Vampire - The Requiem – Bloodlines - The Hidden

You‘re either part of the family
or you‘re food.
I know you ain‘t kin,
so where does that leave you?
vom Backcover von V:tR – Bloodlines: The Hidden

„Trotz der vielen schönen Bilder, das beste ist auf dem Cover.“, so bemerkte meine Ventrue-Spielerin vergangenen Donnerstag sehr treffend nach dem Durchblättern von „Bloodlines: the Hidden“. Sie hat recht, so viel steht fest. Das Bild, gefertigt von Todd Lockwood, zeigt vier Vampire, die geradezu wunderschön von gelblichem Licht beleuchtet werden, welches durch ein großes Fenster mit blutigen Flecken auf sie geworfen wird. Es ist ungeheuer plastisch, die abgebildeten Figuren sind gut getroffen, unterschiedlich und machen direkt Lust darauf, in das Buch hineinzulesen.
Das Arrangement setzt da noch einen drauf, denn wieder wurde hier der matte Druck mit Folienelementen verziert, wobei anders als bisher nicht der komplette rechte Rand, sondern nur der „World of Darkness“-Schriftzug hervorgehoben wurden. Doch auch das leicht in Transparenz ausgleitende „Bloodlines: the Hidden“-Logo sieht einfach phantastisch aus.
Für mich bisher das schönste Cover der gesamten neuen WoD-Quellenbände, mumaßlich gefolgt vom generischen „Antagonists“ ... aber das gehört ja nicht hierher.
Auch im Inneren des Buches wartet eine Überraschung, denn das Buch ist bunt. Aber anders als im Grundregelwerk wurde hier nicht der typisch-schwarze Druck mit blutigen Flecken unterlegt. Vielmehr wurde das, was sonst schwarz ist, hier nun durch ein dunkles rot ersetzt. Ist sicherlich keine Offenbarung (und wurde vor Urzeiten bei „Werewolf: the Wild West“ auch schon mal praktiziert), ist aber schön.
Auch sonst zeigt sich hier viel Liebe beim Layout. Keine Seite ist im Hintergrund einfach weiß, wo keine Illustration zu sehen ist, da ragen eben Elemente anderer Illustrationen als Wasserzeichen über die Seite.
Dazu kommen die Illustrationen, die zwar von den Motiven her schwankend sind, aber trotz acht unterschiedlicher Zeichner sehr einheitlich wirken. Das kennt man von der WoD ja eigentlich gar nicht, gefällt aber ausgesprochen gut. Wenn dazu dann noch abgedrehte Visionen wie die drogenbezogenen Anvari auf S. 27 oder die schön anzusehende Bohagande auf S. 39 kommen, muss man einfach anerkennen, dass „Bloodlines“ auch im Inneren einer der schönsten Bände ist, die mir bisher jemals untergekommen sind. Dazu dann noch die Innenseite des Einbands, wo die einzelnen Illustrationen des Bandes zu einem großen Gemälde zusammen gefügt worden sind. Wow!

Wer hingegen bisher noch gar nichts von dem Band gehört hat, der ist vermutlich bei „Anvari“ und „Bohagande“ hellhörig geworden. Richtig, nicht die Blutlinien aus dem Grundregelwerk werden hier weiter beschrieben, sondern ein Dutzend ganz neuer Vertreter. Wer nun aufstöhnt und fürchtet, das alte Chaos der 1001 Clans und Blutlinien des alten „Vampires“ käme wieder, der sei aber beruhigt. Wie auch schon die fünf ausformulierten Linien aus dem Grundregelwerk, so sind auch die hier vorgestellten Kindred selten. Richtig selten.
Man sollte „the Hidden“ daher auch eher als Fundgrube für Erzähler und Inspirationswerk verstehen, nicht als automatischer Beitrag zum Kanon.
Will sagen: wenn der Erzähler meint, einer seiner Charaktere wäre zum Beispiel ein guter „Architect of the Monolith“, dann kann er ihm das natürlich gewähren. Will er dagegen niemals eine bestimmte Blutlinie in seiner Runde haben, dann lässt er sie eben raus.

Betrachtet man die zwölf Neuankömmlinge, so fällt zunächst mal auf, dass hier keine weiteren recycelten Clans der Maskerade Einzug gehalten haben. Also keine neuen Bruja, Malkovians oder Toreador, sondern eher weitere Vertreter im Stile der Burakumin oder der Morbus.
Es würde vermutlich etwas weit führen, hier alle Neuen vorzustellen. Daher seien hier nur mal exemplarisch vier Vertreter des Buches vorgestellt.
„Anvari“ etwa sind eine Blutlinie der Daeva und beschäftigen sich mit Drogen, Rausch und ähnlichen Zuständen. Mittels einer neuen, speziellen Disziplin (dazu später mehr) sind sie zudem in der Lage, diese Obsession, aber auch Rausch und Überdosis, bei anderen zu erzeugen.
Die „Architects of the Monolith“ dagegen sind Ventrue mit besonderer Geisteskrankheit – sie sehen sich selbst die Götter urbaner Städte an. Und so erschreckend wie es ist, spezielle Theban Sorcery-Rituale unterstützen diese Einstellung sehr, geben sie ihnen doch schlicht Macht über die Stadt als solche.
Dann wären da etwa „Gethsemani“. Verdrehte Nosferatu, die durch Stigmata und eigentümliche Erscheinungen des Glaubens in einen irren christusbezogenen Fanatismus abgerutscht sind. Dazu passend ihre Disziplin „Stigmatica“, die es ihnen ermöglicht, Sterblichen die Wundmale Christus beizubringen, von den Peitschenhieben bis hin zur Dornenkrone.
Oder, als viertes Beispiel, die „Oberlochs“. Dies sind ländlich orientierte Vampire, von denen unter anderem das überaus liebliche Einleitungszitat dieser Rezension stammt. Die Motive von Inzucht, Zurückgezogenheit und halbem Kanibalismus bringen diese Blutlinie der Gangrel sehr nahe an eine „Haus der 1000 Leichen“- oder „Kettensägenmassaker“-Thematik.
Das ist, wie gesagt, nur eine Auswahl und zugegeben, einige andere Konzepte des Buches gefallen mir auch nicht ganz so gut wie diese hier, aber man darf sie schon als exemplarisch sehen.

Wie schon gesagt, jede Blutlinie bringt ihre eigenen kleinen Ergänzungen mit sich, wobei nicht jede eine eigene, neue Disziplin hat. Jene, die welche haben, bringen größtenteils ganz neue Kräfte ohne frühere Vorlage ins Spiel (bei den Anvari heißt die Kraft etwa „Nepethe“, oder auch das „Stigmatica“ der Gethsemani), allerdings findet sich auch der eine oder andere alte Bekannte wieder ein. So beherrschen die Khaibit etwa „Obtenebration“. Einige der Kräfte wirken aus den einen oder anderen Gründen zugegeben etwas schräg – so hat etwa, um das Beispiel ein drittes Mal zu bemühen, Stigmatica keine fünf-Punkte-Kraft. Nun, sei es drum, lieber stimmungsvolle Ideen als zwanghafte Uniformität, sage ich mal.
Die neuen Devotions machen großteilig sind, über die vom Sanctum losgelöste „Theban Sorcery“ der „Architects“ kann man diskutieren, es wird aber ebenfalls gut und logisch begründet, warum sie können, was sie können.

Insgesamt kann ich nur sagen, dass mit „Bloodlines“ rundum gut gefallen hat. Die meisten Linien kann man denke ich problemlos mal in eine Chronik einbauen, andere kann man zumindest zur Inspiration heranziehen.
Somit ist das Buch wunderschön sowie inhaltlich herausragend, sowohl was die Ideen als auch was deren Ausarbeitung betrifft. Einzig eine Einschränkung kann man an dieser Stelle machen, denn wie schon „Nomads“, so ist natürlich auch „Bloodlines: the Hidden“ ein recht spezielles Buch. Da man aber nach dem Grundregelwerk ohnehin kein weiteres Buch mehr zwingend braucht, kann man ja durchaus frei nach eigenem Gusto wählen, was man sich noch kauft. Und wer als Erzähler nun auf der Suche nach Ideen für seine Chronik und interessanten Charakterideen ist, der mit bei diesem Band hier genau richtig.


Name: V:tR – Bloodlines: The Hidden
Verlag: White Wolf {jcomments on}
Sprache: Englisch
Autoren: John Goff, Jess Heinig, Christopher Kobat, Brand Robins, Dean Shomshak und Chuck Wendig
Empf. VK.: 24,99 US-Dollar 
Seiten: 128