zwar mit der Würde seines Höhepunkts, der Würde einer Zeit vor "Havens of the Damned" und ähnlicher Bücher.
Ich bin sehr zufrieden mir dem Finale des ersten der WoD-Systeme ... und ich denke, in wenigen Wochen lesen wir uns dann hier wieder, um zu sehen, ob "The Apocalypse" für Werwolf ähnlich herausragend sein wird.
Bis dahin: beide Daumen hoch für das Ende der Welt!
Name: Gehenna {jcomments on}
Verlag: White Wolf
Sprache: Englisch
Autoren: Bjorn T. Boe, Travis-Jason Feldstein, Christopher Kobar und Dean Shomshak
Empf. VK.: 29,99 US-Dollar
Seiten: 250