Magus - Kompendium für Erzähler
Dort draußen wartet immer ein neues Geheimnis auf Sie, und wenn Sie es nicht kennen, dann kennt es jemand anders.
vom Backcover von Magus - Kompendium für Erzähler
Was zeichnete die Kompendien für Erzähler in der Vergangenheit immer aus? Da wären zwei Dinge zu nennen, die unmittelbar miteinander verknüpft sind: Die Freude über all die nützlichen und wertvollen Informationen, die man erhält und der Ärger darüber, dass all diese Dinge eigentlich schon ins Grundbuch gesollt oder gar gemusst hätten; machen wir uns nichts vor, richtig spielbar ist ein System der weißen Wölfe erst wenn man beides, das Grundregelwerk und das jeweilige Kompendium, besitzt.
Ob das auch im Falle von Magus so ist oder ob wir hier die berühmte, regelbestätigende Ausnahme vor uns haben wird sich jetzt zeigen. Wie gewohnt wird das vorliegende Quellenbuch dabei in seine Bestandteile zerlegt und auf Herz und Nieren geprüft; ebenfalls wie gewohnt fangen wir dabei mit dem Offensichtlichsten an, dem Layout oder dem "Erscheinungsbild" wie der geneigte WoD-Spieler sagen würde...
Das äußere Grundlayout, welches sich bis auf wenige Ausnahmen durch die gesamte dritte Edition zieht, dürfte bekannt sein, die Einbettung des Coverbildes und des Backcovertextes auf dem lilafarbenen Samttuch ist über jeden Zweifel erhaben und dürfte mittlerweile zu Magus gehören wie das Amen in die Kirche. Das Coverbild selbst zeigt eine halbnackte Frau, welche, augenscheinlich in Trance, einige Geister beschworen hat, die nun grünlich schimmernd um sie herum huschen. Zynische Menschen könnten, mit Verweis auf die Tatsache, dass es sich hier um das Kompendium für Erzähler handelt, formulieren hier würde auch das Zitat "Die Geister die ich rief, die werd' ich nun nicht los" anklingen, im Falle eines Erzähler wären seine (Quäl-)Geister wohl die lieben Spieler...
Von der Qualität her ist das Bild im oberen Mittelfeld anzusiedeln, es ist nichts, was man sich nur um es zu bewundern ansieht oder mit dem man Leute beeindrucken könnte (das würde ich mit den Tradbooks machen...), aber man hat auch nicht das Bedürfnis die Adresse des Zeichners ausfindig zu machen oder es mit einem selbstgemalten Kunstwerk zu überkleben.
Letzteres kann man allerdings von diversen Zeichnungen, die sich innerhalb des Kompendiums befinden behaupten und es ist kein Zufall, dass alle missfallenden Bilder vom selben Künstler stammen: Leif Jones. Ja, derselbe Verbrecher, welcher im Grundbuch bereits die Traditionen verstümmelte, durfte hier wieder den Zeichenstift oder besser den Edding schwingen und alles verschandeln, was sich nicht wehren konnte. Doch wo Schatten ist, da muss auch Licht sein und in der Tat weiß ein Großteil der Bilder auch durchaus zu gefallen ohne jedoch, dass ein wirklich sensationell gutes dabei ist, alles in allem ist das Kompendium auch hier Durchschnitt. Eine besondere Erwähnung verdient die Bindung, welche wirklich atemberaubend schlecht ist! Es kann nicht sein, dass ein Quellenbuch bereits nach dem ersten durchblättern vom Käufer nachgeklebt werden muss, die Seiten lösen sich beinahe schon vom Ansehen; wenn dies nur bei dem vorliegenden Exemplar der Fall wäre hätte man noch wohlwollend darüber hinwegsehen können, wie ich jedoch im Internet erfuhr ist dieser Zustand keinesfalls die Ausnahme sondern die Regel, was letzten Endes zu einem gehörigen Abzug in der Wertung "Layout" führt. Glücklicherweise versicherte man mir auf der SPIEL, dass man sich von dem zuständigen Binder getrennt habe.
Doch genug über das Äußere geredet, wenden wir unseren Blick auf den Inhalt des Kompendiums, der sich in vier Abschnitte gliedert: 'Was bisher geschah', 'Die Unangepassten', 'Geister und Verflossene' und 'Wunder'.
Das erste Kapitel, 'Was bisher geschah', liefert genau das, was der Name verrät, einen groben Abriss der bisherigen Ereignisse in Magus, insbesondere die im Hintergrund vollzogenen Änderungen beim Sprung von der zweiten auf die dritte Edition.
Dies geschieht zum einen anhand einer recht ausführlichen Zeitleiste, welche von tiefster Urzeit bis hin zur Vernichtung des Vorsintflutlichen Vampirs Ravanna durch die Technokratie im Jahr 1999 reicht und zum anderen durch einige zusätzliche Informationen, die auf den Avatarsturm oder den Verlust der alten Meister eingehen.
Die Zeitleiste hinterlässt hierbei insgesamt einen recht guten Eindruck, wenn man sich auch manchmal nach dem Sinn einiger Einträge fragt, so wird erwähnt, dass eine zehnte Region in Horizont entsteht als sich auf dem Kontinent Posht ein Abgrund auftut, wohl eine Information, die mehr verwirrt als, dass sie nutzt und die letzten Endes vollkommen überflüssig ist. Auf der anderen Seite gibt es über Merlin lediglich einen Eintrag, der besagt, dass seine Karriere beendet war, hier wäre es wünschenswert gewesen, wenn man schon auf ihn eingeht etwas mehr zu verraten, nicht nur wie seine Karriere endete, sondern auch was ihre Höhepunkte waren. Dies sind jedoch letzten Endes Kleinigkeiten, die das positive Gesamtbild nicht weiter stören und man kann behaupten, dass die Zeitleiste zusammengefasst eine gute und vollständige Übersicht, der für Magi wichtigen historischen Ereignisse darstellt.
Etwas durchwachsen hingegen ist das Material über die jüngsten Ereignisse, insbesondere über die Entstehung des berüchtigten Avatarsturms, der den Traditionen das Zaubern stark erschwert und ihre alten Meister in deren Horizontreichen eingesperrt hat; man erfährt zwar, dass die zur Vernichtung Ravannas eingesetzten Atombomben, diverse weitere zündeten, die sich zufällig in der Nähe befanden, doch wer jetzt genau wem aus welchem Grund mit Massenvernichtungswaffen zu Leibe rücken wollte bleibt unklar und der Avatarsturm wirkt letzten Endes als eine unerklärliche Verkettung unglücklicher Zufälle. Für die Spieler mag dies durchaus in Ordnung sein, der Erzähler jedoch sollte wohl etwas besser informiert werden und hat für das in dieses Produkt investierte Geld schlicht und ergreifend das Recht über den Hintergrund informiert zu werden, sodass er letzten Endes sagen kann: "Aha, so ist das passiert. Gut zu wissen." Der gewünschte Aha-Effekt jedoch bleibt aus.
Das Kapitel über 'Die Unangepassten' befasst sich mit magischen Gruppierungen, die sich außerhalb der Tradition und der Technokratie befinden. Früher einmal hat es viele dieser sogenannten Gilden gegeben, welche zum großen Teil die Rolle von Lokalzauberern erfüllten, heute jedoch hat die Technokratie die Gilden bereits arg dezimiert und es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein bis die Gilden vollständig vernichtet sind, denn aufgrund ihrer arg beschränkten Ressourcen und dem Mangel an Unterstützung durch den Rat der Neun haben sie im Prinzip keine Möglichkeit sich gegen die Technokratie zur Wehr zu setzen und müssen hilflos mit ansehen wie ihre Kultur weggespült wird.
Diesem Kapitel stehe ich insgesamt etwas zwiespältig gegenüber. Sicher interessant zu lesen sind alle der vorgestellten Gilden, aber die Frage nach der Spielpraktikabilität sollte man in einigen Fällen besser nicht stellen, sie tendiert stellenweise arg Richtung Null. Als Paradebeispiel sie hier auf die "Kopa Loei" verwiesen, deren Magie vollkommen inkompatibel ist, da sie diese nicht in Sphären messen, somit scheiden sie als optionale Spielercharaktere schon einmal aus, denn wie soll ich sie einbauen? Als NSCs taugen sie genauso wenig, da es sich hierbei um einen Stamm schamanischer Eingeborener handelt, welcher seine Karibikinsel wohl nie verlassen wird, die Einbindung in eine Chronik ist also mehr als unwahrscheinlich. Auf der anderen Seite gibt es so nützliche Gilden wie die "Schwestern Hippolytas", welche durchaus gut spielbar sind und auch jederzeit als NSCs eingesetzt werden können ohne das ihr Auftauchen in irgendeiner Form aufgesetzt wirkt.
So schwanken die Gilden von gut einzubauen bis braucht man im Leben nicht und mit ihnen das Kapital von nützlich bis überflüssig.
Nicht so das nächste Kapitel 'Geister und Verflossene', welches mit einem Wort treffend beschrieben ist: unnötig.
Zunächst wird hier beschrieben wie Geister regeltechnisch eingebaut werden, was im Endeffekt auf eine sehr grobe Erklärung der Geister bestimmenden Begriffe wie "Gnosis" oder "Essenz" und eine wahre Flut an Zaubern herausläuft. Letztere hätte man sich genauso gut sparen können, denn wenn ein Erzähler gedenkt einen Geist in seiner Chronik einzubauen, dann dürfte er sich wohl meist schon im klaren darüber sein, was dieser können soll und wenn nicht kann er sich dies auch recht schnell improvisieren, die vorhandene Zauberliste aber braucht im Prinzip niemand.
Über Geister selber allerdings wird kaum etwas Verwertbares gesagt, ich hätte mir schon ein mehr an Informationen über z. Bsp "Gnosis" gewünscht als nur, dass ein Geist darauf wirft, wenn er sich in einem Rätselwettbewerb mit einem Magus befindet. Es bleibt also zu sagen, dass man zu wenig über Geister erfährt, um das Kapitel wirklich mit Gewinn lesen zu können, stattdessen aber mit jeder Menge überflüssiger Zaubertricks versorgt wird. Die Beispielgeister machen die Sache auch nicht besser, da sie zum einen großteils kaum einzubinden sind und zum anderen teilweise übel daneben gegriffen sind, wer braucht schon "Raxnelda, die Krake aus der Tiefe"?
Der Vogel abgeschossen wird allerdings erst mit den abschließenden "Verflossenen", mit denen Wesen wie der "Chupacabra" oder "Der Teufel von Jersey" gemeint sind, die hier als Semi-Geister beschrieben werden. Diese Beschreibungen braucht wirklich kein Mensch und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie nur als Lückenfüller erwähnt werden.
Doch kommen wir zum vierten und letzten Kapitel, welches sich mit der Herstellung von 'Wundern' beschäftigt und davon gibt es reichlich. Es gibt bekannte wie Talismane und Fetische oder Glücksbringer, aber auch neue wie Periapte. Mögen die Beschreibungen wie man sich diese nützlichen Gegenstände erstellt noch brauchbar sein, klären sie doch endlich solche Fragen wie die nach der nötigen Kernstufe, ob Schläfer die Gegenstände benutzen können und wie viele Effekte in welchen Gegenständen gespeichert werden können, so erschlägt einen deren bloße Anzahl und die beinahe beliebigen Kombinationsmöglichkeiten untereinander fast. Zusammen mit dem abschließenden Beispiel der Erstellung der "Lappischen Sieben-Meilen-Fick-Mich-Stiefel" fühlt man sich doch arg ein kommerziell recht erfolgreiches PC-Spiel aus dem Hause Blizzard erinnert, hätte es einen doch nicht weiter gewundert wenn man letztgenannte Stiefel eben dort in einer versteckten Schatztruhe gefunden hätte...
Nachdem nun alles rezensiert wurde, was dem Kompendium für Erzähler beilag, sollte vielleicht noch erwähnt werden, was fehlte: Der Spielleiterschirm. Davon ausgehend, dass dieser für viele der erste Anreiz zum Kauf eines Kompendiums ist, kann man sein Fehlen schon als ärgerlich bezeichnen, hier sei einmal auf das kaum teurere englische Originalprodukt verwiesen, dem dieser beiliegt.
So, es ist an der Zeit ein Fazit zu ziehen:
Um auf die oben gestellte Frage zurückzukommen, wir haben hier definitiv die Ausnahme vor uns, Magus ist im Gegensatz zu den anderen WW-Spielen auch ohne das Kompendium gut spielbar. Das heißt jetzt aber nicht, dass dieses Quellenbuch vollkommen überflüssiger Tand ist, es findet sich so mach nützliche und gewinnbringende Informationen, leider aber genauso viele Lückenfüller und Nebensächlichkeiten. Es ist sicherlich kein Reinfall, zählt jedoch auch nicht zu den "must have"s. Ob man es sich für den relativ humanen Preis zulegt, muss jeder selber wissen, aber man wird sich auf keinen Fall ärgern das Kompendium erstanden zu haben.
Name: Kompedium für Erzähler
OT: Storyteller's Companion
Verlag: Feder & Schwert {jcomments on}
Sprache: deutsch
Autoren: Jackie Cassada, Nicky Rea, Kevin Andrew Murphy
Empf. VK.: 12,76 Euro
Seiten: 72 Seiten