A Touch Of Evil

Flatternde schwarze Schatten ziehen vor dem bleichen, vollen Mond vorbei. Etwas regt sich in den Feldern vor der Stadt und über den Hügeln ist ein geisterhaftes Leuchten zu sehen. Aber während sich die Bewohner des kleinen Örtchens Shadowbrook hinter verriegelten Türen und verrammelten Fensterläden vor dem Unheil verstecken, das nachts durch ihre Gassen streift, macht sich die kleine Gruppe von Fremden, die an diesem Tag angereist sind, auf die Jagd nach dem Bösen.

A Touch Of Evil ist ein kooperatives Brettspiel in einem amerikanischen Gruselsetting Marke Sleepy Hollow und stammt aus der Feder von Spieleautor Jason C. Hill und seiner kleinen Spieleschmiede Flying Frog Productions. Die Box steht nun schon sein einigen Jahren in den Läden, aber lange Zeit hat mich die Gestaltung der Verpackung davon abgehalten, das Spiel eines weiteren Blickes zu würdigen.

Der Hauptgrund dafür ist, dass Jason C. Hill anscheinend immer dann, wenn er ein Spiel fertiggestellt hat, alle Freunde, Verwandten, Mitarbeiter und Leuten, deren Telefonnummer er kennt, einpackt und in den nächsten Kostümverleih schleppt. Wenn alle dem Thema des Spiels entsprechend ausstaffiert sind, werden bunte Lampen eingeschaltet und Fotos gemacht. Am Schluss kommen noch wahllos einige Photoshopfilter drüber und was dann herauskommt, dient dann zur Illustration des Spiels. Das Ergebnis ist eine schreiend bunte Unaussprechlichkeit, die an einen B-Movie mit Karnevalsthematik erinnert.

Neben den anderen Spielen im Laden ist A Touch Of Evil in dieser Aufmachung also sofort einmal unten durch.Die reißerischen Texte, die nichtssagenden Bilder und die Tatsache, dass eine Soundtrack-CD im Spiel enthalten ist tun ihr übriges, um den dubiosen Eindruck zu untermauern. Schade, denn A Touch Of Evil ist trotz seiner schrillen Verpackung nicht nur ein gutes, sondern vor allem auch stimmungsvolles Brettspiel und wenn die Schachtel einmal geöffnet ist, lässt auch die Ausstattung nichts zu wünschen übrig.

Die Box

Die Schachtel von A Touch Of Evil enthält eine gewaltige Fülle von Karten, Countern verschiedenster Formate, "Charakterbögen" für Spieler und Schurken, den Spielplan, eine große handvoll Würfel und acht Spielfiguren in Gestalt recht hübscher und standfester Plastikminis. Beim ersten Anblick fand ich diese Masse etwas überwältigend, aber in der Praxis sortiert sie sich schnell in verschiedene Kategorien, so dass man das Ganze in kurzer Zeit aufbauen kann. Das komplette Spielmaterial ist außergewöhnlich robust gefertigt, darüber hinaus sind alle Teile, außer Spielfiguren und Würfeln natürlich, beidseitig laminiert. Der glänzende Plastiküberzug wirkt etwas ungewöhnlich, schützt aber vor Abnutzung und bringt die Farben intensiv zur Geltung.
Auch das Innendesign von A Touch Of Evil ist beherrscht von gephotoshopten Personen in Karnevalsmontur, allerdings wirkt der Look auf den Kärtchen und Countern sehr viel besser. Ansonsten herrscht ein kontrastreiches "auf alt getrimmt"-Layout vor, komplett mit falschem Pergamenthintergrund á la Speisekarte im Familienrestaurant mit Piratenthema. Krönung des ganzen ist der Spielplan, der das Dorf Shadowbrook samt Umgebung als handgezeichnete Übersichtskarte in zeitgenössischem Stil darstellt.
Die Aufmachung von A Touch Of Evil ist zwar schrill und gewagt, wirkt aber trotzdem rund passt auch recht stimmungsvoll zu einem Gruselsetting aus einem B-Movie.
Farbliche Zuordnung und Embleme helfen, das Spielmaterial gut erkennen und unterscheiden zu können. Die Plastikminis sind ziemlich detailliert und die verschiedenen Charaktere sind in ihnen sehr gut wiederzuerkennen, was besonders bemerkenswert ist, da die Miniaturen ja nach lebenden Vorlagen geschaffen wurden.

An keiner Stelle hat man das Gefühl, dass bei A Touch Of Evil gespart wurde, eher im Gegenteil: Die Würfelanzahl, die dem Spiel beiliegt ist mehr als ausreichend, die Pappe von Wertebögen und Spielplan ist dick wie bei Babybüchern und da auf den Bögen Platz war liegen ein paar überzählige Counter bei, die vom Grundspiel nicht  verwendet werden. Alle Ereigniskarten sind mit individuellen Sprüchen und Zitaten aus der Welt von A Touch Of Evil versehen, die allein der Gruselfilmstimmung dienen. Man hätte das Spiel auch deutlich weniger hochwertig umsetzen können und gerade bei solch einem kleinen  Verlag wie Flying Frog Produchtions ist es schön, wenn man sich so ins Zeug legt, dass die Produkte den Vergleich zur großen Konkurrenz nicht zu scheuen brauchen.

Wie erwähnt ist in A Touch Of Evil (wie auch in anderen Spielen von Flying Frog Productions)  auch eine Musik-CD mit passender Musik enthalten. Das hat, denke ich weniger damit zu tun, dass das Spiel das irgendwie brauchen würde und mehr damit, dass eine Musikerin aus dem Bekanntenkreis des Spieleautors bekannt sein möchte.
Die Musik ist simpel und repetitiv, allerdings als Hintergrundkulisse durchaus erträglich. Da man aber das Gefühl hat, dass der Preis des Spiels voll durch die Ausstattung gerechtfertigt wird, kann Jason C. Hill meinetwegen so viele CDs wie er will dazupacken. Ob man das Ding als Gag bei jeder A Touch Of Evil-Runde abspielt oder es dazu aufhängt, gefräßige Vögel aus dem Erdbeerfeld im Garten zu vertreiben, muss sich jeder selbst überlegen.

Neben dem Layout hat die Schachtel von A Touch Of Evil noch ein anderes Problem: Zwar passt alles Spielmaterial hinein, allerdings nicht sortiert bzw. es ist nichts vorgesehen, um die Sachen zu sortieren. Es hätte Flying Frog Games bestimmt nicht ruiniert, drei, vier Druckverschlussbeutel in die Box zu werfen, würde aber ein vollständiges Neusortieren der zig hundert Counter vor jedem Spiel verhindern. (Ja, natürlich sortiere ich nicht, sondern habe mir die Beutel in Eigeninitiative besorgt, aber der Punkt bleibt trotzdem bestehen).
Andererseits bin ich vielleicht als Deutscher zu sehr verwöhnt, denn besser als der Mist den manche großen amerikanischen Hersteller von Spielen wie Arkham Horror in ihre Schachteln rotzen ist die Formverpackung von A Touch Of Evil allemal.

Die Spieleanleitung von ist gut lesbar und erklärt das Spiel verständlich. Leider unterstützt sie den Leser nicht sehr gut im Nachschlagen spezieller Regeln. Das ist aber ob der Kürze des Werks zu verschmerzen.

Das Spiel

Bei A Touch Of Evil treten die Spieler als Monsterjäger gegen das Spiel an, das durch Karten und Zufallsaktionen in der Rolle eines von vier übernatürlichen Schurken auftritt, der Shadowbrook heimsucht. Anders als bei den meisten kooperativen Spielen kann man sich vorher entscheiden, ob die Spieler als Einzelkämpfer unterwegs sind wobei jeder versucht, der erste zu sein, der das Monster zur Strecke bringt, oder ob sich die Spieler alle zusammentun, um traditionell gemeinsam gegen einen übermächtigen Widersacher anzutreten.

Die Spieler ziehen reihum ihre Figuren über die den Spielplan, auf dem verschiedene Orte inner- und außerhalb des Städtchens Shadowbrook als Zonen eingezeichnet sind. Die Reichweite einer Figur wird dabei durch einen Würfelwurf bestimmt, der Spieler kann dann frei entscheiden, wohin er dann gehen möchte.
An den meisten Orten passiert etwas Besonderes, wenn ein Charakter sie betritt. Shadowbrook selbst bietet vor allem Möglichkeiten, Gegenstände zu erwerben, den Charakter zu verbessern oder zu heilen oder an hilfreiche Ereigniskarten zu kommen. Leider kostet das meiste davon Ressourcen, die man vor allem außerhalb des Städchens verdienen kann.
In der Umgebung von Shadowbrook warten klassische Spukorte wie das Herrenhaus auf dem Hügel, der Sumpf oder die Festungsruine mit Fallen und Gefahren auf unvorsichtige Besucher, sogar der Schurke selbst oder seine Schergen können hier die Spielfiguren angreifen. Allerdings gibt es hier auch die besten Ausrüstungsgegenstände zu finden.  Die vier wichtigsten Orte haben eigene Kartendecks, die für abwechslungsreiche Ereignisse sorgen, die auch jeweils thematisch zur jeweiligen Lokalität passen. Ansonsten entscheidet ein Würfelwurf, ob einem Charakter etwas Unangenehmes widerfährt oder ob er auf ein hilfreiches Ereignis stößt.

Die acht Charaktere, die A Touch Of Evil den Spielern anbietet, sind typische Helden für eine Gruselgeschichte anno 1800, wie ein Polizeiinspektor, eine reisende Adlige oder ein Landstreicher.
Jeder Charakter verfügt über die vier Werte "Spirit", "Cunning", "Combat" und "Honor". In Kämpfen und bei anderen Aufgaben müssen Tests auf diese Eigenschaften durchgeführt werden. Dazu wirft man eine Anzahl von Würfeln, die dem Wert der Eigenschaft entspricht und jeder Würfel, der über einem durch den Test festgelegten Zielwert liegt, zählt als Erfolg.
Die Charaktere unterscheiden sich sehr in ihren Werten, was ihnen je nach Aufgabe Vor- und Nachteile bringt.
Zusätzlich verfügt jeder Charakter noch über besondere Vorteile, die ihn zusätzlich einzigartig machen. Da in Kämpfen das größte Risiko besteht für Charaktere besteht und auch der Schurke nur im Kampf gestellt werden kann, haben Charaktere mit einem guten Combat-Wert einen kleinen Vorsprung. Allerdings gibt es im Spiel zahlreiche Möglichkeiten, seine Werte zu verbessern und Gegenstände, die es einem Charakter erlauben, andere Eigenschaften als "Combat" im Kampf einzusetzen.
Unterliegt ein Charakter im Kampf, kann er von neuem im Rathaus von Shadowbrook beginnen, allerdings verliert er dabei Verbündete, Ausrüstung und Informationen, die er zuvor gesammelt hat, was ihn schwer zurückwerfen kann.
Egal ob kooperativ oder jeder für sich, die Spieler können sich bei A Touch Of Evil nicht gegenseitig angreifen oder sonst irgendwie direkt gegeneinander vorgehen – der Sieg über das Böse ist ein Wettlauf, kein Kampf.

Am Ende jeder Runde, wenn jeder Spieler einmal gehandelt hat, ist der Schurke an der Reihe. Er agiert vor allem durch einen Stapel "Mystery"-Ereigniskarten, die die Situation für die Spieler erschweren. Meistens führt das dazu, dass der Schurke Angriffe auf Charaktere durchführt oder seine Schergen ausschickt, die dann in Form von Countern Orte auf dem Spielplan besetzen und bekämpft werden müssen. Außerdem gibt es einen Punktezähler für den Fortschritt des Bösen, der durch Schurkenaktionen vorangetrieben wird. Wenn dieser jemals das Ende des Zählers erreicht, haben die Spieler verloren und der Schurke gewonnen.
A Touch Of Evil bietet vier genretypische Schurken an: Einen Vampir, einen Werwolf, einen Geisterreiter und eine belebte Vogelscheuche. Jeder Schurke hat eigene Werte, zu ihm passende Angriffe und Schergen. Während der Schurke sein Unwesen treibt, ist es allerdings nicht möglich, ihm beizukommen. Dazu muss man erst sein Versteck finden und ihn stellen.

Das eigentliche Ziel bei A Touch Of Evil ist es also, herauszubekommen, wo sich das Monster versteckt und es im Kampf zu bezwingen, entweder gemeinsam im Team oder für sich allein, bevor es einem anderen gelingt.
Dazu muss man Zeugen befragen, Spuren suchen, Hinweisen folgen, sich mit den Bewohnern von Shadowbrook anfreunden und die Geschichte des Ortes erforschen. All das wird bei A Touch Of Evil symbolisiert durch "Investigation"-Marker, die effektiv so etwas wie eine Währung im Spiel sind und neben den Eigenschaftstest einen zentralen Spielaspekt ausmachen. Investigation gibt es als Belohnung für bestandene Gefahren und für Kämpfe gegen Schergen. Auch Aktionen des Schurken können dazu führen, dass Investigation direkt an Charaktere geht oder irgendwo auf dem Spielplan landet, wo man sie einsammeln kann.
Investigation dient vor allem dazu, die Kosten für Heilung, Charakterverbesserung und Gegenstände im Dorf zu bezahlen. Auch wenn ein Charakter (z.B. durch einen verlorenen Kampf) Ressourcen verliert, ist es besser, ein Polster an Investigation zu haben, das man opfern kann, bevor man mächtige Waffen oder nützliche Verbündete loswird. Investigation dient auch dazu, die Geheimnisse der Dorfbewohner zu ergründen.
Am Ende kostet es ebenfalls Investigation, um sich eine Lair-Karte zu kaufen. Diese Karten stellen einen Ort auf dem Spielplan dar. Sobald ein Spieler eine Lair-Karte besitzt, kennt er das Versteck des Schurken und kann ihn dort stellen. Die Kosten für Lair-Karten sinken immer weiter, je weiter der Zähler für das Fortschreiten des Bösen nach vorne rückt.

Wenn man sich stark genug fühlt, dem Schurken gegenüberzutreten, kann man seinen Charakter zum Lager des Bösewichtes ziehen und den Kampf beginnen. Die Monster bei A Touch Of Evil sind ziemlich starke Gegner, gegen die man alle Ausrüstung und Unterstützung braucht, die man bekommen kann.
An dieser Stelle kommen die Dorfbewohner von Shadowbrook ins Spiel. Diese durch Karten dargestellten Personen stellen die wichtigsten Bewohner von Shadowbrook dar: Die Hebamme, den Pfarrer, den Magistrat, den Doktor und das adliger Pärchen aus dem Herrenhaus. Jeder Dorfbewohner verleiht besondere Fähigkeiten, die im Kampf gegen den Schurken das Zünglein an der Waage sein könnten und ziehen auch die Aufmerksamkeit des Schurken auf sich, der dann nicht mit voller Kraft gegen die Charaktere kämpft.
Leider neigen die Dorfbewohner allerdings auch dazu, im Kampf gegen den Schurken ihr Leben zu lassen oder von Aktionen des Bösen gezielt im Spielverlauf ausgeschaltet zu werden. Als wäre das nicht genug, hat jeder Dörfler zusätzlich mindestens ein Geheimnis, das vor Spielbeginn zufällig zugeteilt wird. Das Geheimnis kann einfach darin bestehen, dass der Pfarrer ein alter Spanner ist, was für das Spiel keine Auswirkungen hätte oder vielleicht verfügt der Dörfler unbekannterweise über Kampferfahrung aus dem Unabhängigkeitskrieg und kann die Jagd tatkräftig unterstützen. Oft genug jedoch stellt sich heraus, dass der Einwohner irgendeine verborgene Schwäche hat, mit dem Schurken unter einer Decke steckt oder sogar der Schurke selbst ist. In diesen Fällen wechselt der Dorfbewohner auf die Seite des Monsters und stärkt dieses ganz bedeutend. Es ist also lebenswichtig, vor dem Endkampf herauszubekommen, wem von den Dorfbewohnern man trauen kann.

Der Endkampf selbst ist im Prinzip ein Kampf wie jeder andere, bei dem es allerdings um alles oder nichts geht. Typischerweise werden hier die ganzen Asse im Ärmel, Einwegwaffen und Sonderfähigkeiten eingesetzt, während man dem Schurken Dorfbewohner und Verbündete vor die Klauen wirft, um am Leben zu bleiben. Im Einzelkämpfermodus ist das Monster nicht unbedingt sehr stark, aber der Druck, den Kampf als erster angehen zu müssen, bevor es ein anderer tut, verleitet dazu, mit schlechter Ausrüstung zu früh den Lanzengang mit dem Unhold zu riskieren. Geht die Gruppe gemeinsam vor, werden die Werte des Schurken angepasst, so dass er wie ein Bossmonster in einem Computerspiel nur mit vereinten Kräften besiegt werden kann.
Wenn der Bösewicht erlegt ist, endet das Spiel und die Gruppe oder der erfolgreiche Monsterjäger hat gewonnen. Andernfalls ist der Schurke hoffentlich geschwächt, so dass er dem nächsten Jäger leichter zum Opfer fällt, bevor der Zähler für den Fortschritt des Bösen das Ende der Skala erreicht.

Support

Flying Frog Productions haben eine eigene A Touch Of Evil-Website, auf der vor allem Informationen zum Spiel geboten werden. Dort hat man auch Gelegenheit, sich die farbenfrohen Illustrationen anzusehen. Löblicherweise findet man dort das komplette Regelbuch kostenlos als PDF-Download.
Zusätzlich gibt es noch drei Gratis-Schurken zum herunterladen und Selbstausdrucken, um A Touch Of Evil im wahrsten Sinne des Wortes noch etwas aufzumonstern: Eine Dryade, eine Schattenhexe und einen teuflischen Nussknacker mit seiner Spielzeugarmee (der war einmal ein Weihnachtsgag des Herstellers).
Neben dem Hauptspiel sind noch zwei Erweiterungen zu haben, die neue Charaktere, Schurken und Orte zum erkunden bieten, am Grundkonzept des Spieles aber nichts ändern. Wer will, könnte zumindest in den USA bei Flying Frog Productions auch noch Poster der Charaktere, die Musik-CD und anderen Merchandise erwerben.
Das Spiel ist bisher nur auf Englisch erschienen und da es seit 2008 in den Läden steht, ist fraglich, ob es je eine deutsche Übersetzung geben wird. Allerdings ist gewöhnliches Schulenglisch ausreichend, um das Spiel zu verstehen.

Fazit

A Touch Of Evil ist ein Spiel, bei dem alles richtig gemacht wurde. Die Ausstattung ist trotz des gewöhnungsbedürftigen Layouts hervorragend, das Spiel ist sowohl taktisch fordernd als auch stimmungsvoll. Das zugrundeliegende simple Muster "Charakter aufrüsten, bis man den Endboss schlagen kann" wird angenehm verschleiert durch die vielen Ereignisse, die Aktionen des Schurken und die Schergen auf dem Spielplan, die das Spiel sehr unvorhersehbar und immer wieder interessant machen. Manchmal läuft es auf ein Erkunden der Umgebung von Shadowbrook mit allen Gefahren hinaus, manchmal entschließt sich der Schurke zum Sturmangriff und man wehrt Horden von Schergen ab, die alle Zonen überlaufen, manchmal laufen die Dorfbewohner scharenweise zur bösen Seite über und stärken das Monster ganz ungemein.
Auch das Gefühl, ein Ermittler zu sein, der hinter die dunklen Geheimnisse des Dorfes kommen muss und Hinweise sammelt, wo sich das Monster denn nun versteckt hält wird trotz des abstrakten Systems mit "Ermittlungs-Münzen" gut vermittelt.

Obwohl sich A Touch Of Evil sehr erfolgreich um Atmosphäre bemüht, ist es trotzdem sehr klar als Brettspiel zu verstehen, bei dem es für Spieler immer etwas Sinnvolles zu tun gibt und man mit jeder Aktion dem Spielziel näher kommt. Irgendwelche fehlgeleiteten Rollenspielambitionen, die die Spieler zwingen, ihrer Charakterrolle gemäß zu handeln oder irgendwelche Nullhandlungen durchzuführen, damit eine Story wie geplant ablaufen kann, kommen glücklicherweise nicht vor.

Gut gelungen ist das unterschiedliche Feeling bei jedem einzelnen Schurken: Der Werwolf neigt dazu, in den Nahkampf zu gehen und dicke Prügel auszuteilen, außerdem kann er die Spieler mit dem Werwolfsfluch anstecken. Der Vampir ist garstig schwer zu fassen und korrumpiert die Dorfbewohner, indem er ihnen weitere Geheimnisse aufhalst. Der Geisterreiter kann gut einstecken und greift im Galopp oft mehrere Charaktere an. Und die Vogelscheuche agiert mit unangenehmen Schergen aus dem Hintergrund.

Was für mich aber der bemerkenswerteste Aspekt von A Touch Of Evil ist, ist die Tatsache, dass dieses Spiel so robust ist, dass es wirklich mit 2 bis 8 Spielern sowohl im Kooperativ- als auch im Konkurrenzmodus gut funktioniert.

Dafür kann eine Partie je nach Teilnehmerzahl auch schon einmal zwei oder drei Stunden dauern. Auch der Aufbau nimmt etwas Zeit in Anspruch, weil man erst den Schurken und die Charaktere ermitteln muss, bevor man weiß, welche Counter nun gebraucht werden und was wohin kommt. Damit ist A Touch Of Evil eher als abendfüllende Unterhaltung einzuplanen.
Was dem Spiel auch komplett abgeht, ist der Aspekt vieler kooperativer Gesellschaftsspiele, dass es irgendwelche Verräter oder geheimen Agendas gibt und man vor allem herausbekommen muss, was die lieben Mitspieler denn überhaupt so vorhaben.

Unterm Strich muss natürlich jeder selbst wissen, ob er an solch einer Art von Spiel Freude hat oder ob ihn das Gruselfilmgenre reizt. Alles, was ich sagen kann, ist, dass man mit A Touch Of Evil ein stimmungsvolles abwechslungsreiches, durchdachtes Spiel mit robusten Regeln und einer vorbildlichen Ausstattung bekommt.


Name: A Touch Of Evil
Verlag: Flying Frog Productions
Sprache: englisch
Autor: Jason C. Hill
Komplexität: mittel
Ausstattung: sehr gut
Empf. VK.: ca. 40 Euro


Galerie:

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