Kickbox Champion
Bei Klaus Nonnemachers Kickbox Champion von Flying Games übernehmen zwei Spieler die Rolle von Kickboxern, die in einem sportlichen Wettkampf gegeneinander antreten, wobei anstatt Fäusten im Ring Karten am Spieltisch zum Einsatz kommen.
Bei einem Kickbox-Kartenspiel hätte ich eigentlich etwas im Comic-Stil erwartet, aber weit gefehlt: Kickbox Champion gibt sich Mühe, möglichst nah an der realweltlichen Sportart zu bleiben, wobei das offenbar so gut gelungen ist, dass sich das Spiel mit dem Siegel des internationalen Kickbox-Verbandes WKA schmücken darf und Klaus Nonnemacher seinen Namen für den Titel hergegeben hat, wobei der gute Mann offenbar nicht nur Chef der WKA ist, sondern auch ein Kickboxer von Weltklasse. Auch auf der offiziellen WKA-Seite wird das Spiel beworben.
Dabei nimmt Kickbox Champion laut Verpackung für sich in Anspruch, eine so gute Simulation des Sports zu sein, dass echte Kickboxer durch das Spiel zumindest ihre Taktik schulen können. Eine von Profisportlern befürwortetes Kartenspiel mit Nutzen für Kickboxer - wow.
Ich muss zugeben, alles, was ich über Kickboxen weiß, entstammt Filmperlen aus meiner Jugendzeit. Und da auf der WKA-Seite weder Ninjas, noch kommunistische Elitetruppen, noch böse Kampfsportschulen zu finden sind, dämmert es mir, dass der realweltliche Sport wenig mit meinem Bild davon zu tun hat. Ich habe keine Ahnung, ob Klaus Nonnemacher Millionen für eine Werbelizenz kassiert oder es vielleicht im Gegenteil nötig hat, mit Kartenspielen für einen Nischensport zu werben. Womöglich handelt es sich bei dem Spiel auch tatsächlich um Karten gewordene Sporterleuchtung aus der Schachtel, wäre ja möglich.
Aus diesem Grund werde ich mich darauf beschränken, ein Kartenspiel zu rezensieren und ansonsten bei meinen VHS-geprägten Vorurteilen über den Sport bleiben.
Ok, was brauchen zwei Menschen, um sich gegenseitig die Grütze aus dem Gehirnkasten zu prügeln? Offenbar reicht dazu je ein Kartendeck, ein Spielplan im Poster-Format und ein Würfel, der als Rundenzähler dient, dazu gibt es ein Faltblatt mit der Spielanleitung. Das Material ist ordentlich verarbeitet und passt in der etwa teebeutelhandelsverpackungsgroßen Schachtel in jede Sporttasche.
Die Aufmachung basiert auf jeder Menge Fotos von Kickbox-Matches und erinnert in ihrem schlichten, funktionalen Layout an das Erscheinungsbild von Turnierpostern und Sportprogrammen, wie sie am Schwarzen Brett von Schulsporthallen zu finden sind. Das ist auf gar keinen Fall wunderschön, hat mir aber gut gefallen, weil es das Kartenspiel optisch klar dem Sport zuordnet, was einen seriösen Eindruck macht.
Bei der Verpackung und dem Spielplan geht das Erscheinungsbild eher in Richtung wuchtiger schwarzer Hintergrund und kräftige Farben und Formen, aber auch das passt zur sportlichen Vorlage.
Die Anleitung von Kickbox Champion erklärt das Spiel übersichtlich, spart aber mit Beispielen, weswegen wir uns erst nach ein paar Probespielen sicher waren, dass alles so funktioniert, wie wir vermutet hatten. An sich sind die Regeln aber schnell erlernbar und dann dauert ein Spiel so um die 15 - 20 Minuten.
Das Spiel wird in Runden abgewickelt, eine Runde besteht aus mehreren Aktionen, die von den Spielern abwechselnd durchgeführt werden. Der Spieler, der an der Reihe ist, kann Angriffskarten aus seiner Hand spielen, gegen die sich der Gegner dann mit Verteidigungskarten aus der eigenen Hand wehren kann. Es gibt verschiedene Angriffs- und Abwehrtechniken, die echten Kickbox-Manövern entsprechen, wobei nicht jeder Angriff durch jede Verteidigung aufgehalten werden kann. Technikkarten können offensive und defensive Karten verstärken und Combokarten erlauben es, während einer Aktion mehrere Angriffskarten auszuspielen. Da man nicht automatisch am Ende seines Zuges seine Kartenhand nachfüllen darf und sich die Handkarten sehr schnell erschöpfen, ist man regelmäßig gezwungen, eine Erholungspause einzulegen, wobei man auf seinen Angriff verzichtet und dafür mehr Karten ziehen darf.
Wenn ein Angriff nicht abgewehrt werden kann, wurde ein Treffer erzielt, was schnell spielentscheidend werden kann: Der Getroffene verliert je nach Stärke des erfolgreichen Angriffs eine Anzahl von Handkarten. Sollte er nicht genug Karten auf der Hand haben, geht er auf die Bretter. Ansonsten können die verlorenen Karten am Ende der Runde dem Gegner Punkte einbringen.
Offensive und defensive Karten sind ungefähr gleich verteilt, daher sind die meisten Angriffe leicht abzuwehren. Um auf einen Treffer hinzuarbeiten, muss man geschickt seine Optionen abwägen und versuchen, den Gegner zu durchschauen.
Wenn alle Aktionen einer Runde abgewickelt wurden, erhält die Spieler Punkte, die von der Zahl der Karten abhängig ist, die der Gegner durch Treffer verloren hat. Anschließend darf jeder seinen Ablagestapel durchsuchen und eine bestimmte Zahl von Karten wieder unter seinen Ziehstapel mischen. Wenn nicht zuvor ein K.o. zustande gekommen ist, endet das Match nach einer festgelegten Anzahl von Runden und der Sieger wird nach Punkten bestimmt, wobei ein Unentschieden möglich und nicht selten ist.
Der Spielplan dient dabei dem Zweck, die Aktionen, Runden, Punkte und Treffer nachzuhalten. Ein W6 zeigt mit seiner Augenzahl die aktuelle Runde an, gleichzeitig wird er als Marker über die Leiste geschoben, die die verbleibenden Spielzüge für die laufende Runde anzeigt. Ansonsten bietet der Spielplan für jeden Spieler verschiedene Zonen, um die verschiedenen Kartenstapel (Ziehstapel, Ablagestapel, Trefferstapel, Punktestapel) eindeutig ablegen zu können.
Die Macher von Kickbox Champion haben sich viele Gedanken dazu gemacht, wie man das Spielmaterial möglichst vielseitig einsetzen kann: Der Würfel ist Zähler und Marker zugleich, die Karten sind sowohl Spieloptionen, als Lebenspunkte und Punktemarker. Das ist zwar clever, aber auch umständlich und verwirrend. Das zeigte sich in den Testspielen zum Beispiel durch das Weiterschieben des Würfels, das in der Verantwortung des handelnden Spielers liegt, wobei ein Versäumnis durch den Verlust einer Karte geahndet wird. Bis zur letzten Runde kam es vor, dass diese Strafe gezahlt werden musste.
Auch am Spielablauf hätte man noch feilen können, insbesondere kam es zu häufig zu der Situation, dass Spieler vor allem Technik- und Combokarten auf der Hand hatten, die ohne Angriffs- oder Verteidigungskarten völlig nutzlos sind, aber gleichzeitig verhindern, dass man nützliche Karten nachziehen kann.
Andere Aspekte haben mir ziemlich gut gefallen: Kickbox Champion ist darauf ausgelegt, mit mehreren Runden ein Turnier in Anlehnung an ein sportliches Kickbox-Turnier auszutragen. Dazu gibt es insbesondere die Möglichkeit, unterschiedliche Gewichtsklassen und Gürtelränge der Sportler zu simulieren, indem die Zusammensetzung des Ziehstapels geändert wird oder die Anzahl von Karten, die man nachziehen oder auf der Hand halten kann. Ob das den Gegebenheiten im Sport entspricht sei einmal dahingestellt, jedenfalls erzeugt es im Spiel feine und interessante Abstufungen von Handicaps. Auch ist das Spiel zwischen z.B. Schwarzgurtträgern dynamischer als das zwischen Anfängern.
Fazit: Kickbox Champion ist ein Spiel, das interessant ist, weil es vieles anders macht. Vor allem Spielfluss und Balancing wurden dem Anspruch der Simulation realweltlicher Kickboxkämpfe untergeordnet. Das Gefühl, im Spiel ähnliche Abläufe und Ergebnisse zu erreichen, wie bei Sportkämpfen, erhöht den Reiz, Turniere nachzuspielen oder verschieden starke Kämpfer auszuprobieren und sorgt so auch für Langzeitmotivation.
Für Leute, die (wie ich) mit Kickboxen nichts am Hut haben ist der starke Simulationsaspekt aber wahrscheinlich eher ein Ärgernis als ein Feature. Ein actionreicherer Spielablauf und ein cooleres Thema währen in meinen Augen eine Verbesserung. Da das Regelsystem allerlei sportliche Zweikämpfe abbilden könnte, wäre für Nichtkickboxer vielleicht eine spaßigere Variante wie "Trash Wrestling Champion" oder "Bikini Boxing Champion" ein attraktiveres Produkt.
Erwähnt werden sollte noch, dass es das Spiel auf Englisch und auf Deutsch gibt. Auch bieten Flying Games auf ihrer Website einen Forenbereich zum Spiel, wo es die Regeln zum Download gibt und Fragen zum Spiel beantwortet werden.
Mit freundlicher Unterstützung von Flying Games.
Name: Kickbox Champion
Verlag: Flying Games
Sprache: deutsch
Autor: Markus Still
Komplexität: leicht zu lernen, schwer zu meistern
Ausstattung: gut
Empf. VK.: 24,90 Euro{jcomments on}