nWoD – Skinchangers

„Ahahaha! You too? I knew I wasn‘t alone!
Oh, look at you – you‘re magnificent.
Where did you get those wolf pelts?
Mine isn‘t nearly as pretty, and I couldn‘t finde a wolf, but look! Let me show you!“
vom Backcover von WoD – Skinchangers

Regelmäßige DORP-Leser haben vermutlich meine Rezension zu „Shadows of the UK“ gelesen. Haben gelesen, dass ich es als, Zitat, „Frechheit“ empfang, dass da ein vormals als W:tF-Quellenband angekündigtes Werk so lieblos und inkonsequent für die WoD aufgeblasen wurde. Diese können sich dann auch vorstellen, wie groß meine Freude war, als ich erfuhrt, dass es mit „Skinchangers“ ebenso laufen würde. Nun ist der Tag der Bewertung da, das Buch mit dem abermals sehr werwolfigen Umschlagsbild von Urgestein Ron Spencer liegt neben mir und ich habe es mittlerweile ausgelesen. Umso verblüffender, dass ich ehrlich sagen, dass mir das Buch weitaus besser gefallen hat als „Shadows of the UK“.

Die Werwolf-Wurzeln hängen diesem Buch aber ebenfalls deutlich nach. Schon optisch erkennt man es, nicht nur am Stil des nicht wirklich schönen Titelbild, sondern auch an den Innenillustrationen. Ansonsten wird von den Schrifttypen und der Gesamtgestaltung her die generische WoD-Schiene gefahren, mit mattem Cover nebst glänzend abgehobener Elemente und der gesamten Aufmachung. Das Papier ist wieder das schlechtere, matte Papier aus China und die Bindung nicht mehr auf altem Niveau, aber das kennen wir ja mittlerweile von allen White Wolf-Büchern, die keinen farbigen Innendruck haben.

Die Aufteilung ist dagegen bereits ungewöhnlich. Nur drei Kapitel auf dennoch 128 Seiten umfasst der Band, dessen Schreibstil sich bisweilen auch erkennbar an Kenner von Werewolf richtet. Das Buch weist darauf am Anfang auch hin, der Umschlag allerdings nicht. Da dies aber ebenfalls sehr von Kapitel zu Kapitel variiert, schauen wir uns diese doch nun auch einfach mal im Detail an.

Eröffnet wird das Buch – wie immer nach einem Prolog, einem Einleitungskapitel und einer ob ihrer Schrifttype nahezu unlesbaren Kurzgeschichte – von „Skinners and Thieves“. Darin werden die, der Titel legt es nahe, sogenannten Skinthieves beschrieben, also Formwandler, die keine Werwölfe sind. Anders als die Uratha erwächst die Verwandlung eines Skinthieves nicht aus einer ihm innewohnenden übernatürlichen Kraft, er muss sich dies mit s.g. Totems und Talismanen „erwirken“.
Die Totems entsprechen nicht denen aus dem gleichnamigen Merit aus W:tF, da ein Skinthief keinen Pakt mit einem Geist eingeht, sondern sich nur mehr oder weniger selbst mit einem Tier assoziiert, das zu seinen Charakterzügen passt. Das Buch nennt als Beispiel einen Nachtschwärmer, der andere Leute als „kleiner“ und „Beute“ betrachtet und Weisheit schätzt, also entsprechend dem Totem der Eule folgt.
Der Talisman ist dagegen der Fokus der Macht der Transformation. In der Regel ist es die speziell bearbeitete Haut des gewählten Tieres, wobei der Talisman ein gänzlich persönlicher Gegenstand ist. Ein Eulen-Skinthief etwa, der einem anderen Eulen-Skinthief einen gleichartigen Talisman raubt, kann mit diesem dennoch keine Verwandlung vollführen.
Zu all dem gibt es dann ein Charaktererschaffungstemplate – jepp, damit kann man, alleine mit dem Grundregelwerk und diesem Buch, Skinthieves als Spielercharaktere generieren – und massig neue Merits, dazu die sogenannten Aspects (Aspekte der Formwandlung eben, sozusagen die „Kräfte“) sowie eine Reihe ziemlich cooler und teils frischer Beispiel-Diebe. Derer gibt es zehn, die sich sowohl als Charakter-Inspiration wie auch als interessante Widersacher sicherlich gut verwenden lassen.
Das Kapitel ist wirklich generisch für die WoD und hat mir exzellent gefallen – gerne mehr „kleine Charakter-‚Rassen‘“ in der Zukunft.

Damit wäre dann Kapitel zwei erreicht: „Beasts of Shadow“. Darin werden die sogenannten „Claimed“ beschrieben, also Lebewesen, von denen ein Spirit Besitz ergriffen hat. Hier, genauso wie im letzten Kapitel, gibt es dann keine Regeln für Spielercharaktere mehr, aber das ist auch gut so, denn was hier beschrieben wird, ist ebensowenig spielbar wie die Entitäten aus dem W:tF-Band „Predators“.
Wo wir schon beim Thema sind – W:tF und Mt:A sind für das vollständige Verstehen des Kapitels Pflicht. Man kann es sicherlich auch so verwenden und es bringt auch für eine generische WoD-Runde viel Potential mit, die volle Bandbreite und Tiefe des Kapitels erfordert aber einfach grobe Kenntnisse über Spirits, die im generischen Grundregelwerk nunmal nicht beschrieben werden.
Was haben wir also hier? Der Aufbau ist von Wesen zu Wesen gleich, der Detailgrab enorm hoch. Jedes Wesen gliedert sich in eine zugrunde liegende Legende, regeltechnische Anmerkungen, einen Beispielcharakter mit Hintergrund und Werten gleichermaßen sowie zwei, drei Storyhooks. Vorbildlich und in einem Maße, von dem viele Monsterhandbücher nur träumen können.
Der Innovationsgrad der Einträge variiert dabei recht stark, so sind Kitsune, also Fuchs-Wesen, oder auch Schlangenwesen, nicht gerade frisch, die hyänenhaften Bouda oder die Rache getriebenen Kanaima sind dagegen ziemlich schön geraten. Da das Kapitel aber selbst den eher betagten „Claimed“ noch neue Ideen abgringen kann, lohnt sich auch hier definitiv die Lektüre für jeden interessierten Erzähler. Den Texten haftet dabei abseits klarer Regelfragen eindeutig der Werwolf-Flair an, wenn etwa das Spielgebiet prinzipiell als „Territory“ bezeichnet wird, aber damit kann man leben.

„Shifting Things“ vollendet das Buch und beschreibt s.g. „unique skinchanger“, also alles, was nicht so recht in irgendeine Skala passen will, weder Werwolf noch Skinthief noch Claimed ist, und eben doch seine Form verändern kann. Gewissermaßen also das „Antagonists“-artige Kapitel des Buches.
Die Wesen hier haben alle eine kleine Geschichte zur Einleitung, dann Hintergrundinformationen, eine konkrete Beschreibung, mögliche Ursprünge, Abenteuerideen und abschließend die regeltechnischen Werte. In diesem Kapitel lauern dann einige wirklich coole, freakige oder nützliche Ideen, von klassischen „Vertrauten“ bis hin zu irgendwelchen eigenartigen Monstrositäten. Am Ende wird das Kapitel zudem von Beispielen abgerundet, wie man die beispielhaften „unique skinchangers“ dann noch mal wieder anders darstellen, einbringen oder modifizieren könnte.
Mehr noch als die ersten beiden Kapitel ist dieser dritte Abschnitt für mich mal wieder einer, der die großartige Essenz der neuen WoD verkörpert. Das Unerwartete tritt auf und das Undenkbare wird möglich, da in dieser Welt prinzipiell jeder Schrecken umgesetzt werden kann. Die Regeln sind leicht anzupassen und das Buch liefert nicht nur gute Anregungen, wie man das machen kann, sondern zudem Beispiele, die man so direkt im Spiel verwenden will und kann.
Auch hier sind die W:tF-Wurzeln wieder ziemlich auffällig, aber da die Einmaligen nicht einmal auf den Spirit-Teil verweisen müssen, kann man hier eigentlich mit allem, außer einigen zu speziellen Abenteuerideen, schon irgendwie was anfangen.
Toll!

Abgerundet wird das Buch durch einen Appendix. Da 128 Seiten offenbar nicht ausreichten, um jedes Tier im gegebenen Umfang mit einem Mythos zu versehen, gibt es hier noch einen extrem groben Überblick über generelle weltliche und mystische Hintergründe zu Bären, Hunden, Kojoten, Füchsen, Wölfen, diversen Wildkatzen, Pflanzenfressern, Hyänen, Fledermäusen, Hasen, Kaninchen, Ratten und Mäusen, Walen und Delfinen, zahlreichen Vögeln, Reptilien und Fischen, Spinnen, Skorpionen, Tausendfüsslern und allerlei Insekten.
Einmal mehr sehr vorbildlich.

Insgesamt hat mir „Skinchangers“ extrem gut gefallen. Wäre es von einem neutralen Standpunkt aus weniger W:tF-typisch geschrieben und vielleicht etwas schöner aufgemacht, hätte es durchaus eine Höchstnote absahnen können. So bin ich noch immer begeistert und gebe guten Gewissens eine „Noch sehr gut“, die W:tF-Spieler aber auch gerne noch aufwerten dürfen.


Name: Skinchangers {jcomments on}
Verlag: White Wolf 
Sprache: Englisch
Autoren: Chris Campbell, Jess Hartley und Peter Schaefer
Empf. VK.: 24,99 US-Dollar 
Seiten: 128