Vampire - The Requiem - The Invictus

Blood ages like wine, but only with the best vintner, cellar and cask becomes priceless.
vom Backcover von V:tR – The Invictus

Mit „The Invictus“ geht die Reihe der Covenant-Books für Vampire: the Requiem nun bereits in die dritte Runde und ich denke, wir können demnach auch ohne Umschweife mitten in unsere Besprechung des gut 230 Seiten schweren Hardcover-Bandes.
Schön ist er geworden. Nachdem dem visuellen Tiefschlag, den uns das Cover vom „Ordo Dracul“-Band noch beschert hat. Sprach ich damals noch vom „mit Abstand furchtbarste[n] Bild“, so hat diesmal Jean-Sebastien Rossbach den Stift zur Hand genommen und dem Clan Form gegeben. Fünf typische Vertreter von der Business-Frau über den alten Patriarchen und den viktorianisch Gewandeten bis hin zum Schrank mit leerem Blick und blondem Bürstenschnitt versammeln sich dort, schön gezeichnet und atmosphärisch stimmig.
Auch die gewohnten Konstanten in der Verarbeitung – mattes Hardcover mit Glanzelementen, schwarzweißer Innendruck und ein Preface auf dickerem, farbigem Papier – sind wieder mit an Bord. Zu der einleitenden Geschichte sei noch gesagt, dass auch hier, Gott sei es gedankt, die rosa Pappe des Vorgängerbandes keine Wiederauferstehung feiert. Schön ist‘s allerdings auch nicht wirklich.
Die Innengestaltung ist auf dem guten Niveau der Reihe und „The Invictus“ lässt sich damit auf Platz zwei der Optik-Rangliste bei den Covenant-Books nieder, denn das schöne Preface und das unglaublich stylische Cover von „Lancea Sanctum“ bleiben für mich auch weiterhin unerreicht.

Präludium, Einleitung, fünf Kapitel und ein Appendix – auch bei der Struktur gibt es ganz offenkundig nichts zu sehen, was man nicht auch schon von den Vorgängern her kannte. Das muss kein Nachteil sein, aber es führt einfach dazu, dass ich jetzt an dieser Stelle nicht zu viele Worte dazu verlieren werde und lieber gleich zu den Abschnitten übergehe.

Die Einleitung behandelt wie immer die gröbsten Kernfragen. Neben der „Wie man dieses Buch benutzt“-Abhandlungen, die es natürlich wie immer gibt, sowie einigen Worten zum Thema und Stimmung, gibt es dann auch noch ein paar spezifische Zeilen. Man erfährt etwas über das Selbstverständnis der Invictus, darüber, dass die Maskerade für sie vor allem anderen steht. Dann folgen noch erste Anmerkungen darüber, wie man Rang, Territorium und Feudalismus in Verständnis des Bundes auch im Rollenspiel verkörpern kann sowie das mit zusammen vielleicht zwei Seiten recht umfassende Lexikon zur Sprache des Covenants an sich.

Und schon ist man im ersten Kapitel angelangt, „A History of the Invictus“. Dazu muss man hier glaube ich auch nicht zu viele Worte verlieren. Zehn Seiten zur Vergangenheit, die bereits im Jahre 84 AD beginnt und sich dann bis in die Gegenwart erstreckt. Einige Plotaufhänger, aber vornehmlich viel Fluff für den geneigten Erzähler.

„Unlife in the Invictus“ wurde das zweite Kapitel des Buches getauft und es behandelt ebenfalls genau das, was der Name nahe legt. Da gibt es bei diesem Covenant naturgemäß viel zu erzählen, denn die Struktur, die Ränge und Titel sowie die Aufgabenfelder sind bei denen, die sich selbst auch „the First Estate“ nennen, sehr streng und hierarchisch untergliedert. Das Buch selbst fasst es ganz gut zusammen, wenn es meint, dass in diesem Kapitel beschrieben wird, wie die Invictus eine Stadt regieren, wenn sie an der Macht sind ... und wie sie es tun, wenn sie es nicht sind. Die Bedeutsamkeit schlägt sich auch gleich im Umfang nieder – 54 Seiten stellt Kapitel 2.

Das dritte Kapitel geht dann an die „Innereien“. „The Invictus and the Danse Macabre“ steht darüber und beschreibt nun auch die inneren Verbindungen und Zuständigkeiten der Mitglieder dieses Covenants. Wie die Macht vergeben und strukturiert ist und wie man die Leiter herauf klettern oder herunter fallen kann, damit befassen sich diese 40 Seiten.

Ab dem vierten Kapitel wird es dann auch handfester. „Factions and Bloodlines“ bietet, nun ja, Factions und Bloodlines eben. Die aristokratische Natur des Covenants macht Factions sehr bedeutsam, weshalb wohl auch die enthaltenen vier Beiträge („Most Noble Fellowshop of Artemis“, „The Octopus“, „The Most Honorable Order of the Thorned Wreath“ und, Achtung Kalauergefahr für deutsche Leser, „Die Nachteulen“) entsprechend ausführlich beschrieben werden.
Es folgen zwei Ghoulfamilien (die Butler-artigen „Hostewicks“ und die rein auf Muskelkraft setzenden „Bulls“), ganz nach dem Schema aus dem „Ghouls“-Quellenband und dann kommen sie wieder – die Blutlinien.
Diesmal sind es sechs Neuzugänge. Nacheinander findet man da die „Annunaku“ (die ihren Spitznamen „Landlords“ mit Recht tragen), die „Kallisti“ (eisige Manipulatoren, die ihre größte Freude daraus ziehen, das Entstehen von Loyalitäten und Bündnissen zu beobachten, nur um diese dann zu zerschlagen), die „Lynx“ (mit einer schweren Obsession für Netzwerke aller Art, weshalb sie sich auch nicht als bloodline, sondern als blood web bezeichnen), die „Malocusians“ (werden auch als Spinnen bezeichnet, da sie aufgrund eines Bluteids innerhalb ihrer Zuflucht auf Beute lauern müssen), die „Sotoha“ (von Japanern des 16. Jahrhunderts gegründet und im Exil, in Amerika, weiter geformt) und die „Spina“ (denen Begriffe wie Ritterlichkeit und Tapferkeit auch im Danse Macabre des 21. Jahrhunderts noch etwas bedeuten).

Das fünfte Kapitel wird dann noch einmal richtig regellastig und bietet dem geneigten Invictus-Spieler gleich zwei Themengebiete. Das wirklich neue Gebiet sind dabei „Blood Oaths“. Diese stellen ein Fundament der gesamten Gesellschaft des Covenants dar und werden hier in aller Tiefe und allem Detail aufgeührt. Mechanisch gleichen diese komplexen Devotions, sind aber mit acht Seiten Umfang mehr als nur Anhängsel.
Es folgen sechs neue Merits, die schon eher unnötig erscheinen, aber im Sinne des Buches durchaus ihre Daseinsberechtigung haben.
Der zweite große Themenbereich des Buches sind dann aber die Disziplinen zu den Blutlinien. Courtoisie, die Disziplin des ehrenvollen Kampfes für die Spina, die zufluchtsbezogene Kraft Domus für die Malocusians, die Kallisti-Kraft Perfidy der sozialen Zerstörung, mittels Kamen können Sotoha sich um ihr Gesicht (wörtlich, wie im „das Gesicht waren“-Sinne) kümmern, das die Wahrnehmung immens verstärkende Tenure der Annunaku und das auf den ersten Blick recht abstrakte Web, klar, für die Lynx.
Man hänge noch einige Devotions hinten an und fertig ist der Abschnitt.

Bleibt der Appendix, „Allies and Antagonists“ wie eh und je. 15 friedliche Charaktere stehen fünf kämpferischen Gegnern gegenüber, das ist ein Verhältnis, mit dem ich Leben kann. Großartige Offenbarungen findet man hier aber nicht.

Eigentlich kann man das als Fazit für das ganze Buch nehmen. Wie so oft bei der neuen WoD erhält man genau, was auf dem Deckel steht – nicht mehr, nicht weniger. „The Invictus“ ist ein tolles Buch für alle, die die Hierarchen unter den Blutsaugern mögen. Es bietet endlos viele Details über dieses Covenant, zahlreiche Details, viel Material zur stimmungsvollen Ausgestaltung und die eine oder andere Idee für spannende Geschichten für die Erzähler unter den Lesern. Ja, selbst wer die Invictus nie interessant fand, wird hier vielleicht eines Besseren belehrt.
Auf der anderen Seite, wer das Covenant nicht mag, schon immer doof fand oder schlicht für seine Kampagne nicht braucht, der muss auch kein Geld für „The Invictus“ ausgeben. Die neuen Blutlinien sind ja durchaus nett und erstaunlich spieltauglich, verglichen mit anderen Büchern, einige Disziplinen sind faszinierend und die Blood Oaths sicherlich eine gewinnbringende Bereicherung. Aber unter‘m Strich ist und bleibt das Buch, was auf dem Cover steht; ein Buch über „The Invictus“.
Darin ist es auch sehr gut – etwas anderes kann es aber nicht.


Name: The Invictus {jcomments on}
Verlag: White Wolf Publishing 
Sprache: Englisch
Autoren: Kraig Blackwelder, David Chart, Ray Fawkes und Dean Shomshak, mit Will Hindmarch
Empf. VK.: 31,99 US-Dollar 
Seiten: 230