Vampire - The Requiem - Requiem for Rome

„We do not live.
We are but shadows and worms, consigned to the Earth an shamed by our incompletion.
But we are creatures of Rome.“
vom Backcover von Requiem for Rome

Bei „White Wolf“ hatte man ja schon immer einen gewissen Hang dazu, seine Spielreihen mit anderen Settings zu kreuzen um zu schauen, ob man nicht auf Trends schwimmen und/oder neue Marktsegmente erreichen kann. Einiges davon war ganz grandios, wie etwa das wundervolle „Dark Ages: Fae“, das kaum einer je zu Gesicht bekam, da es voll in der Welle unterging, die durch den Neustart der WoD verursacht wurde, anderes auch eine ziemliche Gurke, etwa „Werewolf: Wild West“ oder das so gar nicht funktionierende „Dark Ages: Inquisitor“.
Bei den neuen Reihen haben sie sich bisher dahingehend sehr vornehm zurückgehalten, aber offenbar hatte HBOs Fernsehserie „Rome“ einen derart großen Einfluss auf die Medienkultur Amerikas, dass man die Zeit gekommen sah. Das Produkt dieser Entscheidung liegt nun vor mir: „Requiem for Rome“.

Der erste Eindruck ist höchst positiv. Das Buch ist bildschön aufgemacht, zeigt auf dem Cover die Fliesen eines Badehauses, durch die ein Blutschwall langsam in einen Abfluss sickert, der den Schädel der Vampire-Spielreihe nachempfindet. Die Fliesen ragen in einem Prägedruckverfahren plastisch hervor und das Blut ist als einzige Bildelement glänzend laminiert, was insgesamt einen richtig schönen Eindruck erzeugt. Auch die sehr robuste Verarbeitung und das fast wie echtes Leinen wirkende Material, mit dem die Buchdeckel ausgekleidet sind lassen die Schwächen einiger WoD-Produkte vor ein, zwei Jahren ganz schnell vergessen. „Requiem for Rome“ ist ein Rollenspielbuch, wie es sein muss.
Die Innengestaltung ist ebenfalls sehr schön und verwendet nicht die üblichen Seitenränder von Requiem, sondern setzt auch dort auf eine an römische Bauten erinnernde Optik. Sehr schön, zumal die Zeichnungen von gewohnter Qualität und zahlreich sind.

Inhaltlich gliedert sich das Buch nach einem Prolog von Hobby-Legende Kenneth Hite und einem intime verfassten Prolog sowie der üblichen Einleitung in vier große Kapitel, die ziemlich genau die mitgebrachten Erwartungshaltungen erfüllen dürften.
Kapitel 1 beschreibt unter dem lateinischen Titel „Ab Urba Condita“ die Geschichte Roms, wie die Stadt entstand und sich entwickelt hat, aber natürlich wie immer mit dem Ansatz, es als Vampire-Setting zu beschreiben. Daher geht dem Kapitel auch gleich ein Textkasten voraus, der klar macht, dass wirkliche Historizität hier sekundär war und einer guten Geschichte immer nachzufolgen hatte. Das Kapitel ist lang, sehr lang sogar, aber es erfüllt seinen Zweck. Wirklich spannende Lektüre ist jedoch etwas anderes.

Beispielsweise Kapitel 2 - „The Player's Guide to Rome“. Rom wird, in seiner hier beschrieben Form, massiv durch die Camarilla kontrolliert. Diese unterteilt sich in fünf Flügel, die auf die Namen Senex, Legio Mortuum, Cult of Augurs, Peregrine Collegia und Lancea et Sanctum hören und hier die sonst bekannten politischen Fraktionen ersetzen. Die Nischen sind die gleichen und bei dem kleinen Versuch, das fehlerhafte Latein von „Lancea Sanctum“ durch den Vorläufer mit dem „et“ im Namen auszubügeln muss man schon schmunzeln, aber alles in allem gefällt der Ansatz.
Direkt danach folgen die Clans. Auch derer fünf: Daeva, Gangrel, Mekhet, Nosferatu und ... nein, nicht Ventrue. Da die Ventrue ihre Wurzeln eher im antiken Griechenland haben, hat man hier prominenten Ersatz gefunden: Die Julii. Das Einsatzfeld – Politik und Machtspiele – ist bei den Julii das gleiche, aber der Flair ist doch ein ganz anderer und vielleicht mehr noch als irgendetwas anderes in diesem Buch der HBO-Inspiration geschuldet.
Egal, mir gefällt die Idee extrem gut.
Weiterhin hat Kapitel 2 dann noch allerlei Regelkram an Bord, von angepassten Skills und Merits bis hin zu einigen Anmerkungen, wie welche Disziplinen im alten Rom praktiziert werden. Aber nein, keine eigene Disziplin für die Julii oder dergleichen. Finde ich auch gut.

Das dritte Kapitel heißt „Rome and Necropolis“ und ist genau das, was der Name vermuten lässt: Eine Stadtbeschreibung. Es werden zuerst namhafte Orte in Rom, dann in der unterirdischen Vampir-Stadt Necropolis beschrieben, dann noch mal generische Orte, ebenfalls aufgeteilt auf Rom und Necropolis. Daraufhin folgt noch mal sehr viel über das Leben in Rom und über das Untereinander der Vampire sowie ein von der Idee her gutes aber in der Umsetzung mir schon wieder zu mechanisches System für rhetorische Reden. Es war für mich überraschend, dass diesem Aspekt aber überhaupt Raum gegeben wurde und es ist sicherlich etwas, was jede Kampagne in dem Setting von anderen gut abgrenzen kann – im antiken Rom der Vampire zählen große Redner und gute Reden noch etwas, hier wird wirklich noch Politik gesprochen.

Verbleibt Kapitel vier, „Storytelling and Antagonists“ getauft. Das übliche Bild, muss man sagen.
Ein Überblick über die Zentralen Themen des Settings, einige weitere Anmerkungen zur Verwendung von authentischer Geschichtsschreibung am Spieltisch, eine Übersicht verwendbarer Konflikte, Abenteuerideen und -inspirationen, Varianten des zeitlichen Rahmens Settings innerhalb des Raums „Antike“ ... sowie dann doch einige coole Sachen.
Die „Striges“ etwa. Im Singular Strix genannt sind das bizarre, schreckliche Wesen, die vom Hintergrund her mit den Julii verbunden sind und die unglaublich viel Story-Potential bieten. Haben mich sehr begeistert, direkt vom ersten Kontakt mit den Biestern an.
Auch natürlich vorhanden sind Blutlinien, wenigstens drei. Larvae sind eine Art Schmuggler- und Hehler-Gruppe aus den Reihen der Gangrel, Liginii stellen ein mysteriöses Bindeglied zwischen den Julii und den Nosferatu dar und mit den Morbus, einer Linie der Mekhet die man so ja auch schon in der Gegenwart gesehen hat, zieht auch das klassische Bild der Leprakranken oder anderweitig mit Plagen geschlagenen in den übernatürlichen Teil des Settings ein.
Eine Reihe von Beispiel-NSCs runden das Kapitel und ein Index dann auch das gesamte Buch ab.

Alles in allem habe ich „Requiem for Rome“ eher aus Spaß aus einer Mängelexemplar-Kiste der RPC 2007 gezogen und nicht erwartet, viel Tolles in dem Buch zu finden – und wurde eines Besseren belehrt. Das Buch präsentiert nicht nur ein spielbares, sondern sogar in sich logisches Setting, das weder harsch mit bisher verbreiteten Infos aus der Hauptlinie kollidiert noch irgendwie aufgezwungen oder aufgesetzt wirkt. Die politischen Intrigen rund um die Häuser Roms und den Senat bieten eine Grundlage, die geradezu wie gemacht scheint für die Blutsauger. „Requiem for Rome“ ist dabei dann auch noch gut geschrieben und versteht es auch, jedenfalls in den Kapiteln 2 bis 4, den Leser mit gut aufbereitetem, spielrelevantem Material zu verwöhnen.
Das Buch ist mit 31,99 US-Dollar nicht ganz billig, mit seinen 256 Seiten aber auch von anständigem Umfang und damit eigentlich auch zum Vollpreis durchaus sein Geld wert.
Wer Lust hat, man was ein eher unverbrauchtes Setting unsicher zu machen und mal den dunklen, dampfenden Häuserschluchten der WoD entfliehen will, der macht hier sicherlich nichts falsch.


Name: Requiem for Rome
Verlag: White Wolf 
Sprache: Englisch{jcomments on}
Autoren: Russell Bailey, David Chart, Ray Fawkes, Will Hindmarch, Howard David Ingham, Chuck Wendig, Kenneth Hite
Empf. VK.: 31,99 US-Dollar 
Seiten: 223