nWoD - Shadows of Mexico
Blood was the oil of the cosmos, see? To the Aztecs, it was what the universe ran on. [...]
Blood‘s still the oil of the universe. It‘s just that not all blood‘s the same.
vom Backcover von Shadows of Mexico
Mexiko ist jetzt nicht gerade das Land, das für einen deutschen Rollenspieler erste Wahl für Kampagnen sein sollte. Wer weiß schon wirklich was über das Land, abseits dessen, was er aus „El Mariachi“ und „From Dusk Till Dawn“ hat lernen können? Aber naja, gerade für das Horror-Genre ist‘s wohl dennoch keine ungünstige Wahl und so beschloss ich, dem Buch doch mal eine Chance zu geben.
Das Cover rockt dann schon mal. Der Grund ist in ein Wort zu kleiden: Brom. Die lebende Legende im Illustratorenfeld hat ein wunderbares Bild abgeliefert, dass einen „Mexiko bei Nacht“-Flair besser kaum vermitteln könnte. Und damit legt es direkt einen Grundstein, den reguläre Käufer direkt erkennen dürften: „Shadows of Mexico“ ist zu einem gewissen Maße sehr vampirzentriert geworden. Doch gleich die Entwarnung dazu: Das Buch ist zu Recht als Band der regulären Reihe erschienen und weit mehr als der verkappte Werwolf-Band, den „Shadows of the UK“ im Herzen darstellte.
Die Innengestaltung des Buches setzt auf gewohnte Qualitäten und bringt dabei die gewohnten Macken mit sich. Die Illus sind mal wieder etwas gehobenere Klasse, allerdings ohne absolute Highlights. Der Text ist gut lesbar gesetzt und übersichtlich strukturiert, man findet sich gut in dem Buch zurecht. Scribendi.com haben auch mal einigermaßen gute Arbeit beim Lektorat geleistet, wenn das Buch auch diesmal nicht gerade fehlerfrei ist. Das Inhaltsverzeichnis ist wie immer ein Witz und einen Index gibt es wie immer auch keinen – alles in gewohntem Zustand also.
Und damit sind wir dann auch schon beim Text angekommen. Das Buch wurde einen Prolog, eine Einleitung sowie vier Kapitel aufgeteilt, doch schon bei der Einleitung findet man etwas vor, was dem „UK“-Band so schmerzlich fehlte: Flair!
Man merkt den Schreibern an, dass sie an der Materie „Mexiko“ sichtlich viel Freude hatten und ihre Hausaufgaben auch gemacht haben, so dass es direkt auch alles viel fundierter wirkt. Die Art, wie sie Fakt und Fiktion durch den gesamten Band hindurch vermengen, ist dabei einfach großartig zu nennen. Man kann als Leser zwar selber manchmal nur schwer die Grenze ziehen, aber das Gefühl, eben über eine düstere Version vom echten Mexiko zu lesen steckt in jedem Absatz.
Man nehme als Beispiel die Geschichte mit dem Wurm im Tequila. Es gibt eine urbane Legende, dass man am Grund einer in Mexiko produzierten Flasche Tequila einen Wurm finden würde. Die Autoren berichten davon und schildern auch die verschiedenen Effekte, die man dem Getränk nachgesagt hat, wenn es eben den Wurm enthält. Danach folgt eine Runde „Mythen-Dekonstruktion“, denn es gibt einen realen (real-weltlichen) Kern zu dieser Legende, den sie auch schildern. Und dann, ganz unmerklich, kommen sie zu einem zweiten Beispiel, dass dann Fiktion ist und in einem recht ausbaubaren Konstrukt aus verschiedenen Plotideen mündet. Einfach toll – so wünsche ich mir Quellenbücher.
Das Land selber wird dabei in Kapitel 1 näher beschrieben, „Mexican Weirdness“ betitelt. Land und Leute, UFO-Kulte und viele weitere Ideen findet man in diesem Abschnitt, der auch immerhin bis einschließlich Seite 73 geht und daher zahlreiche Details bietet.
Kapitel 2 heißt „Player‘s Guide“ und bietet den notwendigen Crunch. Hier schlägt erstmalig der Vampir-Fokus durch. Es gibt kurze Abrisse zu den Uratha, den Erwachten und den Prometheans, dich die „Damned in Mexico“ kriegen direkt ein komplett neues Write-Up der bekannten Clans geboten. Daeva, Gangrel, Mekhet, Nosferatu und Ventrue werden hier in ganz neuem Licht geschildert, nicht weniger umfassend als im Grundregelwerk. Ebenso gibt es hier noch viereinhalb Seiten mit „Sample Havens“ und ein ebenfalls ganz neuer Text über die bekannten Disziplinen des Grundbuchs. Einerseits ist es schon sehr cool, wenn ein Mekhet nun eben statt Auspex, Celerity und Obfuscate die Disziplinen Claridad, Velocidad und Ofusque hat, aber ich finde es ärgerlich, dass nur die Vampire diese Zuwendung erhalten. Das betrifft zwar nur wenige Bereiche in dem Buch, aber hier wandern die restlichen Gruppen spürbar in den Hintergrund.
Neue Splittergruppen kriegen aber alle (außer den Prometheans), wieder jedoch ungleich gewichtet. Die Calacas sind eine Nosferatu-Blutlinie mit starkem Bezug zum Día de los Muertos, die Malintzin dagegen eine Daeva-Gruppe, die aus den spanischen Conquistadores erwachsen ist. Die Dead Wolves sind letztlich Gangrel, die offenbar einen gewissen Uratha-Einschlag erhalten haben.
El Sacrificio ist eine neue Lodge, die auf den aztekischen Opferritualen aufbaut, Dreamers of the Black Sun dagegen eine unliebsame Mastigos-Legacy mit Hang zu Chaos und Schmerz, Gewalt und Furcht.
Alles ganz nett, keine Offenbarungen.
Der Rest des Kapitels (immerhin noch zehn Seiten) befasst sich mit dem Tag der Toten, an dem das Buch natürlich (mit Recht) nicht vorbei kommt. Informativ, unterhaltsam und mit sechs ausformulierten Story Hooks in abgesetzten Kästen noch spielnah geschrieben – damit versöhnte mich auch das zweite Kapitel und endet mit einem Highlight.
„Storytelling“ heißt das dritte Kapitel und hat damit eine klare Zielgruppe. Elfeinhalb allgemeine Seiten und elfeinhalb Seiten mit Vampir-Fokus findet man hier und ich denke, da bleiben keine Fragen offen. Besonders gut hat mir im allgemeinen Teil die Beschreibung verschiedener Landschaften gefallen, also etwa „Sierra Madres“ oder „Coastlines“, derer sechs vorgestellt werden, jeweils mit einem konkreten Beispielsetting versehen.
Typische Topoi werden ebenso vorgestellt wie man Ideen an die Hand bekommt, wie man die einzelnen Elemente des Settings gut am Spieltisch darstellen kann. Kurz und gut: Kapitel 3 hat mich ebenfalls sofort überzeugt.
Der viertel Abschnitt ist dann leider wieder unvermeidbar: „Local Powers“. Eine endlose Beschreibung diverser Prinzen eröffnet den Abschnitt und lässt Furchtbares erahnen, was leider zutreffend ist: Viele der vorgestellten NSCs sind so sinnlos wie Gabeln beim Suppenkonsum.
Allerdings finden sich unscheinbar am Ende, unzureichend abgesetzt, noch einige neue „Viecher“ in dem Kapitel, die man dankend zur Kenntnis nimmt. Ein „Thirsty Spirit“, El Chupacabra, zwei Mal La Llorona („the crying woman“ und „the white woman“) sowie ein untoter Desperado beenden das Kapitel wie auch damit dann das ganze Buch.
Was ist also von „Shadows of Mexico“ zu halten? Eine ganze Menge!
Das Buch hat es geschafft, mir ein Setting schmackhaft zu machen, das zu verwenden ich mir vorher niemals auch nur vorgestellt habe. Das Buch liest sich exzellent, sieht ansprechend aus und, wie immer am wichtigsten, bringt einen am Spieltisch merklich weiter. Wer einmal ein Setting sucht, das nicht „USA“ oder „Europa“ heißt, oder wer gar geziehlt was mit Mexiko machen möchte, der ist hier schon mal garantiert richtig.
Ob man auch sonst einen Blick riskieren mag sei dahingestellt, aber ich bin mir sicher, auch abseits des direkten Settings kann das Buch sehr inspirierend sein, wenn man noch mal sehen möchte, warum die „World of Darkness“ eben doch nicht unsere Welt ist.
Name: Shadows of Mexico {jcomments on}
Verlag: White Wolf
Sprache: Englisch
Autoren: Ray Fawkes, Will Hindmarch, Jesse Scoble, Travis Stout und Chuck Wendig
Empf. VK.: 29,99 US-Dollar
Seiten: 192