Vampire - The Requiem - Circle of the Crone

„The old gods are not dead. They live within us.
We give them life, warm blood, and they keep us from death.
That is our covenant, our promise. Everything else is fashion.“
vom Backcover von V:tR – Circle of the Crone

Ich muss schon sagen – so richtig Lust hatte ich nicht gerade auf das vorliegende, fünfte und damit letzte Covenant Book. Zuletzt hatte ich aus der Reihe „Carthians“ auf dem Tisch und schrieb damals, zur Erinnerung, dass es für mich „zu den mit Abstand schwächsten Büchern, die ich bisher für die neue WoD gelesen habe“ zählte. Und nun der „Circle of the Crone“. Eigentümliche Mutterkult-Vampire, so schien es mir im Grundbuch – das klang jetzt auch nicht wirklich spannend. Aber hey, vier gelesen, da stoppe ich doch nicht auf den letzten Metern.

Das wäre auch ein Fehler gewesen, wie wir im Laufe dieser Rezension sehen werden. Von außen betrachtet ist das Buch irgendwo im Mittelfeld der Reihe angesiedelt. Das Cover von R.K. Post ist handwerklich gut, aber mit seinen Ranken, Wurzeln, Schweinekopf-Altar-Inszenierung und der halbnackten Frau mit Kelch und krummen Schwert doch eher in der Pulp-Liga anzusiedeln. Der Rest ist wie immer – matter Einband, Glanzelemente, eben alles wie immer. Die restliche Verarbeitung ist chinesischer Standard mit mattem Papier und auch diesmal wieder bruchgefährdeter Bindung. Beides habe ich mittlerweile in so vielen Rezis durchgekaut, ich denke, ich gehe mal direkt zum Interieur über.
Am Anfang steht wieder ein Prolog von Greg Stolze auf anderem Papier, diesmal gelblich in der Farbe. Andere waren einfallsreicher, andere waren schöner, aber für sich genommen ganz okay. Die Qualität der Illustrationen ist wieder recht hoch, wenn auch Highlights rar gesät sind. Es gibt ein paar, etwa die Blutlinien, aber die Quote der finster guckenden Frauen in langen Kleidern, die mit irisierenden Augen und Zucken in den Mundwinkeln direkt auf den Betrachter gucken, ist diesmal einmal mehr recht hoch. Alles in allem wohl gewohnte Qualität.
Was mir diesmal noch einmal negativ aufgefallen ist, ist das Lektorat. Im White Wolf-Forum fragte mal jemand, ob das Lektorat von WW-Büchern von trainierten Affen gemacht würde und, falls ja, ob diese in Schichten arbeiten würde. Ich weiß es nicht, aber was auch immer „Scribendi.com“ machen, wenn sie Bücher korrigieren – aufmerksam tuen sie es nicht. Absolut bahnbrechend sind da bisweilen die Kopf- respektive Fußzeilen. Es gibt die Blutlinie „Childer of the Morrigan“, auf die wir später noch zu sprechen kommen. Die umfasst vier Seiten. Auf der ersten Seite steht in der Fußzeile „childer of te morrgan“. Auf der zweiten Seite mutiert das weiter zu „children of the morgan“. Und auf Seite drei und vier wurde es dem Layouter wohl zu doof, da steht dann „carnon“. Das ist zwar der Name der Blutlinie, die davor beschrieben wurde, aber wenigstens stimmt hier die Schreibung. Naja, wie dem auch sei – addiert man noch einige phantasievolle Schreibweisen anderer Wörter, Fehler in Schriftarten und Formatierungen sowie einige abgeschnittene Grafiken dazu, kommt man zu dem Schluss, dass der Satz von „Circle of the Crone“ definitiv kein Kind der Liebe ist.

Das Buch gliedert sich – Innovation ist, wenn man trotzdem lacht – in fünf Kapitel, umgeben von besagter Vorgeschichte, einer Einleitung und auf der anderen Seite eben einem Appendix. Und da ist dann auch eigentlich alles wieder wie immer.
In der Einleitung gibt es einen ersten Überblick über das Buch, einige Worte zum Thema Crossover und ein Erratum. Die beiden letzten Punkte sind beide zu beachten. Der Crossover-Text bezieht sich auf die Nähe des Covenants zu Spirits und dass man die einfach so verwenden soll, wie die Geister aus dem Grundregelwerk. Nur mal so als Anregung – die beiden letzten Bücher die ich hier für die WoD rezensiert habe, „Skinchangers“ und „Tales from the 13th Precinct“, verwiesen mich beide auf W:tF und M:tA, da dort mehr zu Spirits enthalten ist. Nun habe ich hier den neuesten V:tR-Quellenband, und er verweist mich, ja, darauf, dass ich keine generischen Regeln für Spirits habe. Warum eigentlich nicht? Offenbar wäre der Bedarf ja doch gegeben. Wer weiß, vielleicht kriegen wir 2007 ja doch endlich mal das generische „Book of Spirits“ für die WoD.
Dann ist da die Sache mit dem Erratum. Das ist eine gute Angelegenheit, denn offenbar hat man die Mechanismus, nach dem die Crúac-Rituale verwendet werden, aber der zweiten Auflage des V:tR-Grundbuchs verändert, und zwar nachhaltig. Hier nun gibt es zumindest eine kurze, etwas halbgar wirkende Anleitung, dieses Erratum auch für sein Buch anzuwenden, sollte man die Erstauflage erworben haben. Jetzt habe ich nur eine Frage: Warum taucht das in den Online-Errata nicht auf?! Muss mir also ein über 30 Dollar teures Buch kaufen, um meine durch den Erstkauf bewiesene Treue vergelten zu lassen? Daumen hoch!
Aber die Kritik geht echt nur an den Verlag, wie gesagt, ich finde es wirklich positiv, dass es in dem Buch auftaucht – wäre nur schön gewesen, wenn es nicht nur da auftauchen würde.

Kommen wir zum „echten“ Inhalt. Das erste Kapitel hört, wie immer bei solchen Büchern, auf den Titel „A History of the Circle of the Crone“, hat mich aber nicht so wirklich packen können. Die Sache ist einfach, dass der Circle so eine Art Zusammenschluss endlos vieler heidnischer Vampirkulte ist. Hat man so etwas wie das „Lancea Sanctum“, dann existiert da ganz offensichtlich eine uralte Geschichte, Mythen, Schöpferlegenden und vieles mehr. Das gibt es für den Circle auch – hundertfach. Anstatt nun also hier einen stringenten Zeitfluss zu haben, kriegt man eher einen groben Überflug über das Modell. Das ist okay und ist vermutlich auch nicht anders zu machen, überzeugt mich aber dennoch nicht.

Die Wende kam mit Kapitel 2, „Unlife in the Circle of the Crone“. Wenn ich eingangs noch schrieb, dass ich das Covenant als „Mutterkult“ empfand, so war das sicherlich eine Fehleinschätzung. Dem Circle ist nicht die Mutter, sondern das Leben wichtig und heilig. Die Mutter ist nur Mittel zum Zweck, denn sie ist halt das gängiste Symbol für Leben. Untote Blutsauger, die dem Leben huldigen, das ist schon spannend.
Die heidnischen Einflüsse diverser verlorener Götter schaffen insgesamt ein interessantes Potpourri philosophischer Konzepte, die dann auch wiederum Einfluss auf deren Weltbild haben. Ob nun Vinculum, Starre oder Golconda – gängigste Konzepte der vampirischen Gesellschaft fallen beim Circle plötzlich ganz anders aus, stehen in einem ganz anderen Licht.
Auch die Abschnite über die Hierarchie innerhalb des Bundes sind interessant und mal etwas ganz anderes, als man es von Sanctum oder Invictus her gewohnt ist, dennoch aber irgendwie schlüssig und, das ist das Wichtigste, gute Ideengeber für den Erzähler. Gerade die titelgebende Rolle der „Crone“ wird hier sehr unterhaltsam aufgezogen und jedem dieser Ränge, derer es viele gibt und die alles zwischen Jungfrau und Narr, Vater und Mutter sein können, sind mythologische Beispiele beigefügt. Damit ist es auch recht einfach, sich einen individuellen Glauben für einen Vampir des Circles zu bauen, damit nicht alles nach Schema F abläuft. Überschriften wie „The Circle and Homosexuality“ haben mich beim Querlesen eher verwirrt gelassen, doch wirklich, das Buch baut ein stimmiges Gesamtbild auf was ein kleines Wunder vollbringt, und den „Circle of the Crone“ zu einem Element werden lässt, das man in seine Kampagne einbauen möchte.

Kapitel drei ist ebenfalls von der Stange benannt: „The Circle of the Crone and the Danse Macabre“. Die Philosophie(n), die Glaubensrichtung(en) und die Riten des Covenants werden hier, wie schon in den vier Vorgängern, ausführlich und anschaulich beschrieben. Hier steckt ebenfalls viel Material im Text, dass es weitaus leichter macht, den Circle am Spieltisch mit Leben zu erfüllen, sowohl als Spieler wie auch als Erzähler.
Coteries, Factions, Domains, Embrace, sogenannte Treasure Hunts, Geheimgesellschaften, Informationen zu verschiedenen Arten von Schöpfungsprozessen – Kapitel drei steckt voller guter Ideen und lässt einen sogar vergessen, dass das Buch hier doch schon wieder gefährlich nah zum Schema F zurückgekehrt ist.

Kapitel vier bietet ebenfalls gewohnte Informationen an gewohnter Stelle: „Factions and Bloodlines“. An Factions gibt es die „People of the Land“, eine Art Jagdgesellschaft, die glaubt, dazu zu dienen, die Menschheit an der Überbevölkerung zu hindern, „The Second Descent“, die einer mythischen Unterwelt nachhängen, „The Hag“, die einen grandiosen Mythos rund um die Träume in Starre und eine seltsame Traumgestalt, die „Hag“ eben, weben, „The Disciples of Silence“, die ein Beispiel für gottlosen Mystizismus darstellen, die „Sipan“, südamerikanische Vampir-Hexen, die japanischen „Amanotsukai“, die „Daughters of the Goddess“, die eine Erdgöttin anbeten und interessante Ansichten über einen gemeinsamen Glauben von Vampir und Beute haben sowie die „Semioticians“, die zwar an die Mächte des Covenants und an Crúac glauben, nicht aber an die „Crone“.
Es folgen die Bellsmeade, die mittlerweile ja auch unvermeidbare Blutlinie des Buches.
Weiter geht‘s mit den Blutlinien. Die Asnâm sind Daeva, die sich auf tibetanische Glaubensrichtungen stürzen und gemeinhin nur „Idole“ genannt werden. Die „Carnon“ sind Gangrel, deren Rufname „Pucks“ bereits viel verrät – sie sind ein Beispiel für primär männliche Akolyten des Circle of the Crone und folgen den Wegen des gehörnten Gottes. Auch die „Childer of the Morrigan“ sind Gangrel und werden recht lyrisch als „warrior-poets without wars to fight“ beschrieben. Die „Gorgons“ dagegen sind Ventrue, werden oft „Medusas“ genannt und waren einmal machtvolle Strippenzieher, ziehen vor allem Motivation daraus, glänzend im Mittelpunkt zu stehen, als sozialer Botschafter gewissermaßen. Die „Mara“ zum Schluß sind sehr schräge Gangrel, die es bevorziehen, in den vergessenen Gewässer der Welt, in Brunnenschächten und dergleichen zu hausen. Nun ja.
Alles in allem das gewohnte Bild, aber recht viel Content und einige nette Ideen.

Zum fünften Kapitel dagegen kann man nicht viel sagen: Die Gorgons erhalten mit „Amphivena“ eine auf Schlangenmetaphorik erbaute eigene Disziplin, ebenso wie die Asnâm mit „Ralab“ eine Möglichkeit erhalten, aus dem Rollengeflecht zwischen Idol und Verehrer Kraft zu ziehen. Dazu vier neue Devotions und neunzehn Seiten mit Hintergründen und über zwanzig neuen Crúac-Ritualen. Nichts Unerwartetes, gewohnte Qualität.

Es verbleibt der Appendix, der wie immer bei diesen Büchern „Allies and Antagonists“ heißt. Elf nicht-kämpferische und drei kämpfende, generische Archetypen aus dem Circle zur direkten Verwendung. Die große Zahl sozialer Charaktere gefällt mir sehr gut, insgesamt gibt es aber auch hier nichts, was man nicht erwartet hätte. Einige nette Ideen sind drin, aber nichts wirklich Neues.

Zieht man alles zusammen, so gelingt dem Buch eine beachtliche Leistung: Es macht das Covenant „Circle of the Crone“ direkt bedeutend interessanter zu spielen und lädt auch geradezu dazu ein, einige dieser Vampire in einer Chronik zu verwenden. Hätte ich wirklich nicht gedacht.
Das Buch ist aber nicht perfekt. Neben den Pannen in der Aufmachung stören vor allem die weniger kreativen Kapitel, etwa die NSCs, das Gesamtbild. Auch das Geschichtskapitel gibt eher wenig her und ab dem vierten Kapitel beginnt die gewohnte Materialschlacht, die auch nicht ganz so umfangreich hätte sein müssen.
Insgesamt ist das Buch für mich „noch gut“ geworden; alleine für den Gewinn an Tiefe bei diesem, vielleicht obskurstem Covenant lohnt sich der Kauf des Wälzers aber durchaus.


Name: Circle of the Crone{jcomments on}
Verlag: White Wolf 
Sprache: Englisch
Autoren: David Chart, Ray Fawkes, Greg Stolze und Chuck Wendig mit Will Hindmarch
Empf. VK.: 31,99 US-Dollar 
Seiten: 224