Dwarf King's Hold
Mit der Reihe Dwarf King's Hold hat Mantic jetzt schon seit längerer Zeit einen Fuß in der Tür des exotischen Nischenmarktes der "Miniaturen-Brettspiele". So zumindest würde ich es bezeichnen, wenn man ein Brettspiel mit Ausstattung aus dem Tabletop-Wargaming-Bereich versieht. Darin eifern die Miniaturenhersteller aus Nottingham ihrer großen Konkurrenz Games Workshop nach, die mit Spielen wie Space Hulk oder Blood Bowl in diesem Bereich recht prominent vertreten sind.Bärtige gegen Rippchen
Das erste Dwarf King's Hold-Spiel trägt den Untertitel Dead Rising und bietet Auseinandersetzungen zwischen einer Horde untoter Skelette und einem kleinen Haufen Zwergenkrieger in den verworrenen Tunneln einer Zwergenfestung für zwei Spieler.
Der ganze Spaß befindet sich in einer labelligen Schachtel im ungefähren Format der alten DSA-Boxen, auf der ein violett leuchtendes Skelett sich gerade mit einem seltsam proportionierten Zwerg kloppt. Das Ding enthält genau vier Dinge: Pappbögen mit bunten Dungeon- und Counter-Stanzteilen, eine Handvoll Würfel, Gussrahmen mit Plastikteilen für Untote und Zwerge und ein Regelheftchen. Die Miniaturen entstammen der normalen Kings of War-Produktreihe von Mantic und sind damit für ein Brettspiel natürlich ungewöhnlich detailliert und flexibel. Die passenden viereckigen Bases, die den Figürchen im Tabletop-Armeeeinsatz zur Verfügung stünden, sind jedoch nicht enthalten. Laut Hersteller liegt der Grund darin, dass man die Optik der Dungeonfelder nicht verdecken will, allerdings stehen die kleinen Plastikmännchen je nach Pose teilweise ziemlich wacklig.
Der namensgebende Dwarf King's Hold besteht aus größeren und kleineren Räumen sowie aus Gangstücken, die ein wenig an Tetrominos gemahnen. Die Teile sind in quadratische Spielfelder unterteilt, Wände gibt es keine, so dass sich die einzelnen Kacheln auf vielfältige Weise kombinieren lassen. Jedes Teil besteht aus stabilem Pappkarton und ist als Dungeonboden illustriert. Die Grafiken stammen zwar sehr offensichtlich aus dem Computer, erzeugen jedoch mit ihren vielen Details ein sehr stimmungsvolles Bild der verfallenen Zwergentunnel. Die Counter passen dazu und sind mit gut zu unterscheidenden Piktogrammen markiert.
Bei den Würfeln handelt es sich um grüne und blaue Grabbeltisch-W6 in Untergröße, wobei allerdings jede Farbe angenehmerweise je nach Kampfstärke der Einheiten jeweils für Untote und Zwerge abgezählt sind.
Das Regelheft erinnert in seiner schlichten Erscheinung mit den verstreuten Grafiken layoutmäßig an alte Schul-Flyer oder Pfarrbriefe, erklärt jedoch ganz vernünftig die Regeln und enthält alle notwendigen Diagramme und Zeichnungen.
Die Ausstattung von Dwarf King's Hold - Dead Rising ist akzeptabel und zweckmäßig, kann jedoch keinesfalls mit gewöhnlichen Brettspielen mithalten. Die Figuren sind das Einzige wirklich Hochwertige an dem Spielmaterial, allerdings muss man sie erst aufwändig zusammenbauen, um sie benutzen zu können. Und wer wirklich stilvoll Zwerge durch Tunnel hetzen will, kommt an einer Bemalung nicht vorbei. Die Packung ist nicht geeignet, die Minis wieder aufzunehmen, nachdem sie montiert wurden. Wer außer Haus spielen will, muss sich selbst eine Transportmöglichkeit für die Figürchen überlegen.
Bei Dwarf King's Hold - Dead Rising übernimmt ein Spieler die Rolle des finsteren Nekromanten Mordibris, der mehrere Dutzend untoter Diener durch die Ruinen einer alten Zwergenfestung lenkt. Sein Gegenüber tritt dem Finsterling mit einer kleinen Gruppe von Zwergen in sechs im Spiel enthaltenen Szenarien gegenüber, wobei es für ihn fast immer darum geht, irgendwie den Ausgang zu erreichen, bevor die Untoten die bärtigen Bierbrauer zur Strecke bringen.
Dabei stehen den Spielern Aktionen für ihre Figürchen zur Verfügung, die aus einem Haufen verdeckter Counter gezogen werden, wobei jede Seite ihre eigenen Counter besitzt. Die Zwerge können ihren Countervorrat nach jeder Runde wieder nachfüllen, während der Nekromant immer nur einen Counter nachzieht.
Aktionen können vor allem dazu benutzt werden, einzelne Figuren zu bewegen und sie angreifen zu lassen. Beim Kampf werfen Angreifer und Verteidiger eine durch ihre Werte bestimmte Anzahl von Würfeln, wobei das höchste Ergebnis des Verteidigers mit dem höchsten Ergebnis des Angreifers verglichen wird, das zweithöchste mit dem zweithöchsten und so weiter. Alle Würfel, die den Wurf des Verteidigers und gleichzeitig seine Rüstung übertreffen, zählen als Treffer.
Die Werte der Zwerge sind deutlich besser als die der Skelette, sowohl was den Kampf, als auch was die Bewegungsreichweite angeht. Dafür erleiden Zwerge durch Treffer Wunden, die sie schwächen, während Skelette schwache Angriffe einfach wegstecken und oft auch zu einem Knochenhaufen zusammenfallen, der später wiederbelebt werden kann.
Weitere Aktionsmöglichkeiten machen das Spiel ziemlich taktisch, die Zwerge etwas können ihre Gegner aus dem Weg schieben, der Nekromant kann Knochenhaufen zu Untoten erheben oder seine Truppen kurzzeitig boosten. Auch spielt es eine Rolle, in welche Richtung eine Figur blickt und ihre Werte können sich ändern, wenn sie etwa in Überzahl angegriffen wird oder verletzt ist.
Generell muss der Nekromant sehr mit seinen Ressourcen haushalten und sich gut überlegen, wie er seine vielen Diener am sinnvollsten einsetzt. Der Zwergenspieler hingegen sollte alles raushauen, was er hat und vor allem zusehen, dass er sich nicht umzingeln lässt. Diese sehr verschiedenen Spielweisen und die Herausforderung, eine ganze Truppe von Figuren taktisch klug in Innenräumen einzusetzen, macht Dwarf King's Hold ziemlich interessant.
Die Szenarien von Dwarf King's Hold - Dead Rising sind abwechslungsreich und machen einen recht ausgeglichenen Eindruck, weswegen Sieg und Niederlage von Würfelglück und planerischem Geschick der Spieler abhängen. In unsern Testspielen haben die Untoten zwar häufig verloren, allerdings waren die Zwerge dabei mit einem unglaublichen Würfelglück gesegnet. Trotzdem kann es für den Nekromanten manchmal frustrierend werden, wenn eine kluge Offensive durch Würfelpech gescheitert ist und die Aktionsmarken nicht mehr reichen, um noch handeln zu können, oder wenn die Skelette zu langsam sind, um auf den weitläufigen Spielplänen die Zwerge überhaupt noch erreichen zu können, weil es dann für ihn kaum noch eine Chance gibt, zu gewinnen.
Hauer gegen Harfen
Green Menace ist das zweite Dwarf King's Hold-Spiel, in dem man mit Elfen gegen Orks spielen kann. Vom Material her kann man fast Wort für Wort die Beschreibung von Undead Rising hernehmen und muss nur "Untote" durch "Elfen" und "Zwerge" durch "Orks ersetzen.
Aber Moment mal, was haben Elfen und Orks mit der namensgebenden Zwergenfestung des Spiels zu tun? Tja, offenbar haben die gierigen kleinen Bartwühler den Großeltern der spitzohrigen Uschis vor tausend Jahren mal die Familienjuwelen gemopst. Jetzt, wo die Zwergenstadt in Ruinen liegt, haben sich die Elfen überlegt, sich ihren Besitz wiederzuholen. Die Orks haben das irgendwie auf Twitter oder so mitbekommen und sind nun scharf auf das schnelle Geld. In Dwarf King's Hold - Green Menace prallen die beiden Schatzsucherparteien aufeinander.
Die Dungeonteile sind von der Form her wieder identisch mit der Ausstattung des ersten Spiels, wurden aber neu illustriert und haben einen mehr überwachsenen und weniger felsigen Look, der zu den Elfen passt.
Die Regeln sind grundsätzlich ebenfalls gleich, wobei die beiden neuen Rassen natürlich andere Eigenschaften haben als Zwerge und Knochenmänner. Die Orks sind mit einem Treffer, egal wie stark, nicht zu töten, sondern verfallen in Raserei, was ihre Bewegungsreichweite und ihre Kampfwerte erhöht. Die Elfen weichen dafür Angriffen aus, was sie aus der Reichweite weiterer Angreifer bringen kann und haben Bogenschützen, die die Regeln um ein Fernkampfelement erweitern. Bei keiner der Rassen kommt es zu einem ähnlichen Ressourcenplanen wie bei den Untoten.
Die Szenarios von Dwarf King's Hold - Green Menace drehen sich meist um Schätze, die eine oder beide Mannschaften erobern wollen. In diesem Fall entscheidet der Wert der Beute über Gewinner und Verlierer. Allerdings muss ein Schatz tatsächlich vom Spielfeld getragen werden, wobei sich vor allem der zahlenmäßig unterlegene Ork überlegen muss, ob er lieber seine Schäfchen ins Trockene holt oder wartet, um keinen Kämpfer zu verlieren. Ebenfalls neu ist eine Regel, nach der bestimmte instabile Tunnel einstürzen können und die das Spiel um ein weiteres Unsicherheitselement bereichert.
Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass sich Green Menace etwas "arcadiger" spielt als das doch eher planerische Dead Rising. Allerdings sind beide Produkte eigenständige, unabhängige Spiele, die sich vor allem die Regelbasis und das Setting teilen.
Support
Support gibt es auf der chaotisch organisierten Mantic-Website zwar durch einige Hinweise auf das Spiel und darauf, wie man es erwerben kann, das war es aber auch schon. Nicht einmal das Regelheftchen gibt es zum Download. Auch ein paar weitere Szenarios wären schön gewesen.
Seltsamerweise existiert zumindest von Dead Rising eine deutsche Variante, die sich nur durch die Sprache des Regelheftes und der Verpackung von der englischen Variante unterscheidet und anscheinend auch von Mantic selbst stammt, obwohl auf der Internetseite kein Hinweis auf ihre Existenz zu finden ist.
Fazit
Dwarf King's Hold ist ein sehr simples Spielsystem für Dungeonscharmützel, das trotz der einfachen Regeln einigen taktischen Tiefgang zu bieten hat. Die Szenarios sind interessant und die einzelnen Rassen spielen sich zwar sehr unterschiedlich, sind aber trotzdem gut ausbalanciert. Die Kombination von Dungeoncrawl á la Descent oder Dungeons & Dragons mit Wargaming funktioniert ziemlich gut und füllt eine ganz neue Nische. Sowohl Dead Rising als auch Green Menace haben ihren Reiz.
Ein wenig schade ist die Trennung zwischen den beiden Spielen, aber die jüngst erschienene Erweiterung Ancient Grudge ermöglicht es, die vier existierenden Parteien dann mit mehr Spielern auf einem Dungeon zu versammeln.
Als Spiel macht die Dwarf King's Hold-Reihe auf jeden Fall Spaß und ist gerade für Dungeon- und Taktikfans auf der Suche nach Abwechslung einen Blick wert.
ABER.
Als Produkt ist Dwarf King's Hold ein Graus. Verglichen mit anderen Gesellschaftsspielen ist das Spielmaterial bestenfalls durchschnittlich, und dass man sich die Spielfiguren erst einmal zusammenbasteln muss, bevor man spielen kann, wird jeden normalen Kunden abschrecken. Wer nicht Tabletop-Spieler oder Modellbauer ist, hat wahrscheinlich nicht einmal die Mittel, mit den Plastikgussrahmen etwas anzufangen. Und ohne Transportkoffer muss man sich überlegen, was man dann mit den einmal zusammengebauten Minis machen will, denn in den Spielkarton passen sie nicht. Andererseits gehen die fragilen Figürchen bei unsachgemäßer Behandlung schnell kaputt und sind nichts für Leute mit Kindern oder Haustieren.
Der Detailgrad und die Individualität der Figuren ist eigentlich nur für Leute interessant, die vorhaben, die Minis zu bemalen. Dafür ist es dann wieder ärgerlich, dass die Minis keine Bases haben, um sie vielleicht wenigstens anstandslos in eine Mantic-Armee integrieren zu können.
Das Ganze wird dann zu einem Preis von ca. 40 Euro pro Spiel gehandelt, Geld, für das man fast überall mehr geboten kriegt. Dass man dabei dann nicht einmal online ein paar Zusatzszenarien angeboten bekommt, um von der Investition wenigstens etwas mehr zu haben, als eine Schachtel, ist ärgerlich.
Damit ist Dwarf King's Hold unterm Strich ein tolles Spiel, das aber abartig überteuert ist und nur von Leuten gespielt werden kann, die mit den Miniaturen fertigwerden. Wenn man es irgendwo für einen annehmbaren Preis findet und die Bastelausrüstung zu Hause hat, kann man schon einmal zugreifen.
Name: Dwarf King's Hold - Dead Rising / Dwarf King's Hold - Green Menace
Verlag: Mantic Games
Sprache: englisch
Komplexität: hoch
Ausstattung: akzeptabel
Empf. VK.: jeweils ca. 40 Euro
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