nWoD - Book of Spirits

I have looked to deep into the shadows, and I have heard voices uttered by no human
tongue, and I have felt the touch of the invisible ones.
vom Backcover vom Book of Spirits

Das „Book of Spirits“ war eines der ersten Quellenbücher, die für die nWoD angekündigt worden waren, verschwand dann aber recht zügig wieder aus dem Release-Plan. Der Grund: Man wollte zunächst die Werewolf- und Mage-Reihen ordentlich fertig und am Laufen haben, um Konflikte mit diesen sehr nahe am Thema „Spirits“ gebauten Reihen zu vermeiden.
Es sollte dann bis 2007 dauern, bis das vorliegende Buch endlich erschien.

Wenn ich oben schon W:tF und M:tA erwähne, so sollte ich vorausschicken, dass ich vermutlich zugleich der schlechteste und beste Kandidat bin, um das Buch zu besprechen. Denn ich kenne mich weder mit W:tF noch M:tA wirklich gut aus, das sind bei uns ja eher [scimi]s Domänen. Insofern bin ich ein sehr schlechter Kandidat, da mir eventuelle Redundanzen, etwa gegenüber „Predators“ (W:tF) nur bedingt auffallen werden, und optimal, denn das vorliegende Buch ist ja auch ein Teil der generischen WoD.

Optisch wird genau das auch mal wieder wunderbar transportiert. Der Umschlag ist blau wie die meisten Bände der Reihe und das Cover von Aileen E. Miles zeigt ... ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Die Collage zeigt unter anderem eine Art Hütte, ein schreiendes Gesicht und allerlei mehr, alles kunstvoll ineinander geblendet. Nicht konkret, aber sehr stimmig. Gefällt mir in jedem Fall gut.
Auch das Interieur ist gut, wenn auch vielleicht keine neue Bestmarke. Aber viele der Bilder in dem Band sind sehr schön (Abrar Ajmal, Samuel Araya und Gavin Hargest, sehr schöne Kombination) und der Gesamtlook des Buches stimmig. Alles in allem ein klares „noch sehr gut“, dem einfach die besondere Güte zur Höchstwertung fehlt, das aber sehr angenehm für‘s Auge ist.

Das Buch ist wie so oft in vier Kapitel aufgeteilt und kommt, Gott sei Dank, nicht wie etwa „Second Sight“ mit einem aufgeschraubten Abenteuer daher. Stattdessen gibt es vier sehr nahrhafte und große Abschnitte, die wir uns mal eben nacheinander beschauen wollen...

Auf Prolog und Einleitung folgt zunächst einmal „Invisible Lore“. Sowas gab es auch schon mal, denn es ist, grob gesagt, eine Sammlung von Intime-Theorien zum Thema Spirits. Da sind einige sehr coole Sachen dabei, die zwar meist sehr klassisch, aber stets schön geschrieben sind, etwa eine „Der Planet hat eine Seele“-Theorie unter der Überschrift „Gaea“ oder die unvermeidbare Schilderung einer fühlenden Metropole.
Doch das wirklich schöne ist, dass in der nWoD ja eigentlich alles möglich ist, was dieses Kapitel zu einem regelrechten Biotop für Plotideen macht. Hier werden viele nette Thesen angerissen, die zwar nirgends im nWoD-Fundus noch mal auftauchen werden, aber aus denen man viel machen kann. Das Grundbuch hatte mit seinem Intime-Text zur „God Machine“ ja damals massivste Foren-Theorien ausgelöst; „Invisible Lore“ ist nun ein ganzes Kapitel voll solcher Texte.

Wer es lieber handfest und konkret mag, der blättert zu Kapitel 2 weiter: „The Shadow Realm“. Neben ganz viel gut gemachten Texten dazu, wie der „Shadow“ funktioniert, was er eigentlich ist und was man damit machen kann, schafft es dieses Kapitel zudem, es auch zu ermöglichen, ihn mit so ziemlich allem, was man als Spieler in der WoD verkörpern kann, auch zu bespielen. Der geneigte Leser erfährt hier, was Loci sind und was sie machen, was man sich unter Verges vorstellen kann, was für Arten von Spirits es gibt und wie die so in ihrer Gesamtheit „ticken“.
Hier wird es sicherlich für den geneigten Mage- oder Werewolf-Spieler Redundanzen geben, aber alleine der hier gewählte Blickwinkel macht das Kapitel frisch. Großartig finde ich etwa eine Übersicht über typische Orte, an denen man auf Manifestationen stoßen kann, von denen wiederum jeder einzelne schon fast ein Plot für sich sein kann.

Doch wenn im zweiten Kapitel noch vor allem der erzählerische Bogen zur Geisterwelt geschlagen wird, so geschieht dies in Kapitel drei dann regeltechnisch. „Keys to the Kingdom“ erweitert den Fundus des Spiels gewaltig, was geisterbezogene Merits, Flaws, Cursed Items, Fetishes and Rites, und Artifacts betrifft. Auch sehr „plottig“, von kleinen Gimmicks bis hin zu regelrechten Kampagnenaufhängern.
Manche Beiträge sind dabei recht klassisch, andere „erfreulich“ krank und abgedreht. Etwa die kleine Glocke, die man Kätzchen ans Halsband machen kann, um sie danach als mystischen Fokus zum Abreagieren seiner Vice of Wrath zu verwenden – da steckt Potential drin.
Vampire-Spieler werden sich übrigens besonders über „Blood Tenebrous“ freuen. Heißt mal wieder mächtig doof, aber diese Disziplin ermöglicht auch den Blutsaugern einen ziemlich krassen Kontakt zu der Geisterwelt, von leichter Wahrnehmung in den niedrigen bis hin zu Verschmelzung in den hohen Rängen.
Einziger, dafür aber markanter, Kritikpunkt an gerade diesem Kapitel ist die Sortierung, denn das ist hier ein ziemliches Kraut-und-Rüben-Szenario, dass es einem sehr schwer macht, etwa gezielt die Riten oder etwa die besagte Disziplin aufzuschlagen.

Das vierte Kapitel ist ebenfalls regelbezogen und heißt, selbsterklärend, „Denizens of Shadow“. Spirit-Erschaffungsregeln, ein Berg neue Numina und ein sehr, sehr umfangreiches Bestiary erfreuen hier den geneigten Spielleiter. Werewolf-Spieler freuen sich, dass auch hier die Geisternamen in der Sprache der Uratha mit angegeben werden, alle anderen freuen sich vor allem, dass der Fokus hier klar auf generisch verwendbaren Kreaturen liegt. Spirits sind ziemlich übel, um sie Sterblichen vorzusetzen, aber mit denen, die man hier findet, lassen sich definitiv gute Szenarien konstruieren. Gerade auch durch die ebenfalls enthaltenen „Ridden“, also eben von einem Spirit besessene Lebewesen (und Dinge).

Man merkt es vielleicht schon: Das „Book of Spirits“ hat mir mal wieder rundum gut gefallen. Es liest sich locker, hat endlos viele gute Ideen und sogar die Regelteile sind Plot-geeignet. Die Trennung in ein spekulatives, ein beschreibendes und zwei regeltechnische Kapitel ist sinnvoll und macht es jedem einfach, schnell das zu finden, was er sucht. Einzig, dass das Buch keinen Index hat, ist betrüblich, denn das würde einem das Leben doch erheblich vereinfachen.
Insgesamt kann man das „Book of Spirits“ aber eigentlich jedem empfehlen. Den generisch Spielenden sowieso, denn hier sind wieder mal Szenario-Ideen für die nächsten Monate enthalten. Vampire-Spielern, weil sie so endlich an die Shadow Realm herankommen, die ihnen bisher verwehrt war.
Und allen anderen, weil auch für sie sicherlich die ein oder andere nette, neue Idee auf den insgesamt 190 Seiten schlummert.

Unter‘m Strich kann man sagen, dass die müde Durststrecke rund um die „Armory“ und „Shadows of the UK“ endgültig überwunden zu sein scheint und dass das „Book of Spirits“ den anderen, großen Büchern der letzten Monate („Second Sight“, „Tales of the 13th Precinct“ oder eben „Urban Legends“ etwa) in nichts nachsteht.
Wer in der nWoD spielt, der kauft sich dieses Buch!


Name: Book of Spirits 
Verlag: White Wolf {jcomments on}
Sprache: Englisch
Autoren: Aaron Dembski-Bowden, Wayne Peacock, Peter Schaefer und Chuck Wendig
Empf. VK.: 29,99 US-Dollar 
Seiten: 190