Krallen und Fallen

In der gewaltigen Kartenspielpalette bei Pegasus sind eine Menge Titel, die alleine aufgrund ihres Reihencharakters schnell ins Auge zu fallen vermögen. Ob nun „Äpfel zu Äpfeln“ (das mittlerweile leider aufgrund von Lizenzgeschiebe drüben in Übersee nicht mehr bei Pegasus unterstützt wird), „Kleine Helden“, „Igels“, die „Chez ...“-Reihe oder das allmächtige Munchkin, die Titel bleiben hängen, alleine schon weil sie einem regelmäßige Neuerscheinungen immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden.
Bei dem von C. Aaron Kreader entworfenen „Krallen und Fallen“, im englischen Original als „Treasures and Traps“ erschienen, ist das anders. Der Titel macht sich unscheinbar und geht glaube ich bisweilen im großen Gesamtporfolio des Verlages etwas unter. Das ist allerdings ungerechtfertigt, denn „Krallen und Fallen“ war für uns bei der DORP definitiv eine extrem positive Überraschung.

Der Packungsinhalt
Das Spiel kommt daher, wie die meisten Pegasus-Kartenspiele nunmal daher kommen. Der kleine, flache Karton – sagen wir mal „Munchkin“-style – ist handlich und gut zu transportieren, bietet aber für alles notwendige ausreichend Platz und ist stabil. Wirklich schön ist er dabei leider nicht. Zwar sind die Illustrationen des Spiels, allesamt von vom Autor Kreader selbst angefertigt, sehr chamant und erzeugen gerade in ihrer Gesamtheit während des Spiels einen angenehmen Look, die Verpackung selber allerdings verliert im Vergleich zu anderen Spielen im Kartenregal. Die englische Packung bietet dabei das gleiche Vordergrundmotiv, hat aber im Gegensatz zur deutschen Ausgabe einen gezeichneten Hintergrund, was meines Erachtens auch besser gewirkt hätte. Aber man kann natürlich damit leben – den einen oder anderen Käufer mag das Motiv aber erst mal skeptisch machen. Dafür, das ist vielleicht sogar wichtiger, ist das Layout der deutschen Karten dem des Originals eindeutig überlegen.
In der Box enthalten sind dann exakt 100 dieser Spielkarten, die Anleitung als typischer Faltbogen (übrigens anders als die der englischen Ausgabe glänzend und vollfarbig) und ein nett anzuschauender W6 aus Holz, in schwarzen mit roten Punkten. Die Spielkarten sehen wie schon gesagt schön aus und auch wenn die Illustrationen deutlich vom typischen, mittlerweile fast schon gewohnten Kovalic-Munchkin-Stil abweisen, so haben sie uns doch eigentlich alle gefallen.
Einige fallen sogar positiv ins Auge, etwa die Karte „Bewachtes Tor“, auf dem stilecht „Haut ab!“ steht, oder aber die überaus skurrile Illustration der Karte „Verkleidung“.

Das Spiel
Gespielt wird mit zwei bis sechs Spielern, wobei bei zwei Spielern von 30 Minuten Spielzeit ausgegangen wird und sich diese dann pro weiterer Person um 10 erhöht. Das hat sich in den Testrunden auch so in etwa bestätigt, was „Krallen und Fallen“ ganz fernab aller Designfragen schon mal zu einem interessanten Titel macht, den man auch wirklich mal „eben zwischendurch“ spielen kann.
Ziel des Spiels ist es, drei bestimmte Schätze in sein eigenes Königreich zu bekommen. Nicht drei exakt benannte Schätze, aber wohl einen der Kategorie „Bronze“, einen der Kategorie „Silber“ und einen, man ahnt es, der Kategorie „Gold“. Klingt soweit ja ganz einfach.
Generell wird dann reihum gespielt, wobei jeder Spieler generell drei unterschiedliche Aktionen durchführen kann. Von diesen „Handlungen“ hat er in der ersten Runde nur eine, aber der zweiten Runde aber immer fix zwei.
Die erste Variante ist der „Auftritt“. Wann immer man eine bestimmte Karte ins Spiel bringen muss, ist ein „Auftrittswurf“ fällig. Jede Karte hat einen entsprechenden Wert zwischen 0 und 6, den man mit einem W6 überwürfeln muss. Eigene Karten können dabei Boni, andere Karten naturgemäß Mali geben, was die Bandbreite dessen, was etwa ein Wert „4“ bedeuten kann, spürbar erhöht.
So spielt man mittels Auftritt Schätze in sein Reich aus (sowohl Bronze, Silber und Gold wie auch Unterstützerkarten und die Monster, auf die ich noch zu sprechen komme), man spielt Zauber und andere Karten auf sich oder die Mitspieler und bestreitet allgemein halt alles, was eine Karte auf den Tisch bringt.
Konsequent ist die zweite Aktionsmöglichkeit ein „Abgangswurf“. Jede Karte hat auch da einen entsprechenden Wert und so bekämpft man Monster, befreit sich von Zauberwirkungen und zerlegt etwa Schutzmechanismen in anderen Reichen, indem man gegen ihren Abgangswert würfelt.
Die dritte mögliche Handlung ist ebenfalls nahe liegend: Man kann als Aktion eine Karte von seiner Hand gegen eine aus dem Aufnahmestapel tauschen.

Monster nehmen dabei einen besonderen Status ein. Sie rauben Schätze aus den Königreichen der anderen Spieler und tragen sie in die Wildnis. Dort hocken sie sich auf den Schatz und hinterlassen ihn demjenigen, der sie per „Abgangswurf“ bezwingt.
Da ein direkter Schatzraub quasi nicht möglich ist, ist es also durchaus möglich, dass Spieler 1 ein Monster spielt (Auftrittswurf gelingt), um Spieler 2 einen Schatz zu rauben, das Vieh selber nicht bezwingen kann (Abgangswurf scheitert) und damit Spieler 3 zum lachenden Dritten macht, wenn dieser das Monster erfolgreich bezwingt-
Alleine die Art der Monster kann dabei sehr viel Taktik mit ins Spiel bringen. Ein Monster mit niedrigen Auftritts- aber hohem Abgangswert klaut sehr erfolgreich die Schätze und bewacht sie gut, macht es einem aber auch selber sehr schwer, daran zu kommen. Der Orkplünderer dagegen hält nur einen Zug lang an, bevor er am Ende der Handlungen des Spielers, der ihn ausgespielt hat, bereits wieder verschwindet und den Schatz seinem alten Besitzer überlässt. Sinnlos? Scheint zuerst so – wenn man aber in genau diesem Zug mit seiner zweiten Handlung etwas machen kann, weil der Orkplünderer gerade auf einem Schatz hockt, der durch seine Eigenschaften den Plan vereitelt hätte, dann gewinnt es plötzlich an Potential.
Einige Karten haben ziemlich harte Auswirkungen – der „Königliche Erlass“ etwa ändert einfach mal die Siegbedingungen. Solche Karten sind aber sehr gering an der Zahl und haben in unseren gar nicht so wenigen Spieltests nie zu Problemen geführt.

Aufgefallen ist uns dabei allerdings, dass die taktische Komponente zugunsten allgemeinem Party-Munchkin-Chaos abnimmt, je mehr Leute am Tisch sitzen. Das liegt nicht mal an den Regelmechanismen, aber wo es mit vier Leuten noch sauber funktioniert, kam es bei größeren Gruppen zu zumindest in meinen Augen unbefriedigenden „Ich hätte eine Karte dazwischen werfen können, aber da alle anderen am Tisch quatschen, habe ich gar nicht mitbekommen, dass Spieler 2 gerade den Zug zum Sieg gemacht hat“-Momenten.

Erweiterungen
In englischer Sprache ist mittlerweile eine Erweiterung erschienen, „Expanded Realms I“, von der ich zwar hoffe, dass sie es ebenfalls nach Deutschland schaffen wird, aber noch nichts in die Richtung vernommen habe.

Support
Die Pegasus-Webseite lässt sich auch in Sachen „Krallen und Fallen“ einmal mehr nicht lumpen. Neben den obligatorischen Beschreibungen zum Spiel selbst gibt es dort zudem die Anleitung als PDF-Datei zum Download, ein Forum für Support-Fragen und als ganz neuen Mechanismus „Charakterklassen“ für jeden Spieler inkl. Der Spielkarten zum Selbstdruck, leider in etwas geringer Auflösung. Diese sind selbsterklärend und optional, waren auch als Promokarten von Verlag her kostenlos als Druckprodukt zu bekommen und entstammen, jedenfalls wenn ich da Recht informiert bin, ursprünglich aus der oben erwähnten Erweiterung 1.

Fazit
„Krallen und Fallen“ ist eines meiner liebsten Kartenspiele überhaupt geworden. Die taktische Komponente ist ausgeprägter als bei anderen Spielen ähnlicher Art, der Faktor Glück spielt aber weiterhin mit. Es geht schnell und spielt sich flott, ist leicht erklärt und gewinnt seine Komplexität dann in Spielsituationen, nicht in Regelfragen.
Der Preis ist bei der Ausstattung sehr fair ausgefallen und insofern spricht nichts dagegen, „Krallen und Fallen“ eine dicke und klare Kaufempfehlung zu geben!


Name: Krallen und Fallen 
Hersteller: Pegasus Spiele {jcomments on}
Sprache: Deutsch 
Spieler: 2-6 
Spieldauer: 30 Minuten bei zwei Spielern +10 Minuten pro weiterer Person
Empf. VK.: 12,95 Euro 
Komplexität: gering, jedoch mit taktischem Potential