nWoD - Reliquary

The world is full of secret things
which exist almost enitrely in the blind spots of
its population.
Sacred things.
Wondrous things.
Dangerous things.
Things to horrible to be known or explained.
vom Backcover von Reliquary

Mit „Reliquary“ liegt nun schon tatsächlich der sage und schreibe vierzehten Ergänzungsband zur generischen WoD bei mir auf dem Stapel. Und anders als manch anderer Vertreter der Reihe kann man eigentlich nicht sagen, dass sich das Buch lange angekündigt hätte. Es war halt dann plötzlich auch da und liegt nun in Folge neben mir.
Das Thema des Buches erschien mir auf den ersten Blick etwas fragwürdig – es geht um Relikte und Reliquien, also magische Artefakte – für die generische Reihe, doch da die Redaktion von der eigentlich immer gute Werke abliefernden Jess Hartley lag und sogar Urgestein Justin Achilli mitgeschrieben hat, ging ich dann doch frohen Mutes ans Lesewerk.

Wobei das Cover sich alle Mühe gibt, das zu verhindern. Ich will Katherine McCaskill jetzt nicht unterstellen, es sei einfach nur ein durch Photoshop gejagtes Bild, doch die Darstellung des wahrhaftig doof guckenden Mannes, dem gerade in einem Antiquitätenladen offenbar ein Artefakt in der Hand abgeht, sieht einfach aus wie geknipst und schlecht mit Filtern bearbeitet. Nicht hässlich, zumindest nocht komplett, aber definitiv billig.
Ansonsten ist die Verarbeitung schon mal wie immer. Matter Hardcoverband mit flachem Buchrücken und vereinzelten, glänzend laminierten Applikationen auf dem Cover, das (mittlerweile) gewohnte, matte Papier und ein ordentlicher Druck. Wie schon die letzten Bände kommt auch „Reliquary“ wieder aus einem kanadischen Werk und nicht mehr aus den Ramschfabriken Chinas, was einen die Bindung definitiv spüren lässt.
An Innenillustrationen kann das Buch dagegen sogar fast das Cover ausgleichen. Die Qualität ist im Schnitt sogar immens hoch und auch wenn die Stile extrem schwanken, so sind fast alle Bilder doch extrem gut zu den jeweiligen Textstellen passend und handwerk gut gelungen. Da kann man nicht meckern!

Inhaltlich ist rein von der Aufteilung her sogar etwas frischer Wind zu spüren. Klar, auf einen narrativen Prolog folgt die Einleitung, gefolgt von den – hier diesmal vier – Kapiteln. Schön ist aber, dass der Prolog in den einleitenden Kurzgeschichten der einzelnen Kapitel jeweils fortgesetzt wird und das Buch demnach auch nicht mit einem Appendix, sondern mit einem Epilog schließt. Schön.

Was aber genau steht nun in einem generischen WoD-Buch zum Thema Reliquien?
Im ersten Kapitel, „In Dark Corners“, findet man erst einmal acht Essays zu dem besagten Thema. „Value and Symbolism“ befasst sich damit, wie man solche Gegenstände zu einem zentralen Teil der Kampagne machen kann. „One in a Million or a Dime a Dozen?“ vergleich den Sinn von Einzelstücken gegenüber Massen an Artefakten. „50 Details Implying a Relic‘s History“ ist eine Liste mit Beschreibungen für Reliquien und Anmerkungen, wie das kommt, also beispielsweise „Brown rings mar the flat surface (Coffee or tea mugs have rested upon it)“. „Location, Location, Location“ bietet genau, was der Titel verspricht, ebenso „Adding Life to Dry Subjects“, in dem Nachforschungen und andere (rollenspielerisch) trockene Aufgaben ins Spiel umgesetzt werden können. „Finders, Keepers: Treasure Hunting and the Law“ ist mal wieder selbsterklärend, ebenso, anschließend, „Relic-Focused Chronicles“.
Diese Essays sind, teils wider meinen Erwartungen interessant und das Thema wird in dem Buch sehr breit angegangen. Von „Needful Things“ bis „Jäger des verlorenen Schatzes“ hatten die Autoren ganz offenbar eine sehr, sehr breite Palette an möglichen Inspirationen im Kopf und vermitteln ihre Ideen gut und allgemein verwertbar an den geneigten Leser weiter.

Konkreter wird es dann aber im zweiten Kapitel, „A Million Little Things“. Hier gibt es Beispielreliquien, komplett mit Beschreibung, Regeln und Kosten, teils sogar noch weiteren Plotaufhängern. Einiges davon ist eher klassisch zu nennen (klar, es gibt natürlich einen Kristallschädel), anderes dagegen schon ziemlich schräg. So gibt es etwa ein verfluchtes Buch, dass dem Besitzer sexuelle Macht über eine Person nimmt, wenn er ihren Namen darin vermerkt, ihm aber umgekehrt schnell die Lust an diesem bestimmten Objekt der Begierde nimmt. Böse.
Erfreulich fand und finde ich es, dass von den klassischen, christlichen oder abendländischen Artefakten Abstand genommen wurde, also keine Bundeslade und kein Sargnagel Christi mit Werten.

„Powers and Prices“ ist dann als drittes Kapitel genau das, was der Name vermuten lässt. In diesem sehr umfassenden Kapitel werden alle notwendigen Mechanismen vorgestellt, die man zur Umsetzung des Thematik des Buches in die heimische Runde brauchen könnnte.
Das geht schon mit neuen Merits los, bei denen man doch einige Glanzlichter findet. Alleine die Einbindung von „Multi-Lingual“ ist großartig, kann man so doch endlich einmal Sprachen kosteneffektiver Erlernen, zu dem Preis, sie eben nicht perfekt zu sprechen. Einige der Merits waren mit bereits aus anderen Büchern bekannt, die Auswahl ist aber gut und es gibt genug neues Material, um nicht meckern zu müssen.
„Relic Powers“ ist dann der Abschnitt der coolen Fähigkeiten, die eine Reliquie haben oder verleihen kann und die so ziemlich alles abdecken, was einem zu dem Thema auch so in den Sinn kommen mag. Das gleiche gilt für die „Curses“, eben negative Eigenschaften des Gegenstandes, die mit Besitz oder Benutzung einhergehen könnten.
Die Fluch-Liste ist mir dabei allerdings etwas kurz geraten, da wäre mehr gegangen. Die abschließenden Regelanmerkungen zu alternativen Kosten-Systemen für Artefakte sind dagegen wieder gut.

Das letzte Kapitel aber ist dann sogar noch innovativ zu nennen. Zunächst mal kriegt es, ganz klar, den Preis für die beste WoD-Überschrift des Jahres, denn es heißt „Tales of the MacGuffin“.
Darin findet man Szenen. Nein, kein zusammenhängendes Abenteuer, sondern Szenen, die mit dem Thema des Buches einhergehen. Jede von denen kommt mit beschreibendem Text daher, mit Regeln, möglichen Ausgängen, eventuellen Konsequenzen und eigentlich allem, was man aus Kaufabenteuern kennt, nur keinem Kontext.
Das ist der offensichtlichste Baukasten, den mir die nWoD bisher geboten hat und ich muss sagen, mir gefällt das Konzept. Man kann es sich in etwa wie Plotkarten denken. Man sucht sich passende Szenen für sein Szenario zusammen und kann so, ohne große Denkleistung, für den Abend ein Abenteuer schrauben. Beispielhafte Einträge in dem Kapitel wären etwa „The First Clue“ oder eben auch „Outrunning the Furious Mob“.
Klar, die Verwendbarkeit der einzelnen Punkte ist nicht endlos. Man kann jeden der Einträge nur eine begrenzte Anzahl von Malen „zücken“, keine Frage. Aber selbst wenn man dieses Kapitel niemals konkret „benutzt“, ist hier mal wieder sehr, sehr viel Inspiration begraben. Das gefällt mir sehr, das Format ist nett und passt einfach hervorragend zur Reihe an sich.

Was nun kann ich also abschließend über „Reliquary“ sagen? Das Buch ist mal wieder auf eine recht enge Zielgruppe zugeschnitten. Es ist die übliche Frage: Willst du Reliquien in deiner Kampagne haben? Dann brauchst du das Buch! Interessieren die dich nicht die Bohne? Dann lass es liegen.
Einen Kritikpunkt zum Schluss haben ich aber noch: Das Buch ist mit seinen 144 Seiten für die Verhältnisse der Reihe recht dünn ausgefallen. Das wird zwar durch einem leicht niedrigeren Preis etwas aufgefangen, sollte man aber vor dem Kauf wissen.
Der Rest der Kritikpunkte ist marginal und rangiert in der Liga von „Ich hätte gerne mehr Curses gesehen“ oder einer diesmal sehr enttäuschenden Literaturliste, also im Bereich von Detailbetrachtungen. Man kann das Buch, denke ich, guten gewissens „voll gut“ nennen; wer absolut auf das Thema steht, schlägt wie immer noch eine Halbnote auf.


Name: Reliquary 
Verlag: White Wolf {jcomments on}
Sprache: Englisch
Autoren: Justin Achilli, Jess Hartley, Wood Ingham, Matthew McFarland, Peter Schaefer und Chuck Wendig
Empf. VK.: 24,99 US-Dollar 
Seiten: 144