Promethean - The Created

I know that look of disgust in your eyes.
You can‘t hide it from me.
I‘ve seen all its expressions in many faces like your own.
I am intimately familiar with rejection.
Yes, these scars and stitched wounds are horrifying to behold.
Were I truly alive, they‘d be enough to kill me.
But I am not alive.
Not yet.
vom Backcover von Promethean: The Created

Nachdem mit „Vampire: the Requiem“, „Werewolf: the Forsaken“ und „Mage: the Awakening“ die drei größten Linien der alten WoD in neuer Gewandung wiederbelebt wurden, erschien 2006 dann auch das erste komplett neue System für die neue WoD: „Promethean: the Created“.
Anders als die vorigen Systeme hat „Promethean: the Created“ (ab jetzt hier PtC genannt) keinen Vorläufer in der alten WoD gehabt, greift aber sehr wohl diverse Themengebiete auf, die im Horrorgenre ganz klassisch sind. In PtC geht es um künstlich erschaffene Menschen, ganz allgemein gesprochen, die danach streben, echte Menschen zu werden.

Rein optisch ist das Buch ganz großartig geworden. Das Cover sah in den Previews etwas blass aus, doch als endgültiges Werk kommt man nicht umhin, die Schönheit des Spieles anzuerkennen. Das Buch wirkt edel, auch im Inneren, hat tolle Illus und ein übersichtliches Layout. Die Verarbeitung ist gut, der Druck wie bei allen „Splats“ bisher zweifarbig und für dieses Basisbuch haben die Chinesen, bei denen White Wolf seit einer Weile druckt, sogar noch mal das gute, glänzende Papier herausgesucht.
Eine der verwendeten Schrifttypen ist zwar etwas schwieriger lesbar, doch alles in allem ist PtC eine formvollendete Mischung von „Freude für die Augen“ und einem dem RPG-Bereich bisweilen abgehenden Pragmatismus.
Und der Flair von „künstlichen Menschen“ wird sehr gut vermittelt.

Wer nun „Frankenstein“ sagt, der hat Recht, ebenso aber auch jeder, dem „Golem“ auf der Zunge lag. Das von Bill Bridges entwickelte System greift verschiedene Konzepte künstlicher Menschen auf und beschreibt ihren Weg hin zur wahren Menschlichkeit. Insofern zeigt sich auch gleich der erste große Unterschied zu V:tR, W:tF und M:tA, denn eigentlich liegt Promethean eine recht hoffnungsvolle Idee zu Grunde: es ist eine Queste darum, ein echter Mensch zu werden. Damit ist PtC weitaus zielgerichteter als die anderen Systeme und gibt den Spielern wirklich etwas, worauf sie hinarbeiten können.
Das Buch unterstützt Erzähler darin sehr gut, besser noch als die bisherigen Systeme, schien es mir. Es stellt ein System vor, wie man über sogenannte „Milestones“ die Queste konzipieren kann und wie man das den Spielern auch direkt gut verkauft. Überhaupt ist der Schreibstil sehr direkt und geht an zahllosen Stellen darauf ein, wie man PtC am Spieltisch schön umsetzen kann. Das ist eine deutliche Verbesserung nach M:tA, das mich mit seinem obskuren Schreibstil bisher immer verschreckt hat.

Die Mythologie, die die Prometheans umgibt, ist dabei ebenso komplex wie neuartig geworden. Prometheans sind nicht einfach nur unnatürliches Leben, von einer Pyros genannten Kraft betrieben, sie sind Monster, die von anderen Monstern geschaffen wurden. Und anders als etwa Vampire, die nur ihr inneres „Beast“ unter Kontrolle halten müssen, lassen Prometheans das auch ungewollt ihre Umgebung spüren. Als wenn die Realität sich weigern würde, diese Monster als Teil der Welt anzuerkennen, sind die Prometheans Außenseiter. Sie sind Mensch wie Tier automatisch unsympathisch, bringen Unglück und Leid über ihr Umfeld und würden sie nur lange genug an einem Ort wohnen bleiben, so würde dort alles zum Teufel gehen.
Doch Prometheans sind häufig mobil. Sie befinden sich ja zielstrebig auf einer Queste und bereisen daher die Welt. Als hätten sie aber miteinander nicht genug Schwierigkeiten, es gibt auch noch andere Parteien, die mitmischen. Während Pyros die übernatürliche Kraft ist, die die Prometheans auf Trab hält, so gibt es auch eine dunkle, böse Variante dazu: das Flux. Kreaturen, die aus dem Flux geboren sind, nennt man Pandorans und sind eine elegante Art, den Spielern eine Opposition zu präsentieren.
Dazu kommen noch weitere Fraktionen wie etwa die engelhaften quashmallim, die scheinbar gesandt werden, um Dinge in bestimmte Bahnen zu lenken, so dass es insgesamt einen sehr schmackhaften Setting-Cocktail ergibt, wie es ihn in der WoD so bisher auch einfach nicht gegeben hat.

Doch wenn man in dem Setting viel Neues finden kann, so ist auch viel anderer Kram ganz beim Alten. Wie die bisherigen „Splats“ auch, so unterteilen sich auch die Prometheans wieder in fünf große Gruppen, hier Lineages geheißen. „Frankenstein“ sind dabei die grobschlächtigen Kreaturen, „Galatea“ inspirationsbezogene Musen, „Osiris“ ist ein ägyptischer Mumien-Ableger, „Tammuz“ sind den klassischen Golems sehr nahe und „Ulgan“ kommen eher von einem schamanischen Hintergrund her.
Dazu gibt es dann noch fünf Geschmacksrichtungen, wie die Prometheans jeweils mit ihrer Queste nach Menschlichkeit umgehen. Die sind diesmal alchemisch organisiert und sind Aurum (Gold, Moral), Cuprum (Kupfer, selbstbezogen), Ferrum (Eisen, Körper), Mercurius (Quecksilber, Pyros) und Stannum (Zinn, Qual).
Ob nun Vampire mit Clans und Covenants oder Magi mit Paths und Orders, das System wird langsam etwas repetativ. Denn gerade weil die Grundideen der Gruppen („Die Schönen“ mit Vampire-Daevas und Promethean-Galatea, beispielsweise) in sich wiederholt werden, wirkt es so. Betrachtet man Promethean dagegen in einer Nußschale, so gefällt die Aufteilung einem aber durchaus gut.

Auch die „coole Kräfte“-Ecke ist wieder gewohnt gut sortiert. Jede Lineage hat ein sogenanntes Bestowment, also ihrer Linie ganz eigener Kräfte, sowie Transmutations, die „Disziplinen“ des Spiels sozusagen. Somit kommt es eben auch hier mal wieder zu dem Punkt, an dem man feststellt, dass die leidenden Verdammten irgendwie einen ganz netten Bonus erhalten haben: Superkräfte halt.
Das geht zwar tendentiell schon in Ordnung, zumal die Auswahl möglicher Kräfter gut geraten ist, wirkt aber punktuell doch etwas kurios.

Den Flair des Spiels zu finden und einzufangen ist nicht ganz unproblematisch, zumal ein Charakter, der automatisch von allen nicht Übernatürlichen instinktiv abgelehnt wird, knifflig als Fokus einer Rollenspielkampagne aufzuziehen ist. Doch auch dort wirkt das Buch entgegen und liefert mit „Athanors and the Water of Life“ den Auftakt einer Kampagne, die – anders als bei den bisherigen Systemen – auch in kommenden Büchern noch fortgesetzt werden wird. Der Auftakt ist jedenfalls gut und macht, zusammen mit dem bereits erwähnten, exzellenten SL-Abschnitt PtC definitiv zu einem sehr zugänglichen, schnell servierbaren Spiel.

Mir persönlich gefällt PtC aus zahlreichen Gründen sehr gut. Von der vordergründigen Schönheit des Layouts über neuartige Facetten wie das feste Ziel, Mensch zu werden, bis hin zu dem unverbrauchten Charakterkonzept – PtC macht alles richtig. Es sieht gut aus, liest sich unterhaltsam und ist, ganz wichtig, dazu noch sehr inspirierend.
Das Setting wirkt bisweilen etwas eigentümlich, zumal zumindest einige Elemente wie die quashmallim im Grundbuch nur sehr kurz behandelt werden. Doch schnell kommt man dahinter, was das Spiel eigentlich von einem will und danach sprüht es direkt geradezu vor cooler Ideen und schöner Spielszenen.
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber White Wolfs erstes Spiel über künstliche Menschen ist rundum klasse geworden und rangiert von daher ganz hoch bei mir im Kurs, wenn es eben um interessante WoD-Hintergründe geht. Wer auf der Suche nach einem neuen Blickwinkel oder neuer Inspirationen ist, der kommt an dem feinen Buch eigentlich kaum vorbei.

„Promethean: the Created“ ist einfach rundum sehr gut geworden.


Name: Promethean: The Created 
Verlag: White Wolf 
Sprache: Englisch
Autoren: Bill Bridges (Hrsg.){jcomments on}
Empf. VK.: 34,99 US-Dollar 
Seiten: 290