nWoD - Asylum
You think we‘re the monsters,
because we don‘t think like you do?
You haven‘t seen the monsters,
until you‘ve been in HERE,
WITH US!
vom Backcover von Asylum
Optisch bietet das Buch die gewohnt Kost. Es ist ein Hardcover mit Flachrückenbindung und mattem Einband, der an vereinzelten Stellen durch Glanzelemente verziert ist. Das Covermotiv zeigt in den reihentypischen Grün- und Türkistönen den Eingang einer entsprechenden Irrenanstalt, nett verzerrt und stimmungsvoll, aber auch sehr unspektakulär.
Im Inneren des Buches erwarten einen großteilig Illustrationen von gewohnter Qualität, wie immer mit einigen wenigen Ausrutschern nach unten und einigen besonderen Glanzstücken versetzt. Gerade diese Illustration auf S. 18 hat bei mir mit ihrem bizarren Folterszenario eine ganze Reihe Assoziationen zu einer „Silent Hill“-artigen Ästhetik wachgerufen; sehr schön.
Aber alles in allem bleibt „Asylum“ im oberen Mittelfeld der grafischen Gestaltung stehen. Das Buch macht nichts wirklich falsch, aber an die visuellen Meisterstücke der Reihe kommt es auch nicht ganz heran.
Inhaltlich bemüht sich das Buch eigentlich gleich um zwei Ziele. Auf der einen Seite widmet es sich den Themen Wahnsinn, Geisteskrankheiten und, schwerpunkthaft, Sanatorien und Krankenhäusern, auf der anderen Seite wird aber auch das Sanatorium „Bishopsgate“ ganz exemplarisch und mit vielen Details vorgestellt. Somit treibt sich „Asylum“ vor allem in dem Revier herum, in dem schon „Tales of the 13th Precinct“ erfolgreich gewildert hat. Und es wäre kein Buch der neuen WoD, wenn es dieser Bestrebung nicht in fünf sauber geordneten Kapiteln und einem Appendix nachginge.
Eingeleitet wird das Buch wie immer von einigen Seiten Stimmungstext, in diesem Fall einer Reihe von Krankenberichten. Ist nett, aber auch nicht weiter der Rede wert, ebenso wie die Einleitung auch wieder genau das bietet, was man erwartet – „Wie man dieses Buch benutzt“, empfohlene Quellen und ein Glossar. Hier sollte man allenfalls erwähnen, dass die Inspirationsliste etwas kurz ist (und sträflichst sowohl Lars von Triers „Geister“ als auch dessen Stephen King-basierte Remake „Kingdom Hospital“ nicht nennt, die beide so perfekt auf „Bishopsgate“ passen würden; fühlte man sich vielleicht sogar zu ertappt, so gut wie es passt?) und dass das Glossar umgekehrt schwer punkten kann, indem es jeden Spielleiter mit einem großen Satz griechischer Wortanfänge und -enden zum absoluten Scheinfachmann macht.
Doch damit dann auch auf zum ersten Kapitel, das charmant „Total Bedlam“ heißt. Hier findet man eine kleine Historie der Wege, wie der Mensch seit fast dem Anbeginn der Zeiten bemüht war, dem Wahnsinn zu begegnen und der teils geradezu krankhaften Methoden, die zu diesem Zwecke ersonnen wurden – bis heute. Das Kapitel ist kurz, aber bereits ungeheuer inspirierend.
„Putting the Pieces Together“ ist das zweite Kapitel und bietet Regeln. Sowohl für Spielercharaktere innerhalb der heilenden Schicht und über den Umgang mit geistig Gestörten, aber auch einfach zum allgemeinen Umgang mit dem Thema Irrsinn. Erweiterte Regelmechanismen zu den entsprechenden Diagnoseprozessen, Behandlungsmethoden und -auswirkungen auf der einen Seite, neue Derangements beispielsweise auf der anderen Seite.
Einige dieser Elemente sind sehr schön gelungen und wissen durchaus zu gefallen. So gibt es fünf neue Merits in dem Buch, die ich alle ziemlich spitze finde – über einen „Er arbeitet in einem Berufsfeld, dass das Übernatürliche oft streift; Cops etwa“-Vorteil bis hin zu einer „Kann Blut sehen, ohne zu zucken“-Ergänzung findet sich hier vieles, was durchaus gefällt.
Umgekehrt gibt es da dann auch einige Auswüchse, die mich in ihrem Regulierungswahn fast schon an die „Armory“ erinnert haben. Die besagten neuen Derangements etwa stammen textlich 1:1 aus „Ghouls“. Das finde ich schon fraglich genug – waren sie doch dort noch damit begründet, dass Ghoule unter diesem ganz, ganz besonderen, psychischen Stress stehen – und es wird auch nicht dadurch besser, dass ich dort nun haarklein lese, dass ein unter dem Masochism-Derangement leidender Charakter Bashing Damage im Wert seiner Stamina erleiden muss, um Befriedigung zu erlangen. Aber gut, wem das so zusagt...
Das dritte Kapitel heißt „Bishopsgate – Built on Secrets“ und ist mit fast 50 Seiten eines der längsten in dem insgesamt rund 176 Seiten schweren Buch. Die Beschreibung der Lokalität ist dabei exzellent gelungen. Der Text strotzt nur so voller Ideen, verwendet erfreulich etablierte wie eher auch eher freie Mysterien der WoD, verwebt sie gekonnt und produziert so am Ende eine wahre Fundgrube für Abenteuer.
Ganz gleich aus welcher Richtung heraus man den Ort verwenden möchte, Insasse, Angestellter oder als irgendwie gearteter Besucher, es bedarf keinerlei geistiger Anstrengung, um in Bishopsgate ganze Kampagnen anzusiedeln. Für solche Texte liebe ich die neue WoD einfach!
Das vierte Kapitel schließt da nahtlos an, auch was den Umfang betrifft, und nennt sich „Case Studies“ (außer im Inhaltsverzeichnis, da heißt es „Case Reports“). Mit zahlreichen Handouts, Auszügen aus Dokumenten, Anmerkungen für den Spielleiter und bisweilen auf einfach konkreten Regeln bekommt man hier dann noch weitere Munition, um die Waffe zu laden, die „Bishopsgate“ so bereits darstellt.
Zehn solche Fallstudien gibt es, immer mit mehreren Deutungs- und Verwendungsmöglichkeiten versehen, so dass auch hier einmal mehr das Baukastenmodell der Reihe voll fruchten kann. Selbst der der Lektüre ohne jedwede Kampagnenpläne im Hinterkopf beginnen die Ideen, die man hier liest, schnell Fuß zu fassen im Geist des Lesers.
Den Abschluss bildet dann Kapitel fünf, dass in Form der „Staff Records“ noch einen Haufen NSCs nachreicht. Hier gibt es eigentlich nicht viel zu sagen: Viele gute Ideen, aber eben auch nicht mehr und nicht weniger als das, was man von WoD-NSC-Kapiteln her so kennt. Aber durchaus verwertbar.
Verbleibt nur noch der Appendix. „Reaping Madness“ ist der übertitelt und befasst sich mit der Verbindung des Themas „Wahnsinn“ mit den großen übernatürlichen „Arten“ der WoD. Das ist interessant zu lesen und es ist sehr erfreulich, dass dieser spezifische Teil aus dem allgemeinen Fließtext ausgegliedert wurde, der sich klar auch an normale, sterbliche Charaktere richtet. Ebenfalls lobenswert ist, dass hier neben den großen dreien, Vampire, Werewolf und Mage, auch Promethean und Changeling ihre Aufmerksamkeit erhalten, wenn auch alles recht knapp. Ein nützlicher Appendix und mal einer, der seinen Namen auch wirklich zu Recht trägt – es ist eben noch eine nachgeschobene Ergänzung.
Geht für mich ebenfalls schwer in Ordnung.
Somit ist „Asylum“ insgesamt mal wieder eines dieser nWoD-Bücher, die mich einfach rundum begeistern können. Es ist, das muss man klar sagen, kein Geisteskrankheiten-Buch im Sinne der entsprechenden Cthulhu-Supplements. Das war den Autoren aber auch klar und sie verweisen eingangs sogar auf Chaosiums „Taint of Madness“ und „Arkham Sanitarium“.
„Asylum“ wirft einen Blick auf das Feeling von Wahnsinn und Irrenhäusern, vermittelt mehr einen Eindruck als harte Fakten. Das spricht mich hier sehr an und ist sehr dem Grundton des Spiels dienlich. Und es liefert eben auf mehr als der Hälfte seiner Seiten mit „Bishopsgate“ einen ganz konkreten „Spielplatz“ für jedwede WoD-Runde, die sich dem Thema einmal nähern will.
Und da es an beiden Teilen schlicht und ergreifend kaum etwas zu meckern gibt, endet der Band mit einem „noch sehr gut“, das „noch“ dabei den teils etwas komischen Regeln und einigen guten, aber eben nicht überragenden Passagen geschuldet.
Egal wie, wem das Thema liegt und wer Interesse hat, das in seiner Runde zu verwenden, sollte bei „Asylum“ definitiv zugreifen.
Name: Asylum
Verlag: White Wolf {jcomments on}
Sprache: Englisch
Autoren: Bruce Baugh, Howard Ingham, George Holochwost, Matt McFarland
Empf. VK.: 26,99 US-Dollar
Seiten: 176