Hunter - The Vigil - Horror Recognition Guide

The Vigil brings no easy explanations - every night is a new mystery, a bizarre creature, an unknown terror.
vom Backcover von Horror Recognition Guide

Schon seit Jahren bringen White Wolf immer mal wieder Quellenbücher für ihre Rollenspiele heraus, die vom Layout und Inhalt her so aufgemacht sind, dass sie direkt aus der Spielwelt selbst stammen könnten, angefangen von der Blutsaugerbibel "Book of Nod" für Vampire: The Masquerade bis hin zu aktuellen Werken wie dem Reiseführer in Dreams of the First Age oder "Rites of the Dragon" für Vampire: The Requiem.
Unter dem etwas sperrigen Titel "Horror Recognition Guide" (HRG) ist ein solches Intime-Buch nun auch für Hunter: The Vigil zu haben - und irgendwie auch nicht... aber werfen wir zuerst einmal einen Blick auf das Buch selbst:

Während die bisherigen Intime-Bücher als aufwändig illustrierte Faksimiles mit Lederoptik-Einband und auf Spezialpapier gedruckt waren, um einen stimmungsvolleren Eindruck zu erwecken, kommt der HRG als einfaches, etwas überformatiges Paperback daher, nicht zu unterscheiden von einem beliebigen Roman. Das Frontcover ist wie eine Klade mit geheimnisvollem Handabdruck, Polaroid von einem kauernden Ungetüm und dem Buchtitel auf Stanzetikettierstreifen aufgemacht, die Rückseite des Buches zeigt aber, wie jedes andere Quellenbuch des Verlags die ganzen Logos, Produktcodes und den unvermeidbaren uninspirierten Klappentext. Das Ganze ist vielleicht stimmig, lässt das Buch aber völlig egal aussehen. Man soll zwar ein Buch nicht nach seinem Einband geurteilen, aber das bedeutet ja nicht, dass man den Einband so unauffällig gestalten muss, dass man das Buch sowohl im Regal als auch bei einer Coverübersicht im Internetshop womöglich einfach übersieht...

Einmal aufgeschlagen kann der HRG jedoch deutlich mehr: Das gesamte Buch besteht aus entsprechend gelayouteten Handouts. Nicht nur in dem Sinne, wie frühere vergleichbare Bücher selbst ein Handout waren, der HRG ist als Akte gestaltet, in der Fotos, Emails, Formulare, Zettel, Visitenkarten, getippte und handgeschriebene Berichte, Screenshots von Internetforen, Post-Its, Phantombilder und herausgerissene Buchseiten gesammelt wurden. Das Layout ist stimmungsvoll uns sehr aufwändig, wenn auch nicht tausendprozentig "echt": "handschriftliche" Passagen sind offensichtlich mit dem Computer geschrieben, anstelle von Fotos gibt es fotorealistische Illustrationen von White Wolf-Grafikern, die Papier-Ausrisse und Hintergründe sind immer dieselben und die Kaffeflecken auf manchen Seiten sind völlig identisch.
Das alles will ich dem Buch allerdings nicht als Mangel ankreiden, da es vor allem der Lesbarkeit, der Navigierbarkeit und einem attraktiven Look des Buches dient.
Das Ergebnis ist sehr überzeugend: Es sieht echt genug aus, um Atmosphäre zu erzeugen und genügt den Ansprüchen an moderne Quellenbücher so, dass es problemlos les- und nutzbar ist - für ein über 300 Seiten starkes Buch eine tolle Leistung.

Der HRG sieht also gut aus, aber was steht denn nun drin? Das ist nicht so ganz leicht zu beantworten... Es geht erst einmal um ein Netzwerk von Hunter-Gruppierungen, die in letzter Zeit in der Hunter-Stadt Philadelphia aktiv waren und Monster gejagt haben. Die sind nun wie vom Erdboden verschluckt, haben allerdings allerlei Dokumente über ihre Aktivitäten hinterlassen. Diese fallen in die Hände eines Offiziers der Task Force: VALKYRIE und einer Direktorin der Cheiron Group, die sich zusammengetan haben, um das Material zu ordnen und mit eigenen Informationen zu ergänzen. Der HRG ist das Ergebnis dieser Arbeit, die Berichte und Beweismaterial zu sechzehn übernatürlichen Fällen in und um Philadelphia erzählt. Die Spanne reicht dabei von relativ simplen Ideen (eine Rockband besteht aus Vampiren!) über interessante Stories (verrückte Katzenlady mit überraschender Wendung) bis hin zum völlig Bizarren (Fotos einer Parallelwelt tauchen auf). Jeder einzelne der Fälle ist dabei gut erzählt, nicht nur dadurch, dass die Ereignisse selbst spannend sind, auch ihre Auswirkungen auf das Leben der ermittelnden Hunter sind fesselnd zu lesen, etwa, wenn sich einer der Jäger in die Frau verliebt, von der er weiß, dass sie ein Monster ist oder ein anderer seine Jagd immer fanatischer verfolgt, um seine Familie zu schützen und gerade dadurch seine Familie immer mehr verliert...

Noch schwerer zu beantworten ist allerdings die Frage, was das Buch nun eigentlich soll. Es ist ein schlechtes Monsterhandbuch, da es keinerlei Werte oder spielbezogenes Material enthält. Als Handoutquelle ist es bedingt geeignet, allerdings sind die meisten Fälle im Buch schon gelöst. Besser taugt das Buch als Inspirationsquelle für eigene Ideen für Hunter oder WoD allgemein.
Meiner Meinung nach sollte der HRG aber einfach nur gelesen werden. Ich habe den ganzen Band in Romanstärke mit größtem Vergnügen verschlungen, wobei ich die ungewöhnliche Darreichungsform, Geschichten nur durch Quellen zu erzählen als eine gelungene Weiterentwicklung zum fantastischen Briefroman á la Lovecraft empfunden habe. In meinem Regal steht das Buch jetzt bei der Horrorliteratur, nicht bei den Rollenspielsachen.

Fazit: Der "Horror Recognition Guide" ist eine spannende Lektüre in toller Aufmachung für jeden, der Spaß an Horror und Mystery hat. Wer mit den Rollenspielen der World of Darkness gut vertraut ist, wird manche Teile etwas besser nachvollziehen können, aber auch für in dieser Hinsicht völlig unbeleckte Leser ist das Buch durchaus sein Geld wert und womöglich wird durch das Lesen das Interesse an des einen oder anderen an den Spielen geweckt werden.
Wer das Buch als reines Hilfsmittel fürs Rollenspiel erwirbt, wird aber sicher enttäuscht sein.


Name: Horror Recognition Guide 
Verlag: White Wolf Publishing 
Sprache: Englisch{jcomments on}
Autoren: Chuck Wendig u.a.
Empf. VK.: 19,99 US-Dollar 
Seiten: 330